Silvester-Krawalle: Giffey plant Gipfel gegen Jugendgewalt

Nach den Ausschreitungen in der Silvesternacht will Berlins Regierende Bürgermeisterin Giffey einen Gipfel gegen Jugendgewalt. Unionspolitiker sehen die Krawalle als Teil der «Chaos-Stadt».

Berlins Regierende Bürgermeisterin Franziska Giffey (SPD). (Bild: dpa)
Berlins Regierende Bürgermeisterin Franziska Giffey (SPD). (Bild: dpa)

Nach den Ausschreitungen in der Silvesternacht will Berlins Regierende Bürgermeisterin Franziska Giffey (SPD) zu einem Gipfel gegen Jugendgewalt einladen. Das kündigte sie am im rbb-Inforadio an. Die Einladungen sollen schnellstmöglich rausgehen, bestätigte eine Senatssprecherin der Deutschen Presse-Agentur. Wann das Treffen stattfinden und wer daran teilnehmen soll, wurde nicht genannt.

Giffey sagte in dem Interview, die Angriffe auf Rettungskräfte, Feuerwehrleute - «diejenigen, die uns helfen und schützen» - seien unakzeptabel, zu verurteilen und konsequent zu verfolgen. «Es gibt aber keine einfache Antwort. Ein Böllerverbot alleine wird es nicht lösen.» Sie glaube nicht, dass für sämtliche Böller ein Verbot auf Bundesebene durchsetzbar sein werde.

Aus ihrer Sicht sind mehrere Komponenten notwendig. «Wir haben in vielen Städten in Deutschland diese Lage. Wir müssen einerseits konsequent vorgehen gegen Straftaten, aber andererseits eben auch schauen, was muss in der Integrations-, in der Jugend-, in der Schulsozialarbeit unternommen werden.»

Giffey: «Auch sozialen Medien spielen eine große Rolle»

Angesprochen wurde Giffey darauf, dass es nun eine Diskussion über die familiäre Herkunft der Täter gebe und darüber, ob das nun ein Integrationsdefizit sei. Habe diese große Distanz, vielleicht auch Feindschaft den Repräsentanten des deutschen Staates gegenüber etwas mit der Herkunft der Familien zu tun?

Giffey antwortete, man habe eine massive Respektlosigkeit gesehen, eine massive Zerstörungswut und auch teilweise eine Verachtung gegenüber Staatsvertretern. Sie habe mit den Einsatzkräften der Polizei in Neukölln gesprochen und gefragt, was der Grund sei und wie das komme. «Und die haben mir berichtet, dass auch die sozialen Medien eine große Rolle spielen. Dass eben sich gegenseitig angestachelt wird auf Tiktok.» Dass diese eine Nacht die Nacht sei, die für manch andere der 1. Mai sei, wo man mal die Sau rauslassen und zeigen könne, dass man der Stärkere sei mithilfe von Schreckschusswaffen und Böllern und so weiter.

«Der Kern der Debatte, um die es da bei diesem Geschehen in der Silvesternacht geht, ist ja nicht der sogenannte Migrationshintergrund oder die Forderung nach Böllerverboten», sagt der stellvertretende Regierungssprecher Wolfgang Büchner auf die Frage, ob die Krawalle Anlass für eine Debatte über Integrationspolitik sein sollte. Vielmehr gehe es hier um einen «Angriff auf den Rechtsstaat», sagt Büchner. Zunächst müsse das bundesweite Lagebild abgewartet werden. Man habe in der Bundesregierung entschieden, erst alles aufzuklären und sich dann zu äußern und womöglich Konsequenzen zu ziehen.

Söder: «Berlin entwickelt sich leider zu einer Chaos-Stadt»

Unionspolitiker werfen der rot-grün-roten Hauptstadt-Regierung eine Mitschuld vor. CDU-Chef Friedrich Merz sagte dem «Münchner Merkur»: «Die Chaoten, viele davon mit «Migrationshintergrund», fordern mit ihrer Randale den Staat heraus, den sie verachten.»

CSU-Chef Markus Söder sagte: «Berlin entwickelt sich leider zu einer Chaos-Stadt - beginnend bei der Politik, die weder Wahlen organisieren noch die Sicherheit ihrer Bürger garantieren kann.» Die Union handelte sich ihrerseits den Vorwurf ein, Wahlkampfmanöver zu fahren und rassistische Ressentiments zu bedienen.

Attacken in der Hauptstadt besonders heftig

In der Nacht zum Neujahrstag waren in mehreren deutschen Städten Polizisten und Feuerwehrleute im Einsatz angegriffen worden, unter anderem mit Böllern und Raketen. Besonders heftig waren die Attacken in einigen Vierteln von Berlin. Es seien 355 Straf- und Ordnungswidrigkeitsverfahren eingeleitet worden, sagte ein Sprecher der Berliner Polizei gestern Abend.

145 Menschen seien vorläufig festgenommen worden - alle Verdächtigen nach Abschluss der polizeilichen Maßnahmen wieder auf freien Fuß gekommen. Es seien insgesamt 18 verschiedene Nationalitäten erfasst worden. 45 der Verdächtigen hätten die deutsche Staatsangehörigkeit, 27 Verdächtige seien afghanischer Nationalität, und 21 seien Syrer.

Das Land Berlin werde mit der Lage nicht fertig, sagte Merz dem «Münchner Merkur». Seit Jahren begrenze der Senat aus politischen Motiven die Rechte und Einsatzmöglichkeiten der Polizei. CSU-Chef Söder argumentierte ähnlich. Die Berliner Polizei werde von der Mehrheit aus SPD, Grünen und Linken im Abgeordnetenhaus im Stich gelassen, sagte er.

Grünenpolitiker vermutet CDU-Wahlkampfmanöver

Der rechtspolitische Sprecher der Grünen im Bundestag, Helge Limburg, verurteilt die Krawalle, kritisiert aber auch die Union. «Angriffe an Silvester sind erkennbar ein bundesweites Phänomen, kein auf Berlin beschränktes. Der Versuch einiger Unionspolitiker, die Probleme vor allem in Berlin zu verorten, ist offenkundig ein Wahlkampfmanöver angesichts der nahenden Abgeordnetenhauswahl», sagte er dem «Tagesspiegel».

Es würden rassistische Ressentiments bedient, statt Lösungen aufzuzeigen. «Der mangelnde Respekt vor Vertretern des Staates und die sinkende Hemmschwelle zur Gewalt sind nicht auf bestimmte Bevölkerungsgruppen begrenzt», sagte Limburg.

Die Abgeordnetenhaus-Wahl wird am 12. Februar wiederholt, Giffey tritt wieder an. Das Landesverfassungsgericht hatte die Wahl vom September 2021 wegen vieler Pannen und «schwerer systemischer Mängel» für ungültig erklärt.

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