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Innenminister bei Abschiebungen nach Syrien uneins

Frühjahrskonferenz der Innenminister im badischen Rust.
Frühjahrskonferenz der Innenminister im badischen Rust.

Extremismus, Kindesmissbrauch, Hetze im Netz - die Innenminister von Bund und Ländern laufen im Kampf gegen das Verbrechen in vielen Punkten in dieselbe Richtung. Aber nicht in allen.

Rust (dpa) - Gemeinsam in der prallen Sonne auf dem Polizeiboot: Die Innenminister von Bund und Ländern haben sich am Donnerstag auf dem Rhein ein Bild gemacht von der deutsch-französischen Zusammenarbeit der Sicherheitsbehörden.

Das war nur ein Thema auf der Frühjahrskonferenz im badischen Rust, die noch bis Freitag geht. Nicht bei allem ist man sich einig.

Abschiebungen nach Syrien

Der 2012 verhängte generelle Abschiebestopp für Syrien war zum Jahreswechsel auf Betreiben der Innenminister von CDU und CSU ausgelaufen. Damit können die Behörden wieder in jedem Einzelfall die Möglichkeit einer Abschiebung prüfen, was insbesondere bei schweren Straftätern geschehen soll und bei Terror-Gefährdern. Es geschieht aber nichts. Ein halbes Jahr nach Auslaufen des Abschiebestopps hat die Bundesregierung noch niemanden dorthin zurückgeschickt. Das Thema ist ein grundsätzlicher Konflikt zwischen Union und SPD. «Wir müssen uns darüber unterhalten, ob wir die praktischen Möglichkeiten der Abschiebungen nach Syrien optimieren können», sagte der baden-württembergische Innenminister Thomas Strobl (CDU) der Deutschen Presse-Agentur. Er ist Gastgeber der Konferenz.

Unionsinnenminister wie Herbert Reul aus Nordrhein-Westfalen fordern Abschiebungen zumindest in Drittstaaten vorzunehmen, also in Nachbarstaaten von Syrien. Das Auswärtige Amt stelle sich da quer.

Den Auftrag, solche Möglichkeiten zu prüfen, hat die IMK dem Bundesinnenministerium bereits in der Vergangenheit erteilt - gebracht hat es nichts. Der Niedersachse Boris Pistorius (SPD), der für die SPD-Innenminister spricht, sieht hingegen keinen Gesprächsbedarf bei dem Thema. «Niemand hat etwas dagegen, einen Gefährder abzuschieben, wenn es denn ginge», sagte er. «Aber es scheitert an den faktischen Gegebenheiten.»

Sicherheit in Stadien

Kein Thema auf der offiziellen Tagesordnung, aber trotzdem brandaktuell: die missglückte Greenpeace-Aktion im Münchner EM-Stadion. Kurz vor dem Anpfiff des Fußballspiels zwischen Deutschland und Frankreich hatte ein Motorschirm-Flieger sich selbst und die Fans in der Arena mit einer Notlandung im Stadion in Gefahr gebracht.

Die Umweltorganisation entschuldigte sich für die Aktion. Das geht einigen CDU-Politikern nicht weit genug. Manche fordern, die Gemeinnützigkeit von Greenpeace auf den Prüfstand zu stellen. «Die müssen sich auch distanzieren. Entschuldigen und sagen "Tut uns leid" ist eine billige Nummer – die kann jeder», sagte Reul (CDU) der dpa. Man müsse mehr tun als bisher. «Denn der Mann hätte auch jemand mit einer Bombe sein können.» Strobl nannte die Aktion am Donnerstag hirnrissig und brandgefährlich. Greenpeace müsse Verantwortung übernehmen. Auch er zweifelt an der Gemeinnützigkeit.

Der SPD-Politiker Pistorius sagte dazu: «Das ist eine beliebte Forderung der Union, die immer dann kommt, wenn jemand unliebsame Aktionen startet.» Er ist gegen eine grundsätzliche Verschärfung der Sicherheitsmaßnahmen in Stadien. «Wir sollten auch aufpassen, dass wir unser Leben von einzelnen Vorfällen wie diesen nicht zu sehr einschränken lassen.»

Antisemitismus

Eine israelische Flagge brennt, ein Hakenkreuz an der Wand, aber wer steckt dahinter? Die Erfassung antisemitischer Straftaten soll genauer werden - dafür setzen sich Baden-Württemberg und Nordrhein-Westfalen auf der Konferenz ein. Antisemitische Straftaten werden bisher dem Phänomenbereich Rechts zugeordnet, wenn sich aus den Umständen der Tat keine gegenteiligen Anhaltspunkte ergeben. Es gehe nicht darum, den Rechtsextremismus zu bagatellisieren, sondern es brauche mehr Ehrlichkeit, sagte Reul. Man habe vor allem beim zugewanderten Antisemitismus zu lange geschlafen. «Wenn jemand aus einem Land kommt, in dem Israel auf der Landkarte gar nicht vorkommt, dann kann ich leider nicht davon ausgehen, dass er das hier sofort weiß und akzeptiert», erklärte Reul mit Blick auf die deutschen Verbrechen an jüdischen Mitbürgern und die Unterstützung der heutigen Regierung für den israelischen Staat. Er fordert mehr Bildungsangebote für Zuwanderer.

Aufnahme von Bundeswehr-Helfern

Die Nato zieht aus Afghanistan ab. Die einheimischen Ortskräfte, die dem deutschen Militär und der deutschen Polizei geholfen haben, fühlen sich deshalb von den Taliban bedroht. Deutschland müsse mehr von ihnen und ihren Familien aufnehmen, forderte SPD-Mann Pistorius auf der Konferenz. «Wir müssen denjenigen helfen, aus dem Land rauszukommen, die uns über viele Jahre geholfen haben.» Aktuell darf nur einen Antrag auf Aufnahme stellen, wer in den zwei Jahren zuvor etwa für die Bundeswehr oder die Polizei gearbeitet hat. Die ehemaligen Ortskräfte müssten zudem ihre Flüge selber zahlen und dürften ihre volljährigen Kinder nicht mitbringen, kritisierte Pistorius. Der CDU hält Pistorius eine mangelnde Empathie vor.

Geisel kann nicht teilnehmen

Wegen linker Ausschreitungen in Berlin fehlte der Berliner Innensenator Andreas Geisel in der Runde in Rust. Seine Amtskollegen nahmen am Donnerstag die Auseinandersetzungen um ein von Linksradikalen bewohntes Haus zum Anlass für eine gemeinsame Erklärung. «Gewalt ist niemals ein Mittel der politischen Auseinandersetzung und im demokratischen Meinungsstreit», schrieben sie. Am Mittwochvormittag hatten zahlreiche Vermummte Barrikaden errichtet, angezündet und die Polizei mit Steinwürfen angegriffen. Mehr als 70 Beamte wurden nach Polizeiangaben verletzt. Wer Polizisten angreife, greife die Gesellschaft als Ganzes an, erklärten die Minister. «Das akzeptieren wir nicht – egal, ob die Gewalt rechts- oder linksextremistisch oder islamistisch motiviert ist.»