Zu Scholz' Europa-Politik: Hofreiter fordert Absage an "Germany first"

Anton Hofreiter (Bündnis 90/Die Grünen) erklärte am Dienstagvormittag im "ARD-Morgenmagazin", deutsche Interessen seien immer europäische Interessen. (Bild: ARD)
Anton Hofreiter (Bündnis 90/Die Grünen) erklärte am Dienstagvormittag im "ARD-Morgenmagazin", deutsche Interessen seien immer europäische Interessen. (Bild: ARD)

Nicht überall in der Europäischen Union ist man überzeugt von der Politik des deutschen Bundeskanzlers Olaf Scholz. Auch Anton Hofreiter (Bündnis 90/Die Grünen), Vorsitzender des Europa-Ausschusses, äußerte im ARD-Morgenmagazin Kritik: Deutsche Interessen seien immer europäische Interessen.

Am Dienstagvormittag hielt Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) eine mit Spannung erwartete Rede vor dem Europäischen Parlament in Straßburg. Nicht jeder ist mit seiner Europa-Politik, die zuletzt vornehmlich deutsche Interessen im Blick hatte, einverstanden - auch innerhalb der Ampel-Koalition. Dies gilt etwa für Anton Hofreiter (Bündnis 90/Die Grünen), den Vorsitzenden des Europa-Auschusses. "Olaf Scholz ist sicher ein echter Europäer", stellte der Grünen-Politiker im Vorfeld im ARD-Morgenmagazin klar. "Aber deswegen muss man sich trotzdem die Frage stellen, ob er immer alles geschickt anpackt auf der europäischen Ebene." Fehler "sollte man sich als größtes und somit mächtigstes Land innerhalb der Europäischen Union nicht leisten".

"Moma"-Moderator Michael Strempel entgegnete, einige würden sicher gut finden, dass Scholz deutsche Interessen in Europa vertrete. Hofreiter hatte hierzu eine klare Meinung: Man müsse sich immer darüber im Klaren sein, dass dieses Land "so stark vernetzt innerhalb der Europäischen Union" sei. Das gelte auch ökonomisch, da man auf Importe und Exporte angewiesen sei. Demnach seien deutsche Interessen "immer europäische Interessen".

Aus diesem Grund gebe es "kaum ein Land", dass so ein großes Interesse daran habe, dass man nicht "Germany first-Politik" betreibe, wie Deutschland selbst. Hofreiters Meinung nach müsse man stattdessen darauf achten, dass man "die europäischen Verbündeten, die europäische Gemeinschaft möglichst gut zusammenhält".

Moderator Michael Strempel (rechts) wollte von Anton Hofreiter wissen, wie Deutschlands Führungsrolle innerhalb der Europäischen Union aussehen könnte. (Bild: ARD)
Moderator Michael Strempel (rechts) wollte von Anton Hofreiter wissen, wie Deutschlands Führungsrolle innerhalb der Europäischen Union aussehen könnte. (Bild: ARD)

Hofreiter fordert: Führungsverantwortung ohne zu "brüskieren"

Aufgrund der schieren Größe Deutschlands werde von diesem Land eine Führungsrolle erwartet, so Moderator Strempel. Von Anton Hofreiter wollte er wissen, ob dieser Anzeichen für einen "Scholz'schen Weg" sehe, diese Führungsrolle auszufüllen. Der Grünen-Politiker entgegnete, als größtes und mächtigstes Land müsse man in der EU einen "schmalen Grat erwischen": Führungsverantwortung übernehmen und gleichzeitig "die Partnerinnen und Partner nicht brüskieren". Dies gelinge "in ständigem Austausch mit Regierungschefinnen und Regierungschefs" auf möglichst "menschlich geschickte Art".

In einer ersten Rede vor der Europäischen Union hatte Scholz angemahnt, man würde den Balkan gerne integrieren, zuvor müsse es aber Reformen geben. Hofreiter betonte jedoch, es gebe ein "strategisches, massives Eigeninteresse" die EU möglichst schnell zu erweitern, nicht nur um die Balkanländer, sondern auch um die Ukraine und die Republik Moldau und perspektivisch auch Georgien.