Der bittere Absturz eines Tennis-Stars

Der bittere Absturz eines Tennis-Stars
Der bittere Absturz eines Tennis-Stars

Es klingt, als hätte jemand ein Drehbuch über die Karriere des ehemaligen Weltranglisten-Zehnten Lucas Pouille geschrieben.

Einst schlug er den großen Rafael Nadal, spielte bei Grand Slams um den Titel mit, gewann gar den Davis Cup mit Frankreich - und plötzlich fand er sich inmitten des regulären Alkoholkonsums und Depressionen wieder.

In einem Interview mit der L‘Equipe offenbarte Pouille, der bald wieder zurückkehren will, welche Tragik er die vergangenen Jahre durchlebte: „Für meine geistige Gesundheit musste ich aufhören. Ich wäre gegen die Wand gelaufen.“

Pouille schlägt sensationell Nadal bei Australian Open

Der erste große Auftritt liegt ziemlich exakt zehn Jahre bereits zurück: Für die French Open erhielt Pouille als Franzose eine Wildcard und durfte sich erstmals auf der großen Bühne beweisen.

Fortan ging es in seiner Karriere steil voran: 2016 schlug der 1,86 Meter-Athlet im Achtelfinale der Australian Open Rafael Nadal, ein Jahr später folgte der Davis-Cup-Triumph mit seinem Heimatland.

Und die Erfolge schienen zunächst nicht enden zu wollen. Ende März 2018 fand sich der Mann mit den wichtigen Schlägen gar auf Weltranglistenposition zehn wieder und konnte sogar kurzzeitig den deutschen Ex-Star Tommy Haas als Trainer gewinnen.

Doch es sollte die vorläufig höchste Position in seiner Karriere bleiben. Denn nach den Vaterfreuden im Januar 2020 begann eine lange Leidensphase.

Ellenbogenverletzung setzt Pouille lange außer Gefecht

Eine Ellenbogenverletzung, die eine Operation nach sich zog, setzte den Rechtshänder monatelang außer Gefecht.

Der gute Weltranglistenplatz war dahin, und damit auch die Zuversicht: „Wenn man das alles hinter sich hat und in der ersten Runde eines Challengers von der Nummer 300 der Weltrangliste besiegt wird“, sei das hart.

Doch er selbst sah nicht ein, mit der neuen Realität eines schlechteren Ranglistenplatzes zu leben. In seinem Kopf war er weiterhin ein Top-10-Spieler: „Ich hatte nicht die nötige Demut und es ist nicht angenehm, sich zu sagen, dass es dir an Demut mangelt.“

Mit der sportlichen Misere gingen auch die Begleiterscheinungen einher. Die Sponsorenverträge mit Rolex und Peugeot wurden in der Folge aufgelöst, zu niedrig war er in der Rangliste angesiedelt.

„Vom Halbfinale eines Grand Slams bis zur ersten Runde eines Challengers sind es ein paar Nullen weniger“, sagte Pouille über seine Einnahmen.

Pouille: „Habe angefangen, alles schwarz zu sehen“

Und doch er entschied sich im vergangenen Jahr dazu, ernsthaft zurückkommen zu wollen. Mit einem Trainingscamp zu Beginn.

Die Folge: Ein Rippenbruch, bemerkt bei Passierschlägen auf dem Court: „Da denke ich: ‚Wenn ich mir bei einer Vorhand eine Rippe breche, dann ist das nichts mehr für mich‘. Von da an habe ich angefangen, alles schwarz zu sehen.“

Zwei Wochen lang verharrte Pouille in einem Krankenhaus in Nizza, teilweise in einer Überdruckkammer neben Menschen mit Krebs mit Endstadium. Er geriet in eine Depression, die ihn „dazu brachte, jede Nacht eine Stunde zu schlafen und allein zu trinken.“

Tochter rettet Pouille vor der Irrenanstalt

Der einstige Tennis-Krösus log Trainingspartner an, schob Allergien für den Trainingsausfall vor. Erst als er ein Bild seiner Tochter abends auf das Handy geschickt bekam, realisierte Pouille: Ich muss dringend etwas ändern.

„Ich war in einer schlechten Phase. Und ich habe die Entscheidung getroffen, Stopp zu sagen. Sonst wäre ich in Sainte-Anne gelandet, in der Klapse. Für meine geistige Gesundheit musste ich aufhören. Ich wäre gegen die Wand gelaufen“, erklärte Pouille.

Ein halbes Jahr hing er seine Tenniskarriere an den Nagel, ehe er im Dezember zum Masters nach Paris reiste - als Zuschauer - und neuen Mut fasste. Auf die Weltrangliste habe er aber nicht mehr geblickt, „ich glaube, das würde mir einen kleinen Schlag versetzen.“

Olympia 2024 in Paris als großes Ziel

Mit dem guten Zureden des Doppel-Experten Pierre-Hugues Herbert und anderen ehemaligen Teamkollegen widmete sich Pouille wieder seiner großen Liebe - dem Tennissport.

Und er sieht wieder Licht am Ende des Dunkels: Die Olympischen Spiele 2024 - in Paris. „Ich denke jeden Tag daran. Es ist die einzige Veranstaltung, an der ich nicht teilgenommen habe. Ich möchte es versuchen. Wenn ich es schaffe, ist es toll“, sagte er.

Doch auch das mögliche Scheitern sei bei dem mittlerweile 29-Jährigen einkalkuliert: „Wenn ich es nicht schaffe, werde ich es nicht bereuen, weil ich alles dafür getan habe.“