"Stunde der Bewährung": Habeck warnt vor "Weltbrand" und "Armageddon" in Nahost
Infolge des Terrorangriffs der Hamas ist das israelische Militär zum Gegenschlag nach Gaza aufgebrochen. Bei "Markus Lanz" warnte Vizekanzler Robert Habeck vor den bitteren Folgen eines Flächenbrandes und äußerte sich im Zuge dessen offen zur Idee der Staatsräson.
Mit einer Zweidrittelmehrheit wurde in der UN-Vollversammlung vor wenigen Tagen eine Resolution verabschiedet, die Israel zu einer Feuerpause auffordert, um für bessere Bedingungen in Gaza zu sorgen. Die Terrororganisation Hamas wurde in dem Text jedoch mit keiner Zeile erwähnt. Während 14 Mitgliedsstaaten gegen die Resolution stimmten, enthielt sich Deutschland gemeinsam mit 44 anderen Staaten.
Bei "Markus Lanz" hat sich Vizekanzler Robert Habeck verständnislos in Bezug auf die Kritik an Deutschlands UN-Votum gezeigt: "Rausgehalten war es ganz sicherlich nicht, sondern ganz im Gegenteil." Gleichzeitig stellte er jedoch klar, dass es nicht möglich gewesen sei, der Resolution zuzustimmen, da er sie "für schlecht" halte. Journalist Giovanni di Lorenzo konterte daraufhin prompt: "Ich hätte mir ein 'Nein' gewünscht - ein klares 'Nein'."
Robert Habeck über Nahost-Krieg: "Die Hamas benutzt die Bevölkerung als Geisel"
In dem Zusammenhang sprach Lanz den weiteren Kriegsverlauf in Nahost an und fragte Habeck, ob er Verständnis für die Gegenoffensive Israels in Gaza habe. Der Grünen-Politiker antwortete, dass Israel durchaus das Recht habe, "sich zu verteidigen" und "die Hamas zu bekämpfen". Gleichzeitig machte Habeck deutlich, dass dies auch mit zivilen Opfern einhergehe, da die Hamas sich "hinter zivilen Einrichtungen" verschanze.
"So grausam alle Bilder sind und so schlimm jedes tote Kind ist (...), aber die Hamas benutzt die Bevölkerung selbst als Geisel, als Schutzschirm, und versteckt sich dahinter und produziert ja so quasi Bilder und auch zivile Opfer." Habeck ergänzte: "Ich sehe mit großer Sorge, was da passiert, und es ist eine Stunde der Bewährung für die internationale Diplomatie und für viele Politikerinnen und Politiker."
Robert Habeck: "Die Solidarität mit Israel schließt auch militärische Unterstützung mit ein"
Über das Prinzip der Staatsräson sagte Robert Habeck derweil entschlossen, dass Israels Sicherheit "eine Notwendigkeit" für Deutschland sei und es ein "Schutzversprechen" gebe, das es "wieder herzustellen und aufrechtzuerhalten" gilt. Lanz fragte daraufhin sichtlich besorgt: "Wenn dieser Flächenbrand entstünde, würde das bedeueten, dass wir im Zweifel auch mit der Bundeswehr, mit eigener Truppe, notfalls Israel zur Seite stehen würden?" Habeck antwortete zunächst knapp, dass durch politischer Unterstützung sowie Bereitstellung militärischer Ausrüstung versucht werde, den "Flächenbrand, der dann ja schnell ein Weltbrand werden kann" zu verhindern.
"Alle Kraft muss darauf gerichtet sein, genug Gesprächskanäle offenzuhalten, dass das nicht passiert", verdeutlichte Habeck. Er fügte im Gespräch mit Lanz hinzu: "Die Spekulation über ein Szenario, dass dann ja wirklich Armageddon-ähnlich sein könnte, dem möchte ich jetzt nicht Tür und Tor öffnen." Dennoch offenbarte Robert Habeck: "Die Solidarität mit Israel schließt natürlich auch militärische Unterstützung mit ein." Laut Habeck bestehe die "unmittelbare Gefahr (...) darin, dass andere Regierungen, andere militärische Gruppen eintreten in den Krieg." Um dieses Szenario zu umschiffen, werde hart dafür gearbeitet, "dass wir nicht eine Eskalation des Krieges bekommen".
Autorin Deborah Feldman fordert "Ende der Gewaltspirale"
Doch nicht nur mit Blick auf Israel sah Habeck eine Verpflichtung, der Deutschland nachkommen müsse. "Den Schutz jüdischen Lebens in Deutschland (...), das muss Aufgabe dieses Staates sein. Dem will ich mich voll verpflichten", sagte der grüne Vizekanzler. Dem entgegnete die Schriftstellerin Deborah Feldman jedoch: "Ich bin entsetzt, wie wir behandelt werden dürfen. (...) Sie schützen Juden in diesem Land selektiv!"
Laut Feldman fühlen sich viele Jüdinnen und Juden in Deutschland "alleine gelassen und gespalten", weil sie außerhalb "leerer Synagogen" keinerlei Schutz und Unterstützung von der Regierung erhalten. Ein Vorwurf, zu dem Robert Habeck kostatierte: "Die Angst, jüdisches Leben in Deutschland frei zu leben, ist zurück - eindeutig." Dies bedeute, dass "die Aufklärung und die Debatte und auch das Zurückdrängen des Antisemitismus in all seinen Formen - islamistisch, von rechts wie von links - Aufgabe dieser Stunde" sei.
Deborah Feldman wetterte jedoch weiter und sagte: "Herr Habeck, es gibt keine Sicherheit für Juden in der Welt, solange dieser Nahost-Konflikt weiter brodelt!" Die Schriftstellerin forderte deshalb ein "Ende der Gewaltspirale" und machte deutlich, dass es auf beiden Seiten "keine Rechtfertigung der Gewalt" gegen unschuldige Zivilisten gebe. "Wenn diese Eskalation der Gewalt nicht jetzt zu beenden ist, erleben wir möglicherweise eine dramatische, gefährliche Veränderung in der Welt und in unserer Gesellschaft, die wir vielleicht nicht mehr in den Griff kriegen", warnte Feldman. Darauf konterte Robert Habeck, dass es nicht die Schlussfolgerung sein könne, "bei dem Hinschlachten von Unschuldigen, bei dem brutalen Ausstellen von Gewalt" zu sagen: "Darauf reagieren wir alleine mit Friedfertigkeit."