Er stellt die Legenden in den Schatten

Wie soll es bloß weitergehen bei den Green Bay Packers? Diese Frage dürften sich viele Fans des NFL-Teams gestellt haben, als Quarterback Aaron Rodgers seinen Wechsel zu den New York Jets erzwungen hatte.

Schnell war klar: Jordan Love wird in die großen Fußstapfen des jahrelangen Anführers treten. Doch die Zweifel waren groß, ob der Erstrundenpick von 2020 wirklich dieser Aufgabe gewachsen ist.

Schließlich überzeugte er in seinen bis dato zehn Kurzeinsätzen in der NFL nur bedingt. Auch Berichte aus dem Training, in denen immer wieder von Problemen des Quarterbacks die Rede war, sorgten eher für Stirnrunzeln. „Ich garantiere euch, dass jedes NFC-North-Team sich freuen wird, wenn Jordan Love kommt“, machte sich Ex-NFL-Star Richard Sherman in seinem Podcast vor der aktuellen Saison über Love lustig.

Knapp vier Monate später hat der 25-Jährige seine Kritiker Lügen gestraft, denn er steht mit seinem Team in den Playoffs - und das vor allem wegen seiner Leistung. Dort trifft er mit den Cheeseheads am Sonntagabend auf die Dallas Cowboys.

Selbst die Vergleiche mit seinen beiden legendären Vorgängern braucht er nicht zu fürchten - im Gegenteil. In seiner Rookie-Saison als Starting Quarterback war er in allen relevanten Statistiken - Touchdowns, Interception, Passing Yards, Completion Percentage - besser als Aaron Rodgers und Brett Favre in deren Debüt-Spielzeiten. Besonders beeindruckend: Love erzielte nicht nur 32 Passing Touchdowns, sondern lief viermal auch selbst in die gegnerische Endzone.

Love mit wackeligem Start für die Green Bay Packers

Dabei verlief sein Saisonstart alles andere als einfach. In den ersten sieben Partien hatten Love und seine Teamkollegen nicht viel zu jubeln, lediglich zwei Erfolge gelangen in der Post-Rodgers-Ära.

Der Spielmacher offenbarte dabei das bereits bekannte Problem: Die Würfe waren zumeist nicht präzise genug. Nur zweimal fanden mehr als 60 Prozent seiner Pässe einen Mitspieler - zu wenig in der modernen NFL.

„Es ist im Moment zu holprig. Ich muss Konstanz in mein Spiel bekommen“, gestand er ehrlich nach der 10:24-Niederlage gegen die Minnesota Vikings. Wie recht er damit hatte! Schließlich warf er in dieser und den vier vorherigen Duellen satte acht Interceptions.

Packers-Boss stellt sich vor seinen Quarterback

Die Packers waren trotz der Probleme nicht bereit, einen Wechsel auf der Position durchzuführen. „Ich denke, er hat eine Menge guter Dinge getan. Mir gefällt zudem sehr, wie er auf die Widrigkeiten reagiert und das Team geführt hat“, lobte General Manager Brian Gutekunst den Mann, den er selbst vor rund dreieinhalb Jahren im Draft geholt hatte.

Und dennoch richtete der Packers-Boss während seiner Mid-Season-Pressekonferenz auch klare Worte an Love: „Wir haben noch zehn Spiele vor uns. Das werden sehr wichtige Spiele sein.“

Diese Worte nahm sich der gebürtige Kalifornier zu Herzen und steigerte sich in den kommenden Wochen. Zwar rutschte seine Completion Percentage bei der Niederlage gegen die Pittsburgh Steelers nochmal unter 60 Prozent, doch fortan agierte er deutlich sicherer.

Das erste richtige Ausrufezeichen war sein Comeback gegen die Los Angeles Chargers. Rund fünfeinhalb Minuten vor Schluss lagen Love und Co. mit 16:20 zurück und drohten, die nächste Pleite zu kassieren.

Doch Love stemmte sich mit aller Macht dagegen und fand knapp drei Minuten später Romeo Doubs zum entscheidenden Touchdown. „Er hat eine große Zukunft vor sich“, meinte Wide Receiver Christian Watson im Anschluss und schwärmte von seinen Qualitäten als Stehauf-Männchen.

„Er fährt nun den Porsche!“ Packers-Spieler loben Love

Dieser Triumph schien neue Kräfte bei ihm freizusetzen. In der Folge bezwangen sie überraschend die Top-Teams aus Detroit und Kansas City. Besonders der 27:19-Sieg über die Chiefs bedeutete Love viel.

Schließlich absolvierte er 2021 sein erstes Spiel als Starter gegen den aktuellen Champion - und musste bei der 7:13-Niederlage ordentlich Lehrgeld bezahlen. „Dieses Spiel hatte ich schon lange im Auge“, sagte er.

Beim Wiedersehen präsentierte er sich komplett verändert. Knapp 70 Prozent seiner Pässe fanden das Ziel, er lieferte so stark ab wie selten zuvor in seiner Karriere. „Er fährt nun den Porsche“, schwärmte Cornerback Keisean Nixon.

Lob erhielt der Packers-Spieler auch vom Gegner. „Es ist ein himmelweiter Unterschied. Er spielt nun sehr guten Football“, befand Chiefs Head Coach Andy Reid mit Blick auf das Duell vor zwei Jahren.

Love besser als Rodgers? Vorgänger schwärmt

Zwar gingen die nächsten zwei Duelle verloren, dennoch hielt Love den Fuß auf dem Gas. Woche für Woche sorgte er für Highlights und performte auf einem hohen Niveau.

Mit seiner Debüt-Saison brachte er seinen Vorgänger ins Schwärmen. „Ich liebe Jordan. Er wird ein großartiger Spieler sein“, schilderte Rodgers Anfang Dezember in der Pat McAfee Show. Doch trotz dieser starken Leistungen warnte der Routinier auch: „Können wir ihn zu seinem eigenen Schutz bitte nicht sofort krönen, sondern ihn einfach spielen lassen?!“

Love stellt Packers-Legende in den Schatten

So sehr der Spielmacher, der derzeit an seinem Comeback bastelt, auch recht haben mag, so schwierig fällt das in einem footballverrückten Land wie den USA. Bei seinen Zahlen ist das aber auch wenig verwunderlich.

Mit seinem Quarterback-Rating von 62 liegt er auf Position neun und somit vor Stars wie Tua Tagovailoa, Super-Rookie C.J. Stroud und Jared Goff. Noch besser ist er bei EPA, mit der der Erfolg eines jeden Spielzugs je nach Feldposition bewertet wird. Dort befindet er sich gar auf Rang fünf - eine herausragende Leistung für einen Mann, der drei Jahre lang nur vereinzelt Spielzeit gesehen hat.

Doch nicht nur das: Er ist der erste Quarterback seit Packers-Legende Roger Staubach 1971, der in seinem ersten Jahr als Starter die NFL mit den meisten Spielen ohne Interceptions und mehreren Touchdowns anführte.

„Ich glaube für ihn ist nur der Himmel die Grenze. Er zeigt bisher nur einen kleinen Teil von dem, was er letztendlich sein kann“, meint daher sein Head Coach Matt LaFleur. Es klingt wie eine Drohung an die Konkurrenz.

Ist Love der nächste Franchise-QB der Packers?

Überraschend ist es aber nicht, schließlich scheinen die Packers bereits den nächsten Franchise-Quarterback gefunden zu haben - eine schier unglaubliche Leistung angesichts der Komplexität dieser Position.

Somit ist auch eine Vertragsverlängerung von Love vermutlich nur Formsache. Sein Arbeitspapier wurde im Sommer zwar etwas angepasst, doch im kommenden Jahr läuft er aus. Mit solchen Leistungen dürfte er bald eine saftige Gehaltserhöhung bekommen. In diesem Jahr kassierte er ein Grundgehalt von 5,5 Millionen Dollar.

Es wäre der nächste Vertrauensbeweis der Franchise in ihren Quarterback, der am Ende den Gegnern in der eigenen Division dann doch das Fürchten lehrte.