Der sperrige Großmeister: Robert De Niro wird 80

Robert De Niro vollendet am 17. August sein 80. Lebensjahr.  (Bild: 2023 Getty Images/Roy Rochlin)
Robert De Niro vollendet am 17. August sein 80. Lebensjahr. (Bild: 2023 Getty Images/Roy Rochlin)

Robert De Niro gilt wie kaum ein anderer Hollywood-Star als Synonym für Schauspielkunst schlechthin. Viele seiner Arbeiten sind Meilensteine der Filmgeschichte. Nun wird der grantige New Yorker 80 Jahre alt.

"Er ist der Beste, mehr weiß ich nicht." Ein Satz von Martin Scorsese, jenem Regisseur und Weggefährten, mit dem Robert De Niro seine wohl bedeutendsten Filme drehte. Eine durchaus doppelbödige Aussage, die gleich zwei Kernfakten über den Mimen verrät, der über Jahrzehnte als Amerikas Benchmark für Schauspielkunst galt. Zum einen belegt sie Scorseses gewaltigen künstlerischen Respekt vor dem Hauptdarsteller von "Taxi Driver" oder "Wie ein wilder Stier". Zum anderen lässt Scorsese durchblicken, dass selbst er sich nicht sicher ist, De Niro wirklich zu kennen. Ähnlich wie Bob Dylan, De Niros musikalisches Pendant als amerikanischer Großkünstler, ist der gebürtige New Yorker trotz einer Dauerpräsenz der Werktätigkeit als Mensch ein Unbekannter geblieben. Am 17. August vollendet Robert De Niro sein 80. Lebensjahr.

Nur wenige Straßen voneinander entfernt wuchsen Martin Scorsese, Harvey Keitel und De Niro im New Yorker Stadtviertel "Little Italy" auf. Schon ihr erster gemeinsamer Film war richtungweisend. Unter Scorseses Regie ließen Keitel und De Niro 1973 in "Mean Streets" - in Deutschland benannte man den Film "Hexenkessel" - ihren Improvisationsfähigkeiten freien Lauf. Über große Strecken von spontanen Einfällen De Niros beherrscht, ist auch "Taxi Driver", das düstere Psychogramm eines Menschen auf der Suche nach Identität. Der Film begründete den Mythos De Niros, ja der modernen Schauspielkunst in Filmen an sich.

Woher De Niros Künstler-Gen stammt, ist leicht nachzuvollziehen. Sein Vater, der 1993 verstorbene Maler Rober De Niro sen., gilt als einer der führenden abstrakten Expressionisten der USA. Trotzdem lebte die Familie während Robert juniors Kindheit in Armut. Die Mutter, Virginia Admiral (1915-2000) war Poetin und ebenfalls Malerin. Als Typistin soll sie für die Schriftstellerin Anaïs Nin gearbeitet haben. Kunst also, wohin man schaut.

Nach der frühen Trennung der Eltern galt Robert lange Zeit als blasses, scheues Kind, das zu einem ebensolchen jungen Mann heranreifte. Auf der Theaterbühne, die De Niro früh als Ausdrucksmittel entdeckte, war es jedoch anders. Mit verschiedenen Stücken und Ensembles tourte er in den 60-ern durch die USA.1963 stand er für "The Wedding Party", einem frühen, an der französischen Nouvelle Vague orientierten Film Brian De Palmas, erstmals vor der Kamera. Mit dem späteren Starregisseur drehte er zu Beginn der Karriere sogar mehrere Filme, die ihre Zeit jedoch kaum überdauerten.

Sobald die Kamera aus ist, ist Robert De Niro erstaunlich introvertiert. Ein Interview mit ihm zu führen, war lange Zeit so gut wie unmöglich. Erst in den letzten Jahren wurde der altersmilde Mime wieder etwas gesprächiger.
 (Bild: Pascal Le Segretain/Getty Images)
Sobald die Kamera aus ist, ist Robert De Niro erstaunlich introvertiert. Ein Interview mit ihm zu führen, war lange Zeit so gut wie unmöglich. Erst in den letzten Jahren wurde der altersmilde Mime wieder etwas gesprächiger. (Bild: Pascal Le Segretain/Getty Images)

De Niro verschmolz mit seinen Rollen

Die große Karriere kam Anfang, Mitte der 70-er. Mit Martin Scorsese und Francis Ford Coppola. Ab 1974 zerrte sich der Schauspieler durch brutale Körpereinsätze in "Wie ein wilder Stier" - eine Rolle, für die er 30 Kilo zunahm - wie ein Schauspiel-Inferno durch den Ring. De Niro machte das Wort "Method Acting" einer breiten Öffentlichkeit erst verständlich. Der Mime verschmolz mit seinen Rollen. Niemand übte und lebte sie so intensiv wie er. De Niro spielte bis zur Selbstaufgabe und ohne Angst vorm Risiko. Siebenmal wurde er für den Oscar nominiert. 1975, als junger Vito Corleone in "Der Pate II" gewann er den ersten in der Kategorie Nebendarsteller. Für das epochale Boxerdrama "Wie ein wilder Stier", für viele Experten eine der besten Schauspielleistungen der Filmgeschichte, folgte 1981 Oscar Nummer zwei.

Nominierungen erhielten darüber hinaus "Taxi Driver" (1977 holte Peter Finch für "Network" die Hauptdarsteller-Trophäe), "The Deer Hunter" (1979), "Zeit des Erwachens" (1991), Kap der Angst (1992) und "Silver Linings" (2013). Nachdem De Niro in den 70-ern als reiner Drama-Spezialist galt, zeigte er sich ab den 80-ern immer öfter in Komödien und leichteren Stoffen. Einmal räumte er selbst mit einem verbreiteten Vorurteil auf. "Manche Leute sagen, Drama sei leicht und Comedy sei schwer", meinte der für eher kurze, knurrige Statements bekannte Schauspieler. "Stimmt nicht. Wenn man ein Drama dreht, verbringt man den ganzen Tag damit, einen Typen mit einem Hammer totzuschlagen. Oder man muss ein Stück aus dem Gesicht von jemandem beißen. In einer Komödie brüllst du eine Stunde lang Billy Crystal an und kannst anschließend nach Hause gehen", so die Leinwandlegende.

Robert Anthony De Niro Jr. erblickte 1943 als Sohn eines Künstlerpaars in New York das Licht der Welt. Dass er Schauspieler werden wollte, wusste "Bobby Milk", wie er aufgrund seiner Blässe genannt wurde, schon als er mit zehn als feiger Löwe in einer Schulaufführung von "Der Zauberer von Oz" auf der Bühne stand. (Bild: Evening Standard/Getty Images)

Kinderfreuden und Schicksalsschläge

Der Privatmann Robert De Niro ist nahezu unbekannt. Der medienscheue Darsteller gab von jeher selten Interviews. "Warum ist es so wichtig, wo ich zur Schule gegangen bin oder welche Hobbys ich habe?", sagte er einmal dazu. "Ich war nie einer dieser Schauspieler, der sich selbst als faszinierenden Menschen preist. Ich musste früh entscheiden, ob ich ein Schauspieler oder eine Persönlichkeit sein will."

Aber auch privat blieb der New Yorker, der sich dem Lebensmittelpunkt Hollywood ein Leben lang erfolgreich fern hielt, der Verwandlung treu. De Niro hat sieben Kinder aus drei Beziehungen. Erst im April 2023 wurde der "Taxi Driver"-Star wieder Vater. Bei der Mutter der kleinen Gia Virginia handelt es sich um De Niros aktuelle Partnerin, die Martial-Arts-Lehrerin Tiffany Chen. Auch als Vater beschreibt sich De Niro mit typisch zwiespältigen Worten: "Familie ist eine wichtige Sache, auch wenn ich heute mit meinen Kindern stets im Clinch liege."

Ebenfalls in diesem Jahr erlitt De Niro einen schweren privaten Schicksalsschlag: Sein Enkel Leandro De Niro-Rodriguez starb mit nur 19 Jahren. Nach dem tragischen Tod äußerte sich der Hollywoodstar ausnahmsweise auch öffentlich: "Ich bin tief betroffen über den Tod meines geliebten Enkels Leo", heißt es in einem Statement: "Wir sind dankbar für die Beileidsbekundungen aller, bitten aber um die Privatsphäre, den Verlust von Leo betrauern zu können."

Robert De Niro ist bekennender Anhänger der Demokratischen Partei - und schoss auch schon ganz unzimperlich gegen Donald Trump. (Bild: 2023 Getty Images/Dimitrios Kambouris)
Robert De Niro ist bekennender Anhänger der Demokratischen Partei - und schoss auch schon ganz unzimperlich gegen Donald Trump. (Bild: 2023 Getty Images/Dimitrios Kambouris)

Was läuft zu Ehren De Niros im TV?

Wer geschönte Aussagen über Leben, Liebe und Kunst hören will, sollte lieber nicht den knochigen Hollywoodstar mit dem berühmten Namen fragen. Das betrifft auch die Politik: 2018 lieferte sich De Niro, glühender Unterstützer der demokratischen Partei, ein Privatduell mit Donald Trump. Bei der Verleihung der renommierten Tony-Awards postierte er ein "Fuck Trump" in Richtung der Zuschauer und der übertragenden Fernsehsender. Danach diskutierte Amerika kontrovers über die expliziten Worte. Auf jeden Fall waren sie ein sicheres Zeichen dafür, dass es in De Niro immer noch brodelt wie im Hexenkessel. Späte Meisterwerke jenes Mannes, dessen Name fast schon synonym für die Schauspielkunst steht, sind nicht auszuschließen.

Als ein solches gilt sicherlich auch das meisterliche Drama "The Irishman", das 2020 noch einmal eine Oscarnominierung für de besten Film erhielt. Seither folgten nicht weniger als sechs weitere Filme des produktiven Stars, der seine Werke laut Eigenaussage selbst nicht anschauen würde: "Ich schlafe dabei ein", sagt er. Nur das Drehen scheint diesen Mann noch wach zu halten. Zurzeit jedenfalls ist kein Ende seiner Karriere in Sicht.

TV-Ausstrahlungen zu Robert De Niros 80. Geburtstag:

Anlässlich des runden Geburtstags widmet ARTE dem Jubilar eine kleine Reihe und zeigt drei Klassiker des Hollywoodstars. Den Anfang macht zur besten Sendezeit "Taxi Driver" (Montag, 14.8., 20.15 Uhr) - jene Rolle, die De Niro 1976 nach dem Durchbruch in "Der Pate II" (1974) weltweit Bekanntheit und Anerkennung verschaffte. Zudem im Programm ist das 1978er-Vietnamdrama "Die durch die Hölle gehen" (Montag, 21.8., 21.35 Uhr, ARTE) sowie der Actionfilm "Heat" (Sonntag, 27.8., 21.55 Uhr) von 1995.

Außerdem:

Kap der Angst (Sonntag, 13.8., 0.20 Uhr, ZDF) GoodFellas (Dienstag, 15.8., 23.50 Uhr, Kabel Eins) Der gute Hirte (Sonntag, 27.8., 20.15 Uhr. 3sat) Immer Ärger mit Grandpa (Donnerstag, 31.8., 20.15 Uhr, ZDF)

1963 stand De Niro das erste Mal vor der Kamera - für den heutigen Kultregisseur Brian De Palma, der ihm 50 US-Dollar Gage zahlte. Ein Erfolg wurde "The Wedding Party" allerdings für beide nicht. Erst mit "Hexenkessel" schaffte Robert De Niro 1973 den Durchbruch. (Bild: teleschau / Archiv)
1963 stand De Niro das erste Mal vor der Kamera - für den heutigen Kultregisseur Brian De Palma, der ihm 50 US-Dollar Gage zahlte. Ein Erfolg wurde "The Wedding Party" allerdings für beide nicht. Erst mit "Hexenkessel" schaffte Robert De Niro 1973 den Durchbruch. (Bild: teleschau / Archiv)