Streaming-Serie "Oh Hell": Die Hölle des "woken" Lebens

Helene, genannt Hell (Mala Emde), träumt sich auch in Staffel zwei der preisgekrönten Dramedy-Serie "Oh Hell" in ihre eigenen Welten. Die sind nicht immer leicht zu verstehen, weshalb die Mittzwanzigerin Chaos in ihrer Umwelt verursacht - von der psychotherapeutischen Tagesklinik bis zum coolen Start-up. Staffel zwei der Serie läuft bei Magenta TV. (Bild: © good friends Filmproduktions GmbH)

Helene, genannt Hell, ist die Antithese einer Influencerin. Überall, wo die Mittzwanzigerin auftaucht, hinterlässt sie Chaos, Frust und Verwirrung. Die aus dieser Idee geborene Serie "Oh Hell" mit Mala Emde gewann den Deutschen Fernsehpreis, eine Grimmepreis-Nominierung und geht nun in Staffel zwei.

Die Grundidee der Serie "Oh Hell", die mit ihrer ersten Staffel sowohl einen Deutschen Fernsehpreis wie auch eine Grimme-Preis-Nominierung ergatterte, ist schnell erzählt. Mittzwanzigerin Helene (Mala Emde), genannt Hell, stiftet mit ihrem merkwürdigen Verhalten überall Verwirrung, Frust und Chaos. Einfach schlechte Gefühle. Sie sagt die Wahrheit, wo Vorsicht und Diplomatie angebracht wären. Und sie bewegt sich fernab der Wahrnehmungsmodelle, Werte und Ziele ihrer Generation aufgeklärter Großstadt-Twentysomethings, wie es nur geht. Überall eckt Hell an: bei ihren geschiedenen Eltern (Knut Berger, Deborah Kaufmann), wenn es um zarte Liebesgefühle geht (in Staffel eins: Edin Hasanovic), bei wechselnden Jobs und vor allem im Dauervergleich mit ihrer "perfekten" Jugendfreundin Maike (Salka Weber).

In der zweiten Staffel "Oh Hell" (ab Donnerstag, 21. März, Magenta TV) mit acht neuen Folgen bringt Helene sowohl eine psychotherapeutische Tagesklinik wie auch das ambitionierte Start-up ihrer Freundin Maike aus dem Konzept. Staffel eins aus der Feder von Autor Johannes Boss ("Deadlines") wurde oft mit der britischen Ausnahme-Dramedy "Fleabag" (übersetzt etwa: Ekelpaket) von Phoebe Waller-Bridge verglichen. Doch auch, wenn der Vergleich nur bedingt zutrifft - schon allein weil die Fleabag-Figur zehn Jahre älter ist, gemeinsam haben die beiden zynisch-komischen Frauenporträts ihre scharf beobachtete Gesellschaftskritik des großstädtisch "woken" Lebens.

Hell (Mala Emde) hat einen Wald abgefackelt und eine seltene Krötenart vernichtet. In Staffel zwei der Serie "Oh Hell" muss sie deshalb in eine psychotherapeutische Tagesklinik - um einer härteren Strafe zu entgehen. Doch auch unter Patienten und Therapeuten richtet sie - wie gewohnt - Chaos an. (Bild: © good friends Filmproduktions GmbH)
Hell (Mala Emde) hat einen Wald abgefackelt und eine seltene Krötenart vernichtet. In Staffel zwei der Serie "Oh Hell" muss sie deshalb in eine psychotherapeutische Tagesklinik - um einer härteren Strafe zu entgehen. Doch auch unter Patienten und Therapeuten richtet sie - wie gewohnt - Chaos an. (Bild: © good friends Filmproduktions GmbH)

Zwischen Psychiatrie und Start-up-Wahnsinn

Die Handlung der Serie "Oh Hell", die auf unvorbereitete Zuseherinnen und Zuschauer reichlich befremdlich wirken könnte, ist schon ein bisschen gaga - und eigentlich auch egal. Helene besucht, nachdem sie am Ende von Staffel eins einen Waldbrand ausgelöst und eine seltene Krötenart vernichtet hat, eine psychotherapeutische Tagesklinik, um einer härteren Strafe zu entgehen. Hier trifft sie auf ihren alten Therapeuten Dr. Berg-Berth (Roand Bonjour), der sie schon bei der Trennung ihrer Eltern als Kind betreute.

Sowohl der Psychologe als auch die Mitpatienten Hells werden ziemlich aus dem Konzept gebracht, wenn die neue Patientin ihr Wirken in der Einrichtung beginnt. Hells Zeit als Patientin wird allerdings in Rückblicken erzählt, denn eigentlich hat sie es mittlerweile erstmals zu etwas gebracht: Maike, Hells enge Jugendfreundin und der wandelnde Gegenentwurf zu deren wunderlichem Werdegang, hat ein Start-up gegründet und setzt auf einen Top-Investor (Eirik Sæther), vor dem Hell ihr ihr Leben als mögliches Business-Modell vorstellt. Überraschend findet der von all der juvenilen Aufbruchsstimmung gelangweilte Skandinavier Hell äußert interessant. Doch kann sie mit dem Erfolg umgehen?

Hell (Mala Emde, rechts) hat es mit ihrer "besonderen Herangehensweise" ans Leben ins Start-up ihrer Jugendfreundin Maike (Salka Weber) und deren Partner Jason (Madieu Ulbrich) geschafft. Dort soll sie einen Vortrag vor einem Top-Investor halten. (Bild: © good friends Filmproduktions GmbH)
Hell (Mala Emde, rechts) hat es mit ihrer "besonderen Herangehensweise" ans Leben ins Start-up ihrer Jugendfreundin Maike (Salka Weber) und deren Partner Jason (Madieu Ulbrich) geschafft. Dort soll sie einen Vortrag vor einem Top-Investor halten. (Bild: © good friends Filmproduktions GmbH)

Outfluencerin statt Influencerin

Es ist nicht so, dass "Oh Hell" als klassischer Schenkelklopfer taugen oder für ausgeprägte Lachkrämpfe sorgen würde. Dafür sind die Situationen, in die Hell gerät oder für die sie eher sorgt, zu bitter. Die beißende Gesellschaftskritik in Richtung einer maximal aufgeklärten, immer das Korrekte, Moderne und Fortschrittliche suchende Großstadt-"Generation Z" ist jedoch ziemlich präzise eingefangen. Die Dialoge von Autor Johannes Boss (Jahrgang 1983), der früher mit Benjamin Stuckrad-Barre und Christian Ulmen arbeitete, sind manchmal ein bisschen anstrengend, zeitgeistig und verkopft, aber auch immer wieder brillant. Mala Emdes großartiges Spiel füllt sie zudem immer wieder mit satten, wenn auch verwirrendem Leben.

"Oh Hell" ist ein künstlerisches Vorzeige-Projekt für den kleinen Streamingdienst Magenta TV. Gleichzeitig ist es eines der ungewöhnlichsten Comedy-Formate, das jemals aus deutscher Feder tropfte. Vielleicht braucht es die Erfindung einer "Outfluencerin", wenn die Welt da draußen nur noch aus positiven, stets gut gelaunten Infuencern besteht.

Helene (Romi Dörlitz, links) und Maike (Sury Hardt) kennen sich seit Kindesbeinen. Immer wieder mal springt die Erzählhandlung zum 14-jährigen Ich der beiden jungen Frauen zurück. (Bild: © good friends Filmproduktions GmbH)
Helene (Romi Dörlitz, links) und Maike (Sury Hardt) kennen sich seit Kindesbeinen. Immer wieder mal springt die Erzählhandlung zum 14-jährigen Ich der beiden jungen Frauen zurück. (Bild: © good friends Filmproduktions GmbH)