Nach Bayern-Pleite gegen Bochum: Thomas Tuchel strauchelt, weil man ihn straucheln sehen will

Hat der FC Bayern München ein Trainer-Problem?

Bayern-Trainer Thomas Tuchel beim Spiel Mitte Februar in Rom gegen Lazio (Bild: REUTERS/Alberto Lingria)
Bayern-Trainer Thomas Tuchel beim Spiel Mitte Februar in Rom gegen Lazio (Bild: REUTERS/Alberto Lingria)

Der FC Bayern München wankt – und mit ihm der Trainer. So ist das Geschäft. Die Krise steckt aber tiefer. Und auf Thomas Tuchel werden schon deshalb die Abschiedsgesänge angestimmt, weil er distanziert wirkt und nichts weglächelt wie Jürgen Klopp. Sein Abgang würde dem Verein nichts bringen.

Ein Kommentar von Jan Rübel

An diesem Anfang die alte Fußball-Leier von „Zuerst hatten wir kein Glück, und dann kam auch noch Pech dazu“ zu bringen, ist ziemlich einfallslos, passt aber dennoch beim Blick auf den FC Bayern München im Allgemeinen und auf Trainer Thomas Tuchel im Besonderes. Pechhände hat der gerade. Dreimal in Folge verloren, die Meisterschaft nur noch mit Fernglas in Sicht, aus dem Pokal raus und in der Champions League die Aufgabe, in der Rückpartie das 0:1 gegen Lazio Rom aus dem Hinspiel zu übertrumpfen. Tuchel kam zu den Bayern, um sie zu spielerischem Erfolg zu führen. Nun verwaltet er ein Häufchen Elend.

Glück war es jedenfalls, das die Spieler auf dem Rasen letztens nicht hatten. Da verschuldet der eine in zwei Spielen hintereinander einen Elfmeter und lässt die anderen in Unterzahl zurück. Da steht der andere als Edelverwerter im Sturm vorn und kriegt kaum den Ball. Und dann natürlich die vielen Verletzungen im Kader: Die Bayern haben sehr, sehr viel Geld in die Abwehr investiert. Aber entweder sind diese neuen Spieler angeschlagen oder verunsichert. Sein Glück muss man eben manchmal erzwingen. Davon ist der Klub weit entfernt.

FC Bayern in der Krise

Derzeit stehen die Münchener Spieler ohne jenes Selbstbewusstsein auf dem Platz, das den Verein einst ausmachte. Es war früher vielleicht auch zu viel des Guten: Immer dieses stolz erhobene Haupt, dieses angebliche „Gewinnergen“ und das Motto, man könne spielen, wie man wolle, am Ende hauen die Bayern in der 90. Minute noch ein Tor rein und gewinnen eh. Das jedenfalls ist vorbei.

Und schuld ist natürlich der Trainer. Das, weil es leichter ist, bei einer einzelnen Person die Verantwortung auszumachen, als bei elf. Außerdem ist der Einfluss eines Trainers auf die Mannschaft enorm groß, im Positiven wie im Negativen.

Tuchel ist einer der erfolgreichsten deutschen Trainer, aber da haftet etwas an ihm. Das ist nicht unbedingt der gerade viel zitierte Hinweis, dass er seine vielen Erfolge immer nur mit Teams aus wirklich guten Qualitätsspielern feierte und bisher nie eine Mannschaft selber von Beginn an formte und entwickelte. Bei Tuchel geht es ins Psychologische.

Das Ding mit den Kritikern

Zwei Fakten fallen ins Augenmerk. Tuchels Kommunikation ist grottig. Der Trainer zeigt sich dünnhäutig und verzettelt sich in Privatfehden mit ihn kritisierenden Experten, von denen es rund um den FC Bayern München noch einmal besonders viele gibt. Er wirkt dann in sich gekehrt, trotzig. Aber der letzte Griesgram mit Erfolg im Fußball war Ernst Happel – und der ruhte durch seine Persönlichkeit und Souveränität wirklich in sich selbst. Der 1992 verstorbene Österreicher war als Trainer extrem erfolgreich: Vereinsmeistertitel in vier verschiedenen Ländern und der erste Trainer, der mit zwei verschiedenen Klubs den Vorläufer der Champions League gewann.

VIDEO: "Völlig absurd": Tuchel reagiert auf angebliches Kabinenzitat

Der zweite Fakt ist, dass Tuchel als distanziert wahrgenommen wird. Als einer, der Fußball verstanden hat wie kaum ein anderer, über ihn philosophieren kann – aber der nicht so viel Gras gegessen hat wie Spieler, die dann wie Thomas Müller sagen würden: Da fehlen mir die Eier und diese Freiheit – ein Zitat von Oliver Kahn, auch so ein Rasenbeißer. In der Öffentlichkeit wird Tuchel nicht als Sympathieträger erster Klasse wahrgenommen, nicht als Darling. Läuft es dann schlecht, zieht dieses Image noch leichter runter.

Wer zum Vorbild taugt

Das alles ist gemein und ungerecht gegenüber Tuchel. Als Trainer muss man gut sein und Schluss. Nur klebt an Tuchel das Stigma eines Typs, der gerade zum Lachen in den Keller geht. Ein Jürgen Klopp zum Beispiel, sein Vorbild beim FC Liverpool, kann herrlich grimmig und direkt gefährlich dreinschauen. Aber im nächsten Moment herzt er, umarmt und lacht. Das kann nicht jeder. Ich zum Beispiel überhaupt nicht. Aber ich schreibe ja auch nur.

Jürgen Klopp (Bild: Reuters)
Jürgen Klopp (Bild: Reuters)

In der aktuellen Lage wäre für den FC Bayern München nichts gewonnen, würde man Tuchel ablösen. Die Verunsicherung liegt in der Mannschaft, und sie selbst kann sie überwinden. Auch ist das Ziel des größten Gewinnes, nämlich der Champions League, immer noch machbar: Lazio Rom als nächste Hürde ist trotz des 1:0-Vorsprungs deutlicher besiegbar. Tuchel braucht nur eines: Wieder ein bisschen Glück. Ein paar Streicheleinheiten.

Und er selbst muss sich ändern, entspannter seine Konzepte durchpflügen und sie mehr seinen verfügbaren Spielern anpassen. Weniger dozieren, dickere Haut zeigen. Vielleicht tatsächlich ein wenig wie Ernst Happel werden. Der Grantler war nämlich nie unnahbar, sondern das Gegenteil. Und konnte über seine Spieler sagen: „Wann s’ reden wollen, müssen s’ Staubsaugervertreter werden, ich brauch nur Fußballer.“ Und das waren sie dann auch für ihn.