"Ein Deutscher, der unfähig ist, sich der Dekadenz zu stellen"

Seit Dienstag stand fest, dass Real Madrids Liga-Abschluss gegen Betis Sevilla ein besonderes Erlebnis werden würde. Toni Kroos kündigte zu Beginn der Woche an, nach der Europameisterschaft im Sommer seine Karriere als Profifußballer zu beenden. Gegen Betis lief der Mittelfeld-Star ein letztes Mal im Estadio Santiago Bernabéu auf - und konnte seine Emotionen nicht zurückhalten.

Wie angekündigt nahm Trainer Carlo Ancelotti seinen deutschen Star kurz vor Spielende (86. Minute) vom Feld. Das Team versammelte sich um den Dauerbrenner, so manche Umarmung folgte. Tränen gab es beim Nachwuchs, seine drei Kinder saßen an der Seitenlinie und nahmen ihn in Empfang. Bis zu diesem Zeitpunkt hatte Kroos seine Emotionen unter Kontrolle gehabt. „Ich bin stark gewesen, bis ich meine Kinder gesehen habe, das hat mich umgebracht“, sagte er im vereinseigenen TV.

„Schönster Abschied, den ein Real-Spieler je erlebt hat“

Nicht nur die Fans, die ihm vor dem Spiel eine große Choreographie widmeten und Kroos während des Spiels mit zahlreichen „Toooni“-Rufen besonders laut abfeierten, huldigten dem DFB-Star für seine außergewöhnliche Karriere bei Real Madrid.

Spaniens Presse schwärmte nach Kroos‘ „Last Dance“ im Bernabéu in höchsten Tönen vom „Eismann“, wie die Marca ihn als „einen der eiskältesten Spieler aller Zeiten“ beschrieb. Die in Madrid ansässige Sportzeitung war sich sicher: Kroos bekam durch die Fans und seine Mannschaftskameraden den „schönsten Abschied, den ein Real-Spieler je erlebt hat.“

Kroos, der laut AS ein Spielertyp ist, „der in Vergessenheit geraten ist, kurz vor dem Aussterben, mit wissenschaftlicher Präzision, fast nicht existent in der Natur“, winkte bei seiner Auswechslung unter lautstarkem Jubel ins weite Rund, wirkte dabei fast schon peinlich berührt. Die AS schreibt: „Ein Deutscher, der unfähig ist, sich der Dekadenz zu stellen. Ein Spieler, der so sehr Teil des Vereins ist, dass ihm die Größe der Ehrung, einschließlich des Ganges, peinlich zu sein schien.“

Presse vergleicht Kroos mit Zidane

In seinem letzten Bernabéu-Spiel lieferte Kroos so verlässlich wie eigentlich immer: Rund 96 Prozent seiner über 120 Pässe fanden ihr Ziel. Für El País Grund genug, Kroos mit einer wahren Vereins-Legende zu vergleichen. „Kroos tritt in die Fußstapfen von Zidane“, titelte das Blatt am Sonntagmorgen.

El País zollte dem DFB-Kicker vor allem großen Respekt für seine Entscheidung, verhältnismäßig früh seine Karriere zu beenden. „Was der Deutsche getan hat, ist ungewöhnlich, denn normalerweise spielt man, solange man kann. Ob für Geld oder weil es Spaß macht, wir haben schon viele Karrieren erlebt, die sich in die Länge gezogen haben.“

Fünfmal hat Toni Kroos die Champions League bereits gewinnen können (viermal mit Real, einmal mit dem FC Bayern), am Samstag bietet sich dem gebürtigen Greifswalder die Möglichkeit auf den sechsten Titel. Im Londoner Wembley-Stadion bestreitet der 34-Jährige sein letztes Pflichtspiel auf Klub-Ebene, Gegner im Champions-League-Finale wird dann Borussia Dortmund sein (Samstag ab 21 Uhr im SPORT1-LIVETICKER).