Auf dieses spannende Projekt richten sich alle Blicke

Weil die Handball-Saison nach langer Sommerpause wieder Fahrt aufnimmt, richten sich viele Blicke gespannt in den hohen Norden. Nicht aber zum großen THW Kiel, sondern auf die SG Flensburg-Handewitt.

Der Verein steckt vor dem Auftakt am Donnerstag um 19 Uhr gegen den HSV Hamburg in einer grundlegenden Renovierung und startet nun das spannendste Projekt der Bundesliga. Schließlich hat sich die SG hohe Ziele gesetzt und einen ambitionierten Fünfjahresplan aufgestellt: „Ganz klar, wir wollen in der Champions League spielen und die Champions League gewinnen“, erklärte der neue Sportliche Leiter Ljubomir Vranjes kürzlich auf einer Pressekonferenz.

Flensburg holt neue Stars

Obwohl Vranjes das große Vorhaben mit „Demut und Respekt“ angehen möchte, sorgt es für viel Aufsehen. Denn zahlreiche neue Gesichter sollen helfen, diese Wunschvorstellung Realität werden zu lassen.

Nicolai Krickau heißt der neue Trainer, der vom dänischen Verein GOG aus Gudme kam. Aus seinem Heimatland brachte der 36-Jährige das von halb Europa umworbene Rückraum-Ass Simon Pytlick und Kreisläufer Lukas Jörgensen mit. Dass mit Torjäger Kay Smits, dem slowenischen Abwehr-Hünen Blaz Blagotinsek sowie Rechtsaußen-Talent Aksel Horgen drei weitere Akteure von erster internationaler Güteklasse nach Flensburg wechselten, löst zwangläufig hohe Erwartungen aus.

Dazu kommt eine anvisierte Änderung der Spiel-Philosophie. Das neuformierte Team hat den Auftrag, schnelleren Handball als zuletzt unter Maik Machulla zu spielen. Um die Fans mitzureißen, müsse jede Partie mit voller Leidenschaft absolviert werden.

So schnell wie möglich soll die im Klub herrschende Euphorie alle Gedanken an die verpassten Titelchancen und Unruhen der vergangenen Saison verdrängen.

Pytlick? „Ein außergewöhnlich guter Spieler“

„Auf dem Papier steht Flensburg sehr gut da, weil die Mischung aus jungen und erfahrenen Spielern stimmt“, sagte Torwart-Legende Henning Fritz im Gespräch mit SPORT1 kurz vor Saisonbeginn. Der 48-Jährige ließ 2021 aufhorchen, als er sich bei den Norddeutschen noch einmal ins Bundesliga-Tor stellte.

Wie Fritz feststellte, orientiert sich sein Ex-Klub stark am skandinavischen Raum. „Ob das Kiel, Magdeburg oder Flensburg ist - viele Vereine holen Spieler, die daher kommen. Meistens hat das Erfolg, deswegen ist dieser Weg vielversprechend“, erklärte der Weltmeister von 2007. „Ob der Plan am Ende aufgeht, hängt aber auch von vielen anderen Aspekten ab: Verletzungen, der Integration neuer Spieler, der Situation bei der Konkurrenz.“

Begeistert zeigte sich Fritz derweil von Königstransfer Pytlick, den sich die SG einiges hat kosten lassen. „Ich halte ihn für einen außergewöhnlich guten Spieler. Er ist sehr explosiv, wurfstark und variabel in den Bewegungen“, sagte er.

Pytlick sei „extrem schwer auszurechnen“ und mache „viel Spaß“ - darauf können sich die Fans freuen. Dabei schaffte der 22-Jährige, der halblinks und in der Mitte einsetzbar ist, erst zu Jahresbeginn seinen Durchbruch auf internationaler Ebene. Bei der Weltmeisterschaft in diesem Jahr erzielte Pytlick insgesamt 70 Treffer, davon allein neun beim Final-Triumph der Dänen gegen Frankreich (34:29).

„Er ist keine reine Wurfmaschine, sondern kann auch im eigenen Durchbruch zum Torerfolg kommen und das Spiel in Kleingruppen lenken“, beschrieb Fritz die Qualitäten des neuen Hoffnungsträgers Pytlick habe „auf jeden Fall das Potenzial, sich hier durchzusetzen.“ Weil es aber seine erste Auslandsstation ist und die Anforderungen steigen werden, mahnte Fritz: „Wir wissen, dass die Bundesliga kein einfaches Pflaster ist.“

Fritz: „Ich sehe keine Übermannschaft mehr“

Auf einen klaren Tipp, wer sich den Bundesliga-Titel in der kommenden Saison sichert, wollte sich Fritz nicht festlegen. „Ich sehe Flensburg mit leichten Vorteilen, weil sie sich ziemlich gut und gezielt verstärkt haben“, verriet er.

„Aber auch die bekannten Namen werden eine Rolle spielen - Magdeburg, Kiel, Berlin, die Rhein-Neckar Löwen. Ich würde mir wünschen, dass auch Melsungen aufrückt. Für unsere Sportart kann es nur spannend sein, wenn es einen großen Wettbewerb um die Meisterschaft gibt“, sagte der Ex-Profi.

Über die gesamte Saison hinweg gebe es unzählige Faktoren, die das Zünglein an der Waage sein können. „Ein einziger Ausrutscher kann die Meisterschaft kosten. Deswegen bleibt bei vielen Mannschaften ein Fragezeichen“, betonte Fritz und fügte hinzu: „Ich sehe keine Übermannschaft mehr. Der THW hat über viele Jahre hinweg sehr stabil gespielt, Flensburg hatte seine Phasen, die Löwen auch.“

Nord-Rivale Kiel müsse beispielsweise einen ähnlich großen Wandel wie die SG meistern, vor allem auf der Position des Torhüters. „Niklas Landin zu ersetzen, ist unmöglich“, stellte Fritz klar. Doch ob das letztlich Flensburgs entscheidender Vorteil ist, bleibt abzuwarten.

Selten war es so spannend, das Titelrennen der Bundesliga zu verfolgen. Dafür sorgt nicht zuletzt das Projekt Flensburg.