Mega-Weltrekord wirft Fragen auf

Mega-Weltrekord wirft Fragen auf
Mega-Weltrekord wirft Fragen auf

Der Litauer Mykolas Alekna sorgte am vergangenen Wochenende für einen riesigen Paukenschlag, als er den seit 38 Jahren bestehenden Diskus-Weltrekord von Jürgen Schult übertraf. Doch der Wettkampf wirft Fragen auf – unter anderem bei Christoph Harting.

Für die sensationelle Leistung von Mykolas Alekna hat der deutsche Diskus-Olympiasieger zunächst nur lobende Worte übrig. „Unfassbar! Meine größte Hochachtung“, schwärmt der 34 -Jährige bei SPORT1, nachdem Alekna für einen Quantensprung im Diskuswerfen gesorgt hatte.

„Prinzipiell finde ich es cool, dass der älteste Weltrekord gefallen ist, zumal es auch noch ein junger Athlet war. Ich glaube, dass sich Alekna und (Kristjan) Ceh auch weiter in diesem Bereich aufhalten können“, sagt auch Christoph Hartings Bruder Robert bei SPORT1.

Am Sonntag hatte Alekna bei einem Leichtathletik-Event im US-Bundesstaat Oklahoma die historische Weite von 74,35 Metern aufgestellt. Laut Robert Harting seien sogar 75 Meter im Diskuswerfen „unter optimalen Bedingungen und entsprechendem Drehverlauf-Wind“ möglich.

75 Meter im Diskuswerfen? „Dann kann das geschafft werden“

Um diese Marke knacken zu können, müsse allerdings viel zusammenkommen. „Wenn der Athlet jetzt noch drei, vier Jahre weiterarbeitet, auf sehr hohem Niveau und frei von Verletzungen, dann kann das geschafft werden“, prognostiziert Robert Harting.

Alekna hatte seinen Sensationswurf bei SPORT1 wie folgt beschrieben: „Wir hatten sehr gute Bedingungen, der Wind blies stramm und das Wetter war warm. Ich bin sehr glücklich, dass ich so weit geworfen habe.“

Der 21-jährige Litauer habe gewusst, dass er die Weite prinzipiell drin habe - allerdings nicht unbedingt zu diesem frühen Zeitpunkt im Jahr: „Ich habe gehofft, dass ich den Weltrekord irgendwann brechen kann, hätte aber nicht gedacht, dass es jetzt schon passiert. Es war also eine kleine Überraschung, aber ich bin überglücklich.“

Allerdings löste der Wettkampf in Ramona, bei dem Alekna die historische Weite warf, auch viele Diskussionen aus. Die Bedingungen seien derart gut gewesen, dass es eine ganze Serie an 70 Meter-Würfen gab. Dazu übertrafen am Sonntag insgesamt acht Athleten die 66-Meter-Marke, sechs blieben über der Olympia-Norm von 67,20 Metern.

Harting-Konkurrent profitiert von günstigen Windverhältnissen

Unter den Profiteuren in Oklahoma war auch der deutsche Mika Sosna, einer von Christoph Hartings Konkurrenten um den Olympiaplatz. Der 20-Jährige schleuderte seinen Diskus schon im ersten Versuch bis auf 68,96 Meter und damit auf eine Weite, die ihn direkt hinter Robert Harting (70,66 m) auf Platz fünf der ewigen deutschen Bestenliste nach vorne katapultierte. Auf seine bisherige Bestleistung packte er satte 3,39 Meter drauf.

Robert Harting erachtet die günstigen Verhältnisse beim Wettkampf als unbedenklich: „Dass an solchen Orten, wie jetzt in Ramona, an denen viel Wind herrscht, geworfen wird, ist überhaupt kein Problem, denn auch beim vorherigen Weltrekord von Jürgen Schult herrschte sehr viel Wind.“

Die jetzigen Bedingungen seien sicherlich etwas besser gewesen, „aber auch nicht komplett unterschiedlich. Und wir wissen ja auch alle, was früher an Helferlein im Körper war – von daher sollte man sich jetzt nicht darüber beschweren und genießen, dass durch diese Leistung die Geschichte überschrieben werden konnte.“

„In Deutschland würde man Ärger vom Verband kriegen“

Daher findet es der Olympiasieger von London vertretbar, dass sich der in den USA lebende Alekna die günstigen Windbedingungen in Oklahoma zunutze machte.

Allerdings ergänzt Robert Harting: „In Deutschland würde man dagegen Ärger vom Verband kriegen, weil gesagt wird, dass man immer nur an Orten wirft, an denen viel Wind herrscht – und damit die Nominierungssituation sprengt. Mika Sosna hat das jetzt gemacht und den alten U23-Rekord von Wolfgang Schmidt ebenfalls gebrochen.“

Laut dem 39-Jährigen habe dies aber keine Auswirkungen auf den Kampf um Medaillen: „Man kann durch das Aufsuchen solcher Orte die Rekorde sprengen, wenngleich dies nichts am Grundleistungsniveau ändert, mit dem man die Medaillen gewinnt.“

Bundestrainer Schulte hat keine Sicherheitsbedenken

Auch Diskus-Bundestrainer Jörg Schulte bezog bei SPORT1 Stellung zum Wettkampf in Ramona: „Ich wüsste nicht, warum auf einer freien Fläche, wo ringsherum keine Gefahrenquelle sind, ein Wettkampf abgebrochen werden sollte. Das ist ein Wurfplatz, der mitten auf einem freien Feld liegt. Da ist drumherum nichts. Also auch nichts, was den Wind aufhält, aber halt auch nichts, wo der Diskus dann reinfliegen könnte. Sicherheitsbedenken hätte ich da jetzt nicht.“

Die perfekten Verhältnisse sollten Sosnas Leistung keinesfalls schmälern. „Man wirft auch nicht knapp 69 Meter, wenn man nichts drauf hat. Wenn man nur ein Niveau von 60 Metern hat, fliegt ein Diskus nicht 69 Meter, nur weil da Wind weht“, sagt Schulte, fügt aber hinzu: „Inwieweit er das schnell reproduzieren kann, ist halt die Frage. Gerade bei so einem jungen Athleten hoffe ich, dass er jetzt nicht den Druck von außen kriegt, das schnell zu wiederholen und sich dann selber im Weg steht. Das ist immer so ein bisschen die Gefahr.“

Über den Weltrekord von Alekna ist der Bundestrainer zudem nicht überrascht: „Als ich die Bedingungen dort gesehen habe, habe ich mir schon gedacht, dass das mit Jürgen Schults Weltrekord eng werden könnte.“ Schulte verweist darauf, dass es recht windig war, weshalb er sich gedacht habe: „Wenn nicht heute, wann dann?“

Rekordweiten in Oklahoma: „Der Wettkampf war angemeldet“

Er hebt hervor, dass es eine sensationelle Weite des Litauers sei und man sowas nicht planen könne. Jedoch nimmt der Bundestrainer an, dass es aktuell zwei, drei Leute auf der Welt geben würde, die das Potenzial für die Rekordweite hätten.

Trotz der Fragen aufwerfenden Windverhältnisse ist der Weltrekord für Schulte legitim: „Der Wettkampf war angemeldet, der ist als Bronze-Meeting gerankt, also wurde da auch vorher geguckt, ob die Bedingungen dementsprechend sind, von den Platzverhältnissen, dass der nicht bergab geht und dass da alles mit rechten Dingen zugeht. Es waren offizielle Kampfrichter da, es war jede Menge Konkurrenz da, also wüsste ich nicht, warum der nicht zählen sollte.“

Jedoch schränkt der Trainer ein: „Ob so ein Wettbewerb die Zukunft ist, die ich mir wünschen würde, weiß ich nicht. Ich bin mir nicht sicher, ob wir uns da ein Gefallen tun, wenn wir nur noch solche Windkämpfe machen, wo dann reihenweise 68 bis 74 Meter geworfen wird.“