Die Wahrheit über den BVB-Kader

Bei Borussia Dortmund wird spätestens nach der schwachen Leistung bei der 1:2-Niederlage in Stuttgart die Qualitätsfrage gestellt. Hatte man beim BVB zunächst noch gehofft, dass die 0:4-Packung gegen den FC Bayern eine Woche zuvor nur ein Ausrutscher gewesen ist, hat die magere Vorstellung in Stuttgart wohl vielen die Augen geöffnet.

Borussia Dortmund ist derzeit auf Platz fünf der Bundesliga-Tabelle weit von dem vor der Saison formulierten Anspruch entfernt, Deutscher Meister werden zu wollen.

Im SPORT1-Podast „Die Dortmund-Woche“ sind SPORT1-Chefreporter Patrick Berger und BVB-Reporter Oliver Müller der Frage nachgegangen, wie sehr der Qualitätsverlust der Mannschaft auch mit den Transferentscheidungen der handelnden Personen zu tun hat.

Klar ist: Die Abgänge der Supertalente Jadon Sancho, Erling Haaland und Jude Bellingham in den vergangenen Jahren konnten nicht aufgefangen werden. Dafür ist die Entwicklung der jungen Spieler Jamie Binoe-Gittens, Gio Reyna, Karim Adeyemi und Youssoufa Moukoko aus unterschiedlichen Gründen nicht so verlaufen, wie sich das Sportdirektor Sebastian Kehl und Trainer Edin Terzic erhofft hatten.

Kehl und Terzic standen vor der Saison also vor der Frage, mit welchen Transfers die nötige Qualität geholt werden kann, um die Bayern endlich einmal wieder vom Meisterthron zu stürzen.

Berger: „Kehl und Terzic nicht immer einer Meinung“

Dabei waren Kehl und Terzic „nicht immer einer Meinung“, wie Berger betont - auch wenn nach außen dargestellt wurde, dass man sich über die Transfers einig gewesen sei.

Geht man die Transfers der jüngeren Vergangenheit durch, fällt auf, dass einige Spieler eher von Kehl, andere eher von Terzic favorisiert wurden. Bei Ramy Bensebaini habe sich Kehl „sehr früh festgelegt“, sagt Berger. „Das war ein Transfer, den wollte Sebastian Kehl haben. Den hat er früh durchgesetzt.“

Einerseits sei die Entscheidung nachvollziehbar gewesen, wie der SPORT1-Chefreporter zu bedenken gibt. Schließlich sei der Linksverteidiger ablösefrei von Borussia Mönchengladbach geholt worden. Außerdem habe man schon früh geahnt, dass Raphael Guerreiro nicht über den Sommer hinaus beim BVB bleiben werde.

Andererseits sei ihnen dadurch womöglich Alejandro Grimaldo durch die Lappen gegangen, der dem BVB auch angeboten worden war und „nun in Leverkusen komplett abgeht“, sagt Berger. Im Gegensatz zu Bensebaini, der in Dortmund bei weitem nicht an die Leistung von Guerreiro herankommt.

„30 Millionen viel zu viel für Nmecha“

Julian Ryerson, der im vergangenen Winter für fünf Millionen Euro von Union Berlin verpflichtet wurde, sei ebenfalls ein Kehl-Transfer gewesen. Er gehörte zuletzt noch zu den besseren BVB-Spielern, ist aber keiner, der „den BVB in Do-or-Die-Spielen auf ein anderes Level hebt“, wie Berger feststellt.

Felix Nmecha und Marcel Sabitzer sind „sowohl von Kehl als auch von Terzic abgesegnet worden“, erklärt Berger. „Kehl hat Nmecha vorgeschlagen und damit bei Terzic sofort offene Türen eingerannt.“ 30 Millionen Euro seien aber „viel zu viel für diesen Spieler“.

Müller glaubt zumindest, dass beide Spieler „im Laufe dieser Saison noch besser werden können“.

Bei Sabitzer hat Berger da jedoch so seine Zweifel. „Er ist auch keiner für die ganz großen und wichtigen Spiele. Das muss er noch zeigen. Er ist ein Transfer, der im Verein nicht nur die großen Jubelstürme ausgelöst hat“, sagt er.

Ebenfalls umstritten sei die Füllkrug-Personalie gewesen. „Edin Terzic wollte unbedingt einen weiteren groß gewachsenen Stürmer haben, obwohl die eine oder andere Stimme, auch Sebastian Kehl, gesagt hat, man solle lieber nach einem Innen- oder Außenverteidiger suchen“, erklärt Berger. „Am Ende hat man sich, auch weil es der Trainer wollte, für den Stürmer Füllkrug entschieden.“

Im Nachhinein eine gute Entscheidung, wenn man bedenkt, dass die Alternativen Sébastien Haller und Moukoko entweder völlig außer Form oder total schwankend in ihrem Leistungsvermögen sind.

„Diese Mannschaft hat an Qualität verloren“

Müllers Fazit lautet dennoch: „Wenn man sich derzeit anschaut, wie die Neuverpflichtungen performen oder - in Bezug auf die meisten - eher nicht performen, muss man sagen, diese Mannschaft hat an Qualität verloren.“

Ein Hauptschuldiger dafür, so bilanziert es Berger, sei aber nicht auszumachen. Doch auch er ist der Meinung: „Da ist dann doch die eine oder andere Fehleinschätzung festzustellen gewesen.“