Sexistische Gewalt linker Politiker: Frankreichs Feministinnen schlagen Alarm
Ein Politiker der Linken, der seine Frau geohrfeigt hat, ein grüner Politiker, der sich gegenüber seinen Kolleginnen unkollegial verhalten haben soll... In Frankreich gibt es - wie Feministinnen feststellen - einen "Tsunami" der Fälle. Und die Skandale erschüttern das linke Bündnis, das bei der Parlamentswahl im vergangenen Juni einen spektakulären Erfolg gefeiert hatte.
Nicht nur militante Feministinnen beklagen jetzt die nicht akzeptable Solidarität unter Männern in der Politik, wenn es um Gewalt gegen Frauen geht. So hatte Linken-Urgestein Jean-Luc Mélenchon (71) den "Mut und die Würde" von Adrien Quatennens (32) gelobt, nachdem dieser zugegeben hatte, seine Frau geschlagen zu haben. Mélenchons Twitter-Nachricht sorgte für einen Aufschrei, er hatte geschrieben: "Die Böswilligkeit der Polizei, der Voyeurismus der Medien und die sozialen Netzwerke haben sich in die konfliktreiche Scheidung von Adrien und Céline Quatennens eingeschaltet. Adrien beschließt, alles auf sich zu nehmen. Ich begrüße seine Würde und seinen Mut. Ich spreche ihm mein Vertrauen und meine Zuneigung aus."
Danach trat Quatennens, der als möglicher Nachfolger von Mélenchon an der Spitze von "La France Insoumise" gegolten hatte, von seinem Posten als Koordinator der Partei zurück. Quatennens und seine Frau lassen sich gerade scheiden - und Céline Quatennens wollte eigentlich nicht, dass die häusliche Gewalt in den Medien vorkommt. Doch da die Ohrfeige in den Gerichtsakten erschien, wurden Ermittlungen eingeleitet und der Fall wurde publik.
Quatennens, der aus dem nordfranzösischen Lille kommt, und seine Frau haben auch eine gemeinsame Erklärung veröffentlicht. Die Eheleute, die eine 2019 geborene Tochter haben, schreiben, sie seien um eine einvernehmliche Scheidung bemüht.
Franceinfo berichtet, dass sich Julien Bayou (42) vom Co-Vorsitz der grünen Fraktion im Parlament in Paris zurückgezogen hat. Diese Entscheidung wurde am Dienstag nach einer Fraktionssitzung "in Anwesenheit der 23 Abgeordneten der Grünen" getroffen. Grünen-Politikerin Sandrine Rousseau (50) hatte Julien Bayou beschuldigt, "Verhaltensweisen an den Tag zu legen, die geeignet sind, die moralische Gesundheit der Frauen zu brechen". Zudem erklärte Rousseau, sie habe sich mit Bayous ehemaliger Lebensgefährtin lange unterhalten. Und es soll noch andere Opfer geben.
Die Ökofeministin Rousseau selbst hatte nach ihrer Scheidung 2017 erklärt, dass sie Opfer sexistischer Angriffe durch ihren Ehemann war.
"Sexistische und sexuelle Gewalt: Die Zeit der Straflosigkeit ist vorbei, der feministische Nachwuchs ist da!" Das ist der Titel des Kommentars, den die Feministinnen von #ReleveFeministe in der Zeitung "Libération" veröffentlicht haben.
"Wenn eine politische Partei ein feministisches Programm vertritt, insbesondere im Bereich der Frauenrechte und des Kampfes gegen geschlechtsspezifische Gewalt, kann man mit Recht von ihr erwarten, dass sie aufhört, Aggressoren zu schützen und die Opfer patriarchaler Gewalt bedingungslos unterstützt", schreiben die Feministinnen und verurteilten "mit größter Entschiedenheit die Reaktion von Jean-Luc Mélenchon und seinen Kollegen".
Doch sexistische und sexuelle Gewalt sind nicht allein auf das linke Lager beschränkt. Eine Frau hatte Darmanin vorgeworfen, sie 2009 vergewaltigt zu haben. Die Ermittlungen wurden eingestellt und nach erneuter Klage der ehemaligen Escort wieder aufgenommen. Als Präsident Emmanuel Macron 2017 Gérald Darmanin in die Regierung holt und als er ihn 2020 zum jüngsten Innenminister Frankreichs macht, gibt es Proteste von Feministinnen.
Macron beruft sich auf die Unschuldsvermutung. Feministinnen prangern ein System an, "das Aggressoren aller Parteien schützt. Diese Omertà hält dank Komplizenschaft und Feigheit an."