Der steinige Weg des neuen Snooker-Gotts
Nach dem letzten Stoß brachen die Emotionen aus Kyren Wilson heraus. Unter Tränen herzte er seinen Bruder, die beiden Söhne umklammerten seine Beine. „Papa! Du bist Weltmeister, super gemacht“, rief der neun Jahre alte Finley. Nach dem Finalsieg über Jak Jones bei der Snooker-WM wollte Wilson die Familie um sich haben - denn dieser Titel war ein Gemeinschaftsprojekt.
„Meine Mutter und mein Vater haben eine Hypothek aufgenommen und ihr ganzes Leben geopfert, um mich hierher zu bringen“, sagte der 32-Jährige nach seinem ersten WM-Triumph: „Mein Bruder und meine Frau auch. Die Liste lässt sich endlos fortsetzen, es ist eine riesige Teamleistung.“
Und es war ein langer Weg, obwohl die Begabung des Jungen aus den Midlands schon früh erkannt wurde. Mit sechs Jahren spielte Wilson in einem Benefizturnier gegen den ehemaligen Weltmeister Peter Ebdon. Dieser erklärte Wilsons Eltern dann, welch ein Talent der kleine Kyren doch sei.
Trance und Lachs
Für Vater Rob und Mutter Sonya ein klares Zeichen. Fortan unterstützen sie ihren Sohn, wo es nur ging. Wo andere Nachwuchsspieler im Hotel schliefen, fuhr Sonya ihren Sohn zum Turnier, um Übernachtungskosten zu sparen. Und die Wilsons gingen bis an ihre finanziellen Schmerzgrenzen.
Der Aufstieg verlief dennoch nicht stolperfrei, die ersten Gehversuche als Profi 2010/11 scheiterten. Als Amateur musste Wilson sich wieder zurückkämpfen. Nach dem Comeback auf Profiebene 2013/14 gewann er 2015 dann seinen ersten Major-Titel, sechs weitere sollten folgen. Dem Erfolg hilft der Engländer dabei recht kreativ auf die Sprünge: Auf Hypnotherapie und lachsreiche Ernährung baut er unter anderem. „Mir werden bestimmt Kiemen wachsen, so viel Lachs habe ich gegessen“, sagt Wilson.
Zola meldet sich
Neben seiner Begeisterung für Snooker ist der 32-Jährige großer Fußballfan. Als Anhänger des FC Chelsea hat er sich eine Nachricht des ehemaligen Blues-Stars Gianfranco Zola eingerahmt und in seinem Haus aufgehängt. Dort wird Wilson nun nicht nur sein WM-Glück verdauen, sondern auch die Sambucas, die er im Anschluss an seinen Triumph trinken wollte.
Mit dem Preisgeld in Höhe von 500.000 Pfund (rund 583.000 Euro) ebenso wenig ein Problem, wie die längst ausgeglichenen, aber nie vergessenen Ausgaben seiner Eltern.