So tickt der neue Bayern-Coach taktisch
Die Trainersuche des FC Bayern könnte nach über drei Monaten ein Ende finden. Dass mit Vincent Kompany nun ausgerechnet der vormalige Verantwortliche eines Premier-League-Absteigers kommt, mag überraschen. Aber die Bayern versprechen sich viel von Kompanys Spielidee.
Um den taktischen Ansatz des ehemaligen HSV-Verteidigers zu verstehen, muss man einen Blick auf die vorangegangenen Spielzeiten werfen. In der Saison 2023/‘24 hielt Kompany, so die allgemeine Kritik, zu lange an seiner ursprünglichen Spielidee fest, obwohl Burnley aufgrund der minderen Qualität des Kaders keinen dominanten Fußball spielen konnte wie zuvor in der EFL Championship, der zweiten englischen Liga.
Jene Saison 2022/‘23, die mit dem Wiederaufstieg des Klubs aus Lancashire endete, liefert ebenso wie Kompanys Zeit zuvor beim belgischen Top-Club RSC Anderlecht Anhaltspunkte für den Fußball, den er wohl auch bei den Bayern implementieren würde.
Hohe Wichtigkeit des Positionsspiels
Dabei basierte Kompanys Taktik vor allem auf proaktiver Spielgestaltung meist aus einer 4-2-2-2-Grundstruktur heraus. Als erster Antreiber fungierte zeitweilig der heutige Dortmunder Ian Maatsen von der Linksverteidigerposition, wie er es auch zuweilen für den BVB in dieser Spielzeit getan hat.
Wichtiger jedoch als erste präzise Pässe des niederländischen Linksfußes war das Positionsspiel der Mittelfeldspieler und Angreifer. Denn die 4-2-2-2-Formation wurde vielfach umgeformt und lediglich als Ausgangspunkt gesehen. Priorität hatte dabei nicht die Besetzung bestimmter Positionen, sondern die Präsenz in den Räumen zwischen den gegnerischen Linien.
So pushte etwa Burnleys Rechtsverteidiger Connor Roberts diagonal nach vorn, um lokale Überzahlen zu schaffen oder direkt unbewacht anspielbar zu sein.
Ein Nathan Tella wiederum, der mittlerweile für Bayer Leverkusen spielt, sollte derweil auf der Außenbahn platziert sein und sich mit ballfernen Läufen versuchen. Die Idee bestand gerade hinsichtlich Tella darin, dass Burnley sehr ballorientiert spielte und damit auch den Gegner zum Ball lockte, womit wiederum Tella Freiräume erhielt.
Ein Vorbild ist ein Ex-Bayern-Trainer
Gerade im Auslösen von Spielzügen und der gesamten Spielgestaltung war Burnley vielen Teams in der Championship ein gutes Stück voraus. Durch die positionellen Verschiebungen und die Freiheiten, die Kompany einigen seiner Top-Spieler gab, wurden die häufig restriktiven 4-4-2- und 5-4-1-Defensivformationen durchbrochen.
Mutiert Bayern nun also zur taktischen Wundertüte? Nach dem Aufstieg in die Premier League und dem Verlust mehrerer Schlüsselakteure entpuppte sich dieser Ansatz als risikohaft, weil Burnley selbst mit relativer Kompaktheit am Ball nicht mehr so zugriffsstark im Gegenpressing war. In der Premier League tummeln sich schließlich – angeführt von Kevin De Bruyne und Martin Odegaard – reihenweise pressingresistente Spieler, die auch unter Druck noch durch Linien und an Gegnern vorbeispielen können.
Kompany wollte jedoch auch als Cheftrainer eines Underdogs nicht seine Prinzipien ohne Weiteres verraten. Immerhin sind prinzipientreue Trainer à la Gian Piero Gasperini, Roberto De Zerbi oder Sebastian Hoeneß momentan mehr denn je hoch angesehen.
Kompanys großes Vorbild scheint, nicht zuletzt aufgrund der persönlichen Verbindung, Pep Guardiola zu sein, unter dem er zwischen 2016 und 2019 als Kapitän von Manchester City fungierte, bevor er in Anderlecht seine Karriere ausklingen ließ.
Das Hoffen auf einen Guardiola 2.0
Guardiola agierte in seiner Karriere zuweilen noch etwas stärker mit einem festen Positionsspielmuster, bei dem vertikale und horizontale Linien auf eine bestimmte Weise besetzt werden sollten, aber der Katalane hat sich dahingehend nach seinem Wechsel von Bayern zu City auch noch einmal weiterentwickelt.
Kompany gewährte teilweise deutlich sichtbare Freiheiten, weil seine Mittelfeldspieler mit Gespür und Feldwahrnehmung erkennen sollten, in welche Räume sie zu gehen hatten, um Kombinationsspiel zu initiieren und Linien zu durchbrechen.
Bayern und speziell Max Eberl hoffen wohl nun darauf, dass sie mit Kompany einen Ballbesitz-Protegé ähnlich wie Xabi Alonso zu sich holen, der nicht nur ein hervorragender öffentlicher Repräsentant sein wird, sondern sich auf Basis seiner fußballerischen Ideen in Windeseile zu einem Top-Trainer entwickeln könnte.
Kurzum: Bayern hofft auf einen Guardiola 2.0.