Steinbrück bei "maischberger" über AfD-Verbot: "Unzufriedenheit kann man nicht verbieten"

Der ehemalige Finanzminister Peer Steinbrück (SPD) kritisierte am Mittwochabend in einem Interview mit Talkmasterin Sandra Maischberger im Ersten die Ampel-Regierung scharf. Nicht nur die Sparpolitik müsse sich ändern. (Bild: WDR/Oliver Ziebe)
Der ehemalige Finanzminister Peer Steinbrück (SPD) kritisierte am Mittwochabend in einem Interview mit Talkmasterin Sandra Maischberger im Ersten die Ampel-Regierung scharf. Nicht nur die Sparpolitik müsse sich ändern. (Bild: WDR/Oliver Ziebe)

Die Ampel stolpert von einer Krise in die nächste: Nicht nur ihr Umgang mit Haushaltsdebakel und Migration sorgt zunehmend für Unmut in der Bevölkerung. Wo der ehemalige Finanzminister Peer Steinbrück (SPD) Verbesserungspotenzial sieht, erklärte er am Mittwochabend bei Sandra Maischberger im Ersten.

Von Haushaltsdebakel bis Nahost-Krieg: Viele Krisen haben die Ampelkoalition seit ihrem Regierungsantritt herausgefordert. Der Umgang mit ihnen stößt in der Bevölkerung indes zunehmend auf Unzufriedenheit - vor allem in Bezug auf die Arbeit von Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD).

Über die Zukunft der Ampel und die angespannte Stimmung hierzulande sprach Sandra Maischberger am Mittwochabend mit dem ehemaligen Finanzminister Peer Steinbrück (SPD) im Einzelgespräch. Der Berlin-Korrespondent der "Neuen Zürcher Zeitung", Alexander Kissler, die "Zeit"-Journalistin Anna Mayr, und der Komiker Oliver Kalkofe kommentierten in der ARD-Talkshow.

Kalkofe fand gleich zu Beginn der Sendung drastische Worte zur Misere der Regierungskoalition: "Wäre die Ampel ein Pferd, hätte man es längst erschossen", urteilte er. Es fehle eine Figur, die zwischen den Parteien vermittle und sie anführe, kritisierte der Satiriker. Seiner Meinung nach vollführe die Koalition derzeit "ein Fettnapf-Hopping mit Arschbombe von einem Fehler zum anderen".

Über die Kritik an der Ampel-Regierung diskutierte Sandra Maischberger (rechts) am Mittwoch unter anderem mit dem Journalist Alexander Kissler von der
Über die Kritik an der Ampel-Regierung diskutierte Sandra Maischberger (rechts) am Mittwoch unter anderem mit dem Journalist Alexander Kissler von der

Peer Steinbrück über die Ampel: "Stark verbesserungsfähig"

Das SPD-Urgestein Steinbrück wählte zwar etwas weniger bildhafte Worte, aber die Quintessenz seiner Kritik war ähnlich: Scholz müsse sich "selbstkritisch hinterfragen, ob seine Aufstellung und seine Bereitschaft, Führung zu zeigen und zu entwickeln, auch vor dem Hintergrund 'Wer bei mir Führung bestellt, bekommt sie'", vorhanden sei. Schließlich bewege man sich aktuell in einer Zeit, die sehr stark von Unsicherheiten geprägt sei. Kurzum: Die Bundesregierung sei "stark verbesserungsfähig".

Ein besonderes Sorgenkind in Steinbrücks Augen: Die Sparpolitik der Ampel. Es werde an den falschen Stellen gespart: Die Sparmaßnahmen müssten "ausgewogen" sein und "von allen als einigermaßen gerecht empfunden" werden. Mit anderen Worten: "Diejenigen, die mehr Löcher im Gürtel haben, die müssen mehr dazu beitragen als diejenigen, die kaum oder gar keine Löcher im Gürtel haben." Aber das seien nicht die Bauern.

Das Bundesministerium für Landwirtschaft mache nämlich nur 1,5 Prozent des Bundeshaushaltes aus. Auch die Schuldenbremse nahm der SPD-Mann ins Visier: Sie sei heute nicht mehr zeitgemäß, "weil wir einen wahnsinnigen Investitionsbedarf haben".

Steinbrück wehrt sich gegen Maischberger-Frage: "Das ist reine Polemik"

Den Bedarf, etwas zu verändern, sieht Steinbrück auch bei der Migrationspolitik: Maischberger zeigte einen Ausschnitt aus einem Gespräch mit dem Ex-Bundeskanzler Helmut Schmidt aus dem Jahr 2010: Der SPD-Politiker sagte damals, dass eine Einwanderung nur aus "verwandten Zivilisationen" wie Polen problemlos zu bewältigen sei. Steinbrück widersprach: Vor dem Hintergrund der Demografie und des "enormen Arbeitskräftebedarfs" bräuchte Deutschland dringend eine "geordnete Einwanderung" aus verschiedenen Ländern.

Der 77-Jährige räumte jedoch auch ein: "Dass wir uns mit der Immigration von Menschen aus anderen Zivilisationen auch Probleme einhandeln, merken wir jetzt gerade mit Blick auf den Antisemitismus, der auf deutschen Straßen tobt." Auf Maischbergers Frage, ob Schmidt daher heute die AfD wählen würde, antwortete der ehemalige Finanzminister prompt: "Das ist reine Polemik." Anders als "weite Teile der AfD" sei Helmut Schmidt "ein absolut überzeugter Demokrat gewesen".

Laut Steinbrück sei die AfD sehr stark von ihren Wählern zu trennen. Ein Verbot der Partei, wie es derzeit angesichts der Proteste in Deutschland diskutiert wird, hält er nicht für sinnvoll: Das Verbot löse das Problem nicht. "Die AfD lebt von der Unzufriedenheit vieler Menschen und Unzufriedenheit kann man nicht verbieten", betonte der SPD-Politiker. Die Ampel müsse vielmehr deutlich machen, dass die AfD ihren Wählerinnen und Wählern in den allermeisten Politikfeldern nichts zu bieten habe.

Video: Mögliche Hürden beim AFD-Verbot