So reagiert Mehmet Kurtulus auf "Alltagsrassismus"
Mehmet Kurtulus (51) spielt im spannenden Krimi-Zweiteiler "Mordach - Tod in den Bergen" (27./29. April, 20:15 Uhr, das Erste) den undurchsichtigen BKA-Beamten Cuma Ozan, der des Mordes verdächtigt wird. Von der Bevölkerung des Bergdorfes muss er einige sehr fremdenfeindliche Angriffe über sich ergehen lassen. Der deutsch-türkische Schauspieler, dem mit Fatih Akıns (49) "Kurz und schmerzlos" (1998) der Durchbruch gelang und der für seine Rolle als beliebter "Tatort"-Ermittler Cenk Batu (2008-2011) einen seiner beiden Grimme-Preise bekam, erzählt im Interview mit spot on news unter anderem, welche Erfahrungen er mit "Alltagsrassismus" gemacht hat.
Ihre Figur, der undurchsichtige BKA-Beamte Cuma Ozan, muss im Zweiteiler "Mordach" einige sehr fremdenfeindliche Angriffe aushalten. Was halten Sie davon?
Mehmet Kurtulus: Für Kriminalhauptkommissar Cuma Ozan heißt es in der Tat vom Regen in die Traufe. Für ihn erweist sich der Wechsel von Frankfurt nach Mordach als ein Wechsel von einem Mafia-Clan zum nächsten. Schaut man von Mordach auf meine Figur, wird man den Ermittler verfluchen, blickt man dagegen aus meiner Perspektive auf das xenophobe Dorf, wird man vermutlich das Gegenteil denken. Eine der großen Leistungen im Leben ist doch, einen Perspektivwechsel vornehmen zu können. Die Geschichte erzählt über die Ermittlungsarbeit hinaus von Ressentiments und Xenophobie - das heizt die Stimmung in Mordach erst richtig auf. Jede Figur ist nun gezwungen, Flagge zu zeigen. Das zeigt auch die Zerrissenheit jeder Figur, die durchaus nur Mitläufer in dieser vergifteten Atmosphäre sein kann und wieder nicht machen darf, was sie eigentlich will.
Haben Sie persönlich schon Fremdenfeindlichkeit erlebt?
Kurtulus: Im Gegensatz zu Cuma Ozan in Mordach habe ich das in den seltensten Fällen direkt ins Gesicht erlebt. Allerdings kenne ich Menschen in meinem Umfeld, die diese Erfahrungen machen mussten. Aber ich bin mir sicher, dass hinter meinem Rücken Sprüche oder gar Entscheidungen unter diesen Vorzeichen gefallen sind. Wenn man dann auf der Straße oder im Bus ein Geflüster hört und denjenigen anspricht, habe ich in solchen Situationen des Alltagsrassismus oft die Erfahrung gemacht, dass die Menschen meist nicht zu ihrem Wort stehen - nicht öffentlich.
Seit 2020 sind Sie auch Teil des internationalen Serienformates "Into the Night". Worin unterscheidet sich ein internationales Netflix-Serienset von einem ARD-Krimizweiteiler?
Kurtulus: Bei "Mordach" waren wir ein halb deutsches, halb italienisches Team und hatten mehrere Sprachen am Set. In einem solchen Arbeitsumfeld fühle ich mich sehr wohl, denn da geht es um Kommunikation - und sein Herz auf den Tisch legen. Alle haben das gleiche Ziel, alle möchten dieselbe Geschichte erzählen und wir feiern gemeinsam Film. Die technische Umsetzung hat eher statistischen Wert. Wenn das gegeben ist, kommt ein Film heraus.
Gibt es eine allgemeine Setsprache an einem internationalen Set?
Kurtulus: Die Setsprache ist meistens Englisch. Dann gibt es natürlich auch die Drehsprache. Wenn man allerdings über Wochen gemeinsam dreht, bleibt es nicht aus, dass man irgendwann auch ein wenig die anderen Sprachen kann. Mein Spanisch beispielsweise entwickelte sich am Set von "Into The Night" durch meine Kollegen aus Madrid. Sie waren darüber hinaus auch meine Nachbarn in Brüssel. Das macht einfach Spaß.
"Mordach - Tod in den Bergen" wurde in einer spektakulären Südtiroler Berglandschaft gedreht. Wie hat es Ihnen dort gefallen?
Kurtulus: Es war atemberaubend. Für mich war es, wie in eine andere Welt zu kommen. Es ist immer wieder spannend und ich mag es auch sehr, wenn die Natur zu einem weiteren Charakter im Film wird und dann auf ihre Weise eine Rolle spielt. Es bereichert jede Produktion. Das war auch hier so. Wir hatten tagelang Regen - morgens, mittags, abends. Kälte, Hitze und Höhenunterschiede muss man aushalten - auch körperlich.
Wandern Sie auch privat gerne mal alleine durch die Natur?
Kurtulus: Das mache ich sehr gerne, da ich mich als ein Teil davon empfinde. Es ist wichtig, auch mal Zeit mit sich allein zu verbringen, um so die Gelegenheit zu bekommen, seinem eigenen Kopf zuzuhören. Das geht in solchen Momenten wie einem Spaziergang oder gar Wandern ganz wunderbar.