Was die Mutlos-Taktik des BVB aussagt

Mit hängenden Köpfen standen die BVB-Spieler am späten Dienstagabend nach Schlusspfiff auf dem Rasen des Pariser Prinzenparks und klatschten mit den Superstars Kylian Mbappé, Achraf Hakimi und Co. ab. Fast schon ehrfürchtig wirkten die Szenen im Anschluss an die völlig verdiente 0:2-Pleite.

Passend dazu sahen die Dortmunder in den 90 Minuten zuvor schon gegen PSG wie das berühmte Kaninchen vor der Schlange aus.

Die renommierte französische Fachzeitschrift L‘Équipe meinte in ihrer Mittwochsausgabe fast schon entsetzt: „Die Borussia sah nicht wie ein Großer aus Deutschland aus.“

Zu viel Respekt vor PSG: BVB-Taktik geht nicht auf!

„Wir haben uns das anders vorgestellt. Wir hatten, ganz nett formuliert, zu großen Respekt“, gestand Edin Terzic entsprechend ein. „Klarer gesagt: Uns hat einfach der Mut gefehlt.“

Mit seiner überraschenden Umstellung vor dem Spiel auf eine Dreier- respektive Fünferkette hat der Trainer zumindest einen Teil zu dem zurückhaltenden und zaghaften Spiel beigetragen. Die Worte „Angsthasenfußball“ und „Mutlos-Taktik“ fielen hinterher sogar bei einigen der 2000 Fans, die den Weg aus Dortmund in die französische Metropole aufgenommen hatten.

Der Plan, dem wuchtigen Offensiv-Trio Mbappé, Ousmane Dembélé und Randal Kolo Muani mit der neuen Taktik so wenig Raum wie möglich zu geben, ging nicht auf.

„Wir wollten den Gegner viel früher und aggressiver unter Druck setzen“, sagte Terzic. „Sie sollten uns jedes Mal spüren, wenn der Ball ins Zentrum gespielt wird.“

Nmecha mit unterirdischer Leistung

Einzig: Im Zentrum fand der BVB nach der frühen Verletzung von Marcel Sabitzer überhaupt nicht statt. Emre Can spielte noch okay, Felix Nmecha dagegen zeigte eine unterirdische Leistung.

Der 30-Millionen-Zugang fremdelt weiterhin mit seinen Mitspielern und kam in Paris gar nicht erst in die Zweikämpfe.

Erschwerend hinzu kam, dass das erhofft schnelle Umschaltspiel nach Ballgewinnen über Julian Brandt auf die Spitzen Donyell Malen und Karim Adeyemi nicht funktionierte. Der Ball war durch schlampige Pässe ziemlich schnell wieder weg.

„Wir haben in Ballbesitz-Phasen überhaupt keine Luft gekriegt“, resümierte auch Sportchef Sebastian Kehl. „Jeder zweite Ball war gefühlt weg“, befand Terzic.

So sehr fehlen Bellingham und Co.

Die Mutlos-Taktik sagt viel über den aktuellen BVB aus. Die Mannschaft hat sich nach den Abgängen von Superstar Jude Bellingham, Raphael Guerreiro und Mahmoud Dahoud noch nicht gefunden.

Der Umbruch dauert offenbar länger an als gedacht. Mit Julian Ryerson und Marius Wolf haben die Dortmunder außerdem zwei Außenspieler, die sich zwar voll reinhängen und jederzeit alles geben, aber die eben spielerisch limitiert sind.

Nicht wenige Fans sehnen sich Offensivkünstler wie Guerreiro oder Hakimi herbei.

Dortmund-Profis wirken verunsichert

Zudem wird auch den Verantwortlichen mittlerweile immer klarer, dass das Meister-Drama am letzten Spieltag der vergangenen Saison offenbar doch noch in den Köpfen der Spieler hängt.

Die Akteure wirken bisweilen verunsichert und ängstlich und hinken ihrer Normalform hinterher. Unter anderem Neu-Kapitän Emre Can, Sturm-Routinier Sébastien Haller, Top-Talent Karim Adeyemi oder Abwehr-Star Nico Schlotterbeck (zeigte gegen Paris allerdings eine ordentliche Leistung) stehen neben sich.

„Mir hat der Mut gefehlt, in gewissen Phasen einfach mal Fußball zu spielen und einfach Ballkontrolle und Luft zu bekommen“, sagte Kehl: „Es ist eine gewisse Unsauberkeit und es gibt Momente, wo ich mir denke, dass sie da den Ball festmachen sollen und nicht nur mit der Hacke. Das ist ein bisschen zu Larifari an der einen oder anderen Stelle gewesen und da brauchen wir mehr Klarheit in unserem Spiel.“

Zu viel Larifari, zu viel Hacke-Spitze – die fehlende Ernsthaftigkeit ist seit Jahren ein großes Thema beim BVB und wurde in der Vergangenheit auch schon oft von Routinier Mats Hummels kritisiert. Adeyemi und Co. dürfen sich dabei angesprochen fühlen.

Sammer kritisiert BVB-Offensive

Ein großes Thema in Dortmund ist weiterhin die fehlende Körpersprache bei einigen BVB-Profis. In der Rückwärtsbewegung kam von Adeyemi und auch Donyell Malen zu wenig, oft blieben sie nach Ballverlusten gar stehen.

Symbolisch für das zimperliche und mutlose BVB-Auftreten war dabei das Abwehrverhalten von Nmecha vor dem 0:2, als dieser nur Begleitschutz für Torschütze Hakimi leistete.

BVB-Berater Matthias Sammer schimpfte in seiner Funktion als TV-Experte bei Amazon Prime: „Was mir überhaupt nicht gefällt, ohne es namentlich zu benennen: da vorne die. Du kannst Fehlpässe spielen. Aber komm doch wieder sofort in die Grundordnung. Was mir total missfällt: Wenn du einen Fehler machst und sagst: Ich muss erst mal eine Minute in mich gehen. Das sind einfach schlechte Signale. Das ist einfach nicht gut und das muss aufhören.“

Es warten ungemütliche Tage auf den BVB. Ein Sieg gegen Wolfsburg am Samstag ist fast schon Pflicht, um zumindest vorübergehend für Ruhe zu sorgen. Mit einer ähnlichen Mutlos-Taktik wie gegen Paris dürfte das aber nichts werden.