"Eine Situation, die es so noch nie gegeben hat"
31 Jahre lang war König Boris, bürgerlich Boris Lauterbach, ein Drittel von Fettes Brot (bekannt durch Hits wie „Jein“ und „Nordisch by Nature“). Im vergangenen Jahr löste sich das Hip-Hop-Trio auf.
König Boris macht nun alleine weiter und wird am 26. April sein zweites Soloalbum „Disneyland After Dark“ veröffentlichen. 2012 erschien sein erstes Solowerk „Der König tanzt“.
Neben der Musik ist der FC St. Pauli seine zweite große Leidenschaft. SPORT1 hat mit dem 49-Jährigen im Exklusiv-Interview über die Erfolgssaison der Kiezkicker gesprochen.
Aufstieg von St. Pauli? „Bin optimistisch“
SPORT1: Herr Lauterbach, Ihr Herzensverein ist der FC St. Pauli. Denken sie manchmal: „Bitte kneift mich mal“?
Boris Lauterbach: Es ist wirklich aufregend. So etwas gab es bisher noch nicht. Ich kann mich nicht erinnern, dass der FC St. Pauli jemals auf diesem Niveau Fußball gespielt hat. Das ist die beste St.-Pauli-Truppe aller Zeiten. Es macht natürlich riesigen Spaß, ins Stadion zu gehen oder auch auswärts mitzufahren. Ich hoffe sehr, dass sie es jetzt durchziehen. Spätestens seit dem 2:0-Heimsieg gegen Hertha BSC bin ich relativ optimistisch, dass es mit dem Aufstieg klappen wird. Für einen langjährigen Fan wie mich ist das eine tolle Sache.
SPORT1: Ist den Braun-Weißen der Aufstieg noch zu nehmen?
Lauterbach: Eigentlich nicht. Wir haben aber schon wilde Sachen erlebt, wo wir in den vergangenen Jahren in der Rückrunde den Aufstieg tatsächlich verdaddelt haben. Aber ich habe Statistiken gelesen, dass Mannschaften, die zu diesem Zeitpunkt der Saison mit 51 Punkten oben stehen, den Aufstieg noch nie verkackt haben. Aber ich will den Abend nicht vor der Tagesschau loben. Ich will es also nicht beschreien, aber es müsste schon mit dem Teufel zugehen, wenn es nicht gelingt.
SPORT1: Was muss bei Bundesligaaufstieg passieren? Ein torgefährlicher Mittelstürmer muss her, oder?
Lauterbach: Stimmt. Ich würde mir aber wünschen, dass Simon Zoller endlich mal zum Zug kommt. Ich kann noch gar nicht einschätzen, wie gut er ist. Mit ihm hat es bisher noch nicht so funktioniert. Vielleicht ist er dann ein gefühlter Neuzugang. Ich setze auf unsere Scouting-Abteilung. Da werden immer gute Jungs aus dem Hut gezaubert. Wer hatte schon von Jackson Irvine gehört, bevor er bei uns aufgelaufen ist? Der Typ ist der Hammer. Auch ein Karol Mets in der Abwehr ist klasse. Wenn da so weitergemacht wird, was neue Spieler angeht, bin ich sehr zuversichtlich. Großes Vorbild ist da für mich Union Berlin. Vielleicht spielen wir mal international. Ich fliege auch nach Rumänien (lacht). International mal auswärts zu fahren, ist ein großer braun-weißer Traum von mir.
SPORT1: Aktuell scheint es nicht so unwahrscheinlich, dass Pauli am 32. Spieltag im Volksparkstadion aufsteigt - was wäre in der Stadt los?
Lauterbach: Das wäre absolut krass, wenn das passieren würde. Das wäre die ultimative Demütigung für jeden HSV-Fan. Da entwickle ich fast schon Mitgefühl. Aber der Zug ist noch nicht abgefahren, noch ist alles möglich für den HSV. Es muss nicht im Volksparkstadion passieren, Hauptsache, es passiert.
SPORT1: Was würde es bedeuten, wenn St. Pauli vor dem HSV hochgeht?
Lauterbach: Das würde bedeuten, dass Hamburg braun-weiß ist! Das sehe ich sehr realistisch. Das wäre ganz stark.
„Wenn wir keinen Sch*** bauen, können wir jeden schlagen“
SPORT1: Was ist das Erfolgsgeheimnis für diese Souveränität? Lediglich auf Schalke schwächelte der Kiezklub.
Lauterbach: Da kommen viele Faktoren zusammen. Vor allem ist unser Trainer, Fabian Hürzeler, ein Fuchs. Und wir haben richtig gute Spieler, die das System des Trainers verstehen. Das Team funktioniert im Kollektiv. Und eins ist auch wichtig: St. Pauli hat sich in einen Rausch gespielt. Die wahnsinnige Siegesserie von zehn Spielen in Folge hat das Selbstbewusstsein natürlich wachsen lassen. Da dachte jeder: „Wenn wir keinen Sch*** bauen, können wir jeden schlagen.“
SPORT1: Was macht den Trainer aus?
Lauterbach: Hürzeler behält immer die Nerven. Auch bei Pressekonferenzen ist er stets souverän und lässt sich nicht von kritischen Fragen aus der Ruhe bringen. Es gibt Trainer, die sofort wütend werden, wenn unangenehme Fragen gestellt werden, aber das trifft nicht auf Hürzeler zu, was mir sehr gefällt. Ich glaube, Hürzeler hat kein Privatleben, für ihn dreht sich alles um Fußball. Das ist sein Aufstiegsplan. Er verfolgt eine klare Idee und stellt alles andere hinten an. Hauptsache, St. Pauli steigt auf.
Vertragspoker hat „ein bisschen genervt“
SPORT1: Fanden Sie es gut, dass Hürzeler so lange gewartet hat mit seiner Unterschrift?
Lauterbach: Das hat ein bisschen genervt, aber wichtig ist, dass es rechtzeitig zu einem guten Abschluss gebracht wurde. Im Spiel gegen Hertha fühlte es sich befreit an, als klar war, dass Hürzeler bleibt. Das Spiel gegen die Alte Dame war schon beeindruckend.
SPORT1: Ist man bereit für die Bundesliga? Was muss verbessert werden?
Lauterbach: Es muss eine gewisse Konstanz rein. Das wird der Schlüssel sein. Leider mussten wir ein, zwei Jahre nach dem Aufstieg wieder absteigen. Ich würde mir wünschen, dass wir mal länger in der Bundesliga bleiben könnten. Jetzt werden schon Erstliga-Pläne geschmiedet. Ich bin guter Hoffnung, dass wir uns in der Ersten Liga länger halten können.
SPORT1: Wie viel Häme haben Sie für den HSV? Da droht wieder der Frühjahrs-Blues.
Lauterbach: Im Stadion bin ich voll für die Rivalität. Das macht Spaß und gehört dazu. Außerhalb des Stadions kenne ich zu viele nette HSV-Fans, deshalb bin ich etwas nachsichtiger.
Hürzeler in den Fußstapfen von Stanislawski
SPORT1: Mit wem würden Sie Hürzeler vergleichen?
Lauterbach: Mit ihm haben wir es mit einer neuen Situation zu tun, die es so noch nie gegeben hat. Holger Stanislawski war eine der prägendsten Trainerfiguren beim FC St. Pauli. Hürzeler könnte das auch schaffen, wenn er lange genug bleibt. Aber beim FC St. Pauli sind wir immer skeptisch, was den Personenkult betrifft. Für uns geht es immer um den Verein und nicht um einzelne Akteure.
SPORT1: Sie haben mal einen Song für Ewald Lienen geschrieben, als er den FC St. Pauli gerettet hat. Was bekommt Hürzeler?
Lauterbach: (lacht) Ich glaube nichts. So was sollte man nicht zu oft machen, das verliert schnell seinen Reiz. Damals saßen wir betrunken im Auto, waren auf einer Weihnachtsfeier und dann kam uns die Idee, den Song „Evelyn“ von der Nationalgalerie mit Ewald Lienen nachzusingen. Niels Frevert (aktuelles Album: „Pseudopoesie“), der Sänger der Nationalgalerie, hat damals sofort mitgemacht. Das mussten wir einfach tun. Es war ein Riesenspaß.