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Eine Stimme gegen das Establishment: Janis Joplin wäre heute 80 Jahre alt geworden

Die Augen geschlossen, Körper und Seele ans Mikro gekrallt: Janis Joplin (1943-1970) bei einem Auftritt im Jahr 1967. Am 19. Januar wäre sie 80 Jahre alt geworden. (Bild: Photo by Tucker Ranson/Archive Photos/Getty Images)
Die Augen geschlossen, Körper und Seele ans Mikro gekrallt: Janis Joplin (1943-1970) bei einem Auftritt im Jahr 1967. Am 19. Januar wäre sie 80 Jahre alt geworden. (Bild: Photo by Tucker Ranson/Archive Photos/Getty Images)

Sie starb viel zu früh: Obwohl Janis Joplin nur 27 Jahre alt wurde, war sie eine prägende Figur der Musikkultur. Am 19. Januar wäre sie 80 Jahre alt geworden.

"Ja, ich weiß, dass ich es vielleicht übertreibe, aber lieber dreh' ich zehn Jahre irre auf, als 70 zu werden und bis dahin bloß in einem gottverdammten Sessel vor dem Fernseher zu hängen", gab Janis Joplin einmal gegenüber der "New York Times" zu Protokoll. Am Ende hatte es nicht einmal für die zehn Jahre gereicht. Obwohl ihre Karriere lediglich vier Jahre dauerte und der "Rolling Stone" sie 2010 gerade mal auf Rang 46 der 100 größten Musiker aller Zeiten (sowie zuletzt auf Rang 78 der 100 besten Sänger/Sängerinnen aller Zeiten) listet, wurde Janis Joplin zu einem Mythos der Beatnik- und Hippiebewegung der 60er- und 70er-Jahre.

Die am 4. Oktober 1970 viel zu früh verstorbene Folkrock-Legende wurde vor 80 Jahren, am 19. Januar 1943, in Port Arthur geboren. Lieder wie "Me And Bobby McGee" oder "Ball And Chain" machten das Mädchen aus der südosttexanischen Provinz zu einem Weltstar. Ihr Name gilt noch heute, über fünf Jahrzehnte nach ihrem plötzlichen Tod im Alter von nur 27 Jahren, als Synonym für die radikale Rebellion gegen jegliches Spießertum. Eine empfehlenswerte unter den zahlreichen Joplin-Biografien wurde 2001 von Heinz Geuen herausgebracht. Er dokumentiert in seinem Buch "Hemmungslos das Leben spüren" das kurze aber exzessive Leben des Popstars und packte als Extra jede Menge zeitgeschichtlichen Kontext dazu.

April 1969: Janis Joplin posiert für ein Shooting des "Evening Standard". (Bild: Photo by Evening Standard/Getty Images)
April 1969: Janis Joplin posiert für ein Shooting des "Evening Standard". (Bild: Photo by Evening Standard/Getty Images)

Sex, Drogen und erste Auftritte

Jeder hatte ein schnittiges Auto, alle träumten von der Zukunft, die Nation schickte sich an, das Weltall zu erobern, und sie gehörte zu den behüteten Wohlstandskids jener Zeit. Es hätte eine typische US-Jugend der 50er- und 60er-Jahre werden können. Aber Janis Joplin wählte bewusst die andere, alternative, anarchistische, hedonistische und letztendlich selbstzerstörerische Variante.

Einfühlsam und anhand einer Menge zusammengetragener biografischer Daten bis ins Detail genau machte Heinz Geuen, der sich in den 90er-Jahren an der Universität Kassel mit der Forschung über modernes Musiktheater und Popkultur beschäftigt hat und zuletzt als Musikpädagoge und Rektor der Hochschule für Musik und Tanz Köln tätig war, in seinem Werk den auf den ersten Blick so abwegig erscheinenden Lebensweg von Janis Joplin nachvollziehbar. Dabei stellt er die Vita der Sängerin stets auch in Relation zu den gesellschaftlichen und politischen Hintergründen in den USA. Da wird der gerade aufkeimende Konsumwahn genauso beleuchtet wie die noch lange nicht verheilten Narben der Rassentrennung. Auch der Gegensatz einer zunehmenden sexuellen Prüderie auf der einen und der aufstrebenden wilden Beat-Kultur auf der anderen Seite wurde vom Autor herausgearbeitet.

Das wilde Mädchen Janis wurde in ihrer Heimatstadt Port Arthur schnell als Außenseiterin abgestempelt. "Wenn etwas passiert, dann passiert es niemals da. Es besteht nur aus Autokinos und Cola-Ständen an den Straßenecken, und jeder, der wie ich was vom Leben erwartet, haut ab, so schnell er kann, oder er wird überrannt, unterdrückt und gebrochen. Alles, was ich suchte, waren ein bisschen Freiheit und andere Leute, denen es genauso ging", sagte Joplin später über ihre Jugendzeit. "Nigger lover" nannte man sie, weil sie sich offen für die Aufhebung der Rassentrennung einsetzte.

Nach dem Schulabschluss 1959 dauerte es nicht lange, bis Janis Joplin ihren Freiheitsdrang in Los Angeles, Venice und San Francisco auslebte. Sex, Drogen und erste Auftritte - doch immer wieder zog es sie zurück in die Enge der Provinz, bis sie sich 1962 an der Universität von Texas in Austin einschrieb. Dort verbrachte sie einige exzessive Monate, gründete ihre erste Band, sah sich erneut einer verständnislosen Gesellschaft gegenüber und fühlte sich schließlich veranlasst, Texas endgültig den Rücken zu kehren. Soweit lässt sich die von Heinz Geuen spannend beschriebene Ausgangssituation für die spätere Karriere von Janis Joplin zusammenfassen.

Im April 1969 zeigte sie sich mit Pelz - schon ein Jahr später starb Janis Joplin. (Bild: Photo by Stroud/Express/Getty Images)
Im April 1969 zeigte sie sich mit Pelz - schon ein Jahr später starb Janis Joplin. (Bild: Photo by Stroud/Express/Getty Images)

1968 kaufte sie sich ein Porsche-Cabriolet

Es folgten viele Stationen, Liebhaber und Liebhaberinnen, die vom Autor nicht einfach nur aufgezählt, sondern stets auch aus Janis' emotionaler Sicht beleuchtet werden. Unter anderem werden bewegende Briefe an ihre Eltern zitiert und in Relation zu den Geschehnissen gesetzt. Im Juni 1967 dann das Ereignis, das wie kein anderes das Leben von Janis Joplin verändern sollte: das Popfestival von Monterey, so etwas wie ein Wegbereiter für das zwei Jahre später folgende Woodstock-Festival. Für Janis Joplin war der Auftritt der Durchbruch. Es folgten heftige und legendäre Affären mit Ikonen wie Jimi Hendrix und Jim Morrison. Geuen beschreibt die Monate nicht als unglaubwürdiges Klischee von Sex, Drugs & Rock'n'Roll, sondern lässt aus dem abstrakten Begriff einen begreifbaren Lebensinhalt jener Hippie-Gesellschaft werden - alles vor dem exakt geschilderten Hintergrund von Nixons Politik, des immer heftiger werdenden Vietnam-Krieges bis zur Ermordung Martin Luther Kings im April 1968.

Höhepunkt und Symbol der Selbstverwirklichung der zum Popstar aufgestiegenen Sängerin: Im September 1968 kaufte sie sich ein Porsche-Cabriolet - und eben keinen Mercedes-Benz, wie einer ihrer berühmtesten Songs nahe legen könnte - und brüskierte damit auch das Establishment der reichen und schönen Kalifornier. Die Schattenseiten des schnellen Aufstiegs: Joplin war abhängige Fixerin. Am 4. Oktober 1970 starb sie im Landmark Hotel in Los Angeles an einer Überdosis Heroin. Heinz Geuen schloss seine bewegende Biografie mit einer gewagten Einschätzung: "Heute wäre Janis Joplin, wie unsinnig diese Vermutung auch immer sein mag, nicht nur die viel beachtete Kollegin von Tina Turner, Whitney Houston oder Bette Midler, sondern hätte ihrer Stimme, die zum Wahrzeichen einer ganzen Generation geworden ist, noch gänzlich neue und ungeahnte Töne entlockt."