Strapaze im sulzigen Schnee - 100. Wasalauf in Schweden
Sälen/Mora (dpa) - Dieses Geräusch ist einzigartig: Wenn sich 16.000 Skilangläufer gleichzeitig in Bewegung setzen, wenn 16.000 Paar Skistöcke in den Schnee einstechen und 16.000 Paar Skier zu gleiten beginnen. Das Rauschen nach dem Startschuss beim Wasalauf in Schweden verbreitet eine ganz eigene Energie.
Und die brauchen die Teilnehmer, denn sie haben 90 Kilometer vor sich und maximal zwölf Stunden Zeit. Der «Vasaloppet», wie die Schweden sagen, ist mit rund 16.000 Teilnehmern das größte Langlaufrennen der Welt. Heute findet es zum 100. Mal statt.
Leichte Plusgrade und Regen in der nach wie vor tief verschneiten Region Dalarna haben in den Tagen zuvor den Schnee weich und nass werden lassen. Am Morgen des Rennens regnete es im Startort Sälen. Die Loipen waren sulzig und anstrengender zu befahren.
Norwegischer Doppelsieg
Dennoch legten die Eliteläufer Top-Zeiten vor. Torleif Syrstad (3:52:43 Stunden) und Emilie Fleten (4:23:06 Stunden) sorgten für einen norwegischen Doppelsieg bei dem prestigeträchtigen Wettkampf, der als das härteste Langlaufrennen der Welt gilt.
Neben einer Gruppe an Eliteläufern, darunter der 13-fache Langlaufweltmeister Petter Northug aus Norwegen, machen traditionell Breitensportler die große Masse an Teilnehmern aus. Deutschlands bester Skimarathonläufer Thomas Bing aus Bad Salzungen in Thüringen kam nach 4:08:41 Stunden auf Platz 35 ins Ziel. Er hatte sich erhofft, in die Top 15 zu laufen.
Langlauf-Bundestrainer Peter Schlickenrieder, der 2015 den Wasalauf in 4:57:10 Stunden gelaufen ist, sagte zur Rolle des Wetters: «Es ist ein Unterschied, ob der Schnee gefroren ist und man damit eine schnelle Loipe hat - oder ob es Neuschnee gibt, was einen bremst, und sich die Strecke daher schnell mal doppelt so lang anfühlt.» Es gehe darum, sich auf die Bedingungen einzustellen und die Ski richtig zu wachsen.
Neben passendem Material brauchen die Läufer Kondition und Geduld. Das Startfeld ist rund 600 Meter lang. 50 Loipen sind nebeneinander gezogen. Kurz nach dem Start verschmälert sich die Strecke und führt einen steilen Anstieg hinauf. Es entsteht dichter Stau. Zerbrochene Skistöcke im Schnee zeugen vom Gedränge. Bis die hinteren Läufer dieses Nadelöhr passiert haben, vergeht leicht eine Stunde - und die Uhr läuft unerbittlich.
Für Hobbyläufer «richtige Strapazen»
«Viele Hobbyläufer brauchen ewig, und es ist eine schöne Zeremonie, dass der Letzte von einem Fackelläufer ins Ziel begleitet und dort von den Zuschauern gefeiert wird», sagte Schlickenrieder. Man könne die Leistung derer, die doppelt und dreifach so lange unterwegs sind wie die Elite, nicht hoch genug einschätzen. «Das sind richtige Strapazen.» Der Wasalauf bringe einen an die Grenzen - auch mental. Er nennt das Rennen «den Ironman der Langläufer» und ein «Once-in-a-lifetime-Erlebnis».
Die besondere Stimmung brachte Thomas Bing so auf den Punkt: «Man spürt den Druck der 16.000 Langlaufverrückten hinter sich. Da ist eine brutale Energie da, wenn man im Startgelände ankommt.» Der Stellenwert des Rennens sei «riesig».
Einer der bekanntesten und prägendsten Wasaläufer ist der norwegische Gewinner von 2004, Anders Aukland. Die Tradition, die Atmosphäre und die Menschenmenge machten den Wasalauf zu etwas Besonderem - abgesehen von der zu bewältigenden Strecke, sagte er der dpa. Um beim Wasalauf zu gewinnen, müsse man die Technik des Doppelstockschubes beherrschen - und zwar auf die lange Distanz. Das müsse speziell trainiert werden. Wasalaufgewinner seien die «besten Doublepolers der Welt». Auch die richtige Wachs-Strategie spiele eine enorme Rolle. Aukland hatte seine Karriere 2023 mit 50 Jahren als Eliteläufer beendet.
Deutsche Wasaläufer - ein Gewinner bislang
Seine Wasalauf-Premiere hatte der deutsche Doppelweltmeister Axel Teichmann, der 5:03:19 Stunden benötigte. Der DSV-Trainer stellte sich zehn Jahre nach seiner Zeit als Leistungssportler der 90-Kilometer-Herausforderung. Das Resultat sollte für ihn nicht im Vordergrund stehen, sondern vielmehr das Erlebnis, wie er vorab der dpa sagte. Vor allem mit Arm-Training habe er sich auf das Rennen vorbereitet, als Trainer versuche er sich aber ohnehin fit zu halten.
Unter den Hobbyläufern war Carsten Albrecht aus Zingst an der Ostsee, der 2019 seinen ersten Wasalauf absolviert hatte. Er sei im Harz aufgewachsen und habe dort das Langlaufen gelernt. Der Wasalauf sei immer ein Ziel für ihn gewesen. Mit 55 Jahren habe er sich gedacht: «Wenn ich das jetzt nicht mache, wird es nichts mehr», erzählt er. Dann habe er «wie wild» zu trainieren begonnen, mangels Schnee an der Ostsee auf Rollski. Nach 7:58:01 Stunden kam er ins Ziel. Sein erster Gedanke danach: «Nie wieder!» Doch dann ließ ihn das Wasa-Fieber nicht los. 2024 trat er mit nun 60 Jahren zum fünften Mal an.
Auch Sven Kaltofen aus Sayda in Sachsen hatte schon als Jugendlicher den Wasalauf als Ziel vor Augen. Die älteren Vereinskollegen hätten davon geschwärmt. Im Jahr 2000 war er dann erstmals dabei. 2024 machte sich der 46-Jährige zum 25. Mal auf den Weg von Sälen nach Mora. 30 Wasaläufe will er insgesamt schaffen. Langweilig werde es nicht und wirklich nervös sei er auch nicht mehr. Es sei einfach immer wieder spannend zu sehen, wie er durchkomme. «Der Körper wird älter, das Material wird besser. Das sollte sich ausgleichen», sagte er. Seine schnellste Zeit war 4:59:09 Stunden, er habe aber auch schon knapp über sieben Stunden gebraucht.
Für Albrecht und Kaltofen macht auch das Drumherum das Flair des Wasalaufes aus. Dazu gehören begeisterte Zuschauer, die Schokolade und Obst verteilen. An sieben Verpflegungsstationen tummelten sich wieder Helfer und reichten die berühmte Blaubeersuppe. Dazu gab es trockene Brötchen, Brühe und Energiedrinks. 3500 Ehrenamtliche waren laut Veranstalter rund um den Wasalauf im Einsatz. Ausnahmezustand.
Der einzige Deutsche, der je den Wasalauf gewonnen hat, ist Gerd-Dietmar Klause aus dem Vogtland. 1975 schaffte er die Strecke in 4:20:22 Stunden. Dass er 49 Jahre später noch immer der einzige deutsche Sieger ist, sei eine «kleine Sensation», sagte Klause.