Senta Berger kritisiert Gender-Sprache, "Korrektheit" und "MeToo": "Wir verleugnen uns"
Senta Berger bezweifelt den Erfolg der "MeToo"-Debatte. Auch am Gendern und der politischen Korrektheit innerhalb der Filmbranche übt die 82-jährige Schauspielerin in einem Interview Kritik.
Senta Berger hatte bereits 2006 in ihrer Autobiografie "Ich habe ja gewusst, dass ich fliegen kann" über sexuelle Übergriffe am Filmset berichtet. Eine Breitenwirkung der rund zehn Jahre später angestoßenen "MeToo"-Debatte sieht die 82-Jährige allerdings nicht: "Die Öffentlichkeit hat nur über unsere öffentliche Branche gesprochen", sagte sie im Interview mit der "Neuen Osnabrücker Zeitung" (NOZ): "Aber was passiert im Büro? Wehrt sich ein Zimmermädchen, wenn der Chef handgreiflich wird? Ich fürchte nein."
Es habe sich zwar viel bewegt. "nur nicht so viel, wie wir gedacht haben", kritisiert die Schauspielerin weiter: "Es hätte eine tiefgreifende Diskussion sein können. Aber die war's nur zum Teil." Zum anderen Teil "ging es stark in den Voyeurismus, in die Boulevardisierung der Situationen, die Frauen geschildert haben. Es gab eine Art von öffentlicher Geilheit, die der Sache nicht gutgetan hat."
Senta Berger über Gender-Sprache: "Ob es inhaltlich richtig ist, wage ich zu bezweifeln"
Ähnlich kritisch betrachtet die Ehefrau von Filmregisseur Michael Verhoeven auch einen Verhaltenskodex der Filmakademie: "Ich glaube, wir brauchen keinen Kodex, um zu wissen, was Anstand bedeutet", sagt sie: "Ich habe den Eindruck - er mag falsch sein und meinem Alter entsprechen -, dass in der Filmakademie 'gegendert' wird, weil man das jetzt eben so macht. Ob es inhaltlich richtig ist, wage ich zu bezweifeln."
Ähnliches gilt ihrer Meinung nach für die "Korrektheit, die aus Teilen der amerikanischen Gesellschaft kommt": "Man sieht heute den vollkommen unbedachten, alltäglichen Rassismus und Sexismus der Vergangenheit und möchte es wiedergutmachen - indem man alles besonders korrekt macht." Stanley Kubricks Romanverfilmung "Lolita" (1961) etwa gelte in den USA inzwischen "als pädophil und ist indiskutabel", so Berger: "In Deutschland ist das eigentlich gar nicht unsere Haltung", erklärt sie weiter: "Aber weil wir medial mit Amerika so verflochten sind, übernehmen wir es. Das ist nicht gut. Wir verleugnen uns."
Das Interview fand anlässlich des Kinostarts von Senta Bergers neuem Film "Weiß du noch" statt. Darin spielt Berger die Seniorin Marianne, deren Ehe mit Günter (Günther Maria Halmer) zunehmend unter langweiliger Routine leidet. Um sich an den Auslöser der gegenseitigen Liebe zu erinnern, beschließen die beiden eine Wunderpille einzunehmen, die längst vergessene Erinnerungen zurück ins Gedächtnis bringt.