Möglicherweise Spur bei Suche nach "Titan"-Tauchboot: Klopfgeräusche

Einsatzkräfte haben bei der Suche nach dem vermissten Tauchboot "Titan" im Atlantik möglicherweise ein Lebenszeichen der Insassen gehört.

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Kann das "Titan"-Tauchboot noch rechtzeitig gefunden werden? (Bild: OceanGate Expeditions/AP/dpa)

Suchteams hätten am Dienstag alle 30 Minuten eine Art Klopfgeräusche in der Region registriert, in dem das Tauchboot vermutet werde, hieß es in einem internen Memo der US-Regierung, aus dem der Sender CNN und das Magazin "Rolling Stone" in der Nacht zum Mittwoch (Ortszeit) zitierten.

Vier Stunden später, nachdem zusätzliche Sonargeräte eingesetzt worden seien, sei das Klopfen noch immer zu hören gewesen, hieß es weiter. Dem Memo zufolge war aber unklar, wann genau und wie lange das Geräusch zu vernehmen war. Ein späteres Update, das am Dienstagabend verschickt worden sei, berichte von weiteren Geräuschen, die aber nicht mehr als "Klopfen" beschrieben wurden, schrieb CNN.

Die US-Küstenwache teilte ebenfalls mit, dass ein kanadisches Suchflugzeug "Unterwassergeräusche" gehört habe. Tauchroboter seien in das Gebiet verlagert worden, um den Ursprung der Geräusche zu erforschen. Zunächst sei dies aber erfolglos geblieben.

Wenn die Geräusche tatsächlich von der "Titan" stammen, könnten die Insassen noch am Leben sein, wie der Meereskundler Simon Boxall von der Universität Southampton der BBC sagte. "Es gibt viele Geräuschquellen im Ozean, aber es macht Hoffnung. Ein Szenario, das jeder gefürchtet hat, war, dass das Tauchboot quasi implodiert ist. Es gibt also Anlass zur Hoffnung, dass es sich immer noch um eine Rettungsaktion und nicht nur um eine Bergungsaktion handelt."

Was passierte mit der "Titan"? Rätselraten um Ursache

Für die Rettungskräfte ist es weiter extrem schwierig, die vermisste "Titan" zu finden. Das Suchgebiet ist riesig, der Atlantik dort Tausende Meter tief, der Wasserdruck enorm und es dringt kaum Licht durch die Finsternis. Hinzu kommt, dass niemand genau weiß, was mit dem Tauchboot überhaupt passiert ist.

Das beste Szenario sei, wenn sich die "Titan" im Wrack der "Titanic" verfangen hätte, sagte der Meeresforscher Tim Taylor dem US-Sender NBC News. Denn in diesem Falle wäre das Boot am einfachsten zu finden.

Experten haben indes verschiedene Theorien aufgestellt, was passiert sein könnte. Erste Hoffnungen, das Tauchboot könne nach einem Strom- oder Kommunikationsausfall zur Oberfläche getrieben sein, scheinen sich nicht bestätigt zu haben. In solch einem Fall hätte die Besatzung eigentlich ein Radio zur Kontaktaufnahme verwenden können.

Eine Befürchtung ist aber, dass der Rumpf beschädigt wurde und es womöglich ein Leck gibt. Das Boot scheint nicht aus eigener Kraft vom Meeresboden aufsteigen zu können. Es muss also vermutlich hochgezogen werden. "Auch wenn das Tauchboot möglicherweise noch intakt ist, gibt es, wenn es tiefer als 200 Meter ist, nur sehr wenige Schiffe, die so tief vordringen können, und schon gar keine Taucher", sagte der U-Boot-Experte Alistair Greig vom University College London der BBC.

Uneinigkeit gibt es unter den Experten darüber, wie einfach eine Bergung wäre. Er bezweifele, dass Rettungsgefährte an der Luke des Tauchboots fest machen könnten, sagte Greig. Hingegen betonte Meeresforscher Taylor: "Das Boot vom Grund zu heben, ist nicht so schwer oder kompliziert, wie man denken könnte, wenn es noch intakt ist."

Nicht mehr viel Zeit

Die Zeit drängt: Schätzungen der Behörden zufolge dürfte der Sauerstoff nur noch bis Donnerstagmittag (MESZ) reichen - um 05.00 Uhr am Mittwoch waren es ungefähr noch 30 Stunden.

Das Unternehmen Oceangate bietet zahlungskräftigen Kunden eine abenteuerliche Reise - die Kosten für die insgesamt achttägige Expedition liegen bei 250.000 US-Dollar (229.000 Euro). Der Tauchgang selbst dauert eigentlich nur wenige Stunden. Das Unternehmen bewirbt die Fahrten mit dem Kohlefaser-Tauchboot laut BBC als Chance, "aus dem Alltag herauszutreten und etwas wirklich Außergewöhnliches zu entdecken".

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Zeichnung und Angaben zum vermissten U-Boot. (Grafik: A. Brühl, Redaktion: D.Loesche/B. Jütte)

An Bord ist unter anderem der französische Forscher Paul-Henri Nargeolet (77), der als einer der bekanntesten Experten für das Wrack des 1912 gesunkenen Luxusliners gilt und daher den Spitznamen "Mr. Titanic" trägt. Weitere Insassen sind der britische Abenteurer Hamish Harding (58), der mehrere Guinness-Weltrekorde hält, darunter den längsten Tauchgang im Marianengraben, dem mit elf Kilometern tiefsten Ort der Erde, sowie der britisch-pakistanische Unternehmensberater Shahzada Dawood (48) und dessen 19-jähriger Sohn Suleman. Der fünfte Vermisste ist Oceangate zufolge der Chef der Betreiberfirma Stockton Rush (61), der als Kapitän des Bootes fungiert hatte.

Das 6,70 Meter kleine und 10,4 Tonnen schwere Gefährt war auf dem Weg zum Wrack der Titanic und wird seit Sonntagvormittag (Ortszeit) vermisst. Etwa eine Stunde und 45 Minuten nach Beginn des Tauchgangs, der rund sieben Stunden dauern sollte, riss der Kontakt zum Begleitboot "Polar Prince" ab.

Aufsehenerregender Brief

Unterdessen hatten Führungskräfte der Tauchboot-Industrie einem Artikel der "New York Times" zufolge schon vor Jahren Sorgen bezüglich der Sicherheit der "Titan". "Wir befürchten, dass der aktuelle experimentelle Ansatz von Oceangate zu negativen Ergebnissen führen könnte (von geringfügig bis katastrophal)", schrieben sie in einem auf 2018 datierten Brief, den die Zeitung veröffentlichte. Darin wird Oceangate irreführendes Marketing vorgeworfen. Chef Stockton Rush wurde dazu aufgerufen, die "Titan" von einer unabhängigen Partei testen zu lassen.

Das passt zum Eindruck von Reporter David Pogue vom US-Sender CBS, der die Fahrt im vergangenen Jahr mitgemacht hatte. Er sagte der BBC, das Gefährt habe auf ihn einen improvisierten Eindruck gemacht. "Man steuert dieses U-Boot mit einem Xbox-Gamecontroller", sagte Pogue. Ein Teil des Ballasts bestehe aus Baurohren. Falls das Boot eingeklemmt werde oder Leck schlage, "gibt es kein Backup, keine Rettungskapsel", sagte er. Der ehemalige U-Boot-Offizier Frank Owen sagte der BBC, die größte Herausforderung für die Eingeschlossenen sei es, ruhig zu bleiben und nicht zu viel Sauerstoff zu verbrauchen.

Suche mit Flugzeugen und Schiffen

Die Suche nahe des "Titanic"-Wracks ging bis spät gestern Abend (Ortszeit) mit Flugzeugen und Schiffen weiter. Man verstärke die Suche unter Wasser, sagte John Mauger von der US-Küstenwache dem US-Sender CNN. Zunächst habe man sich auf die Wasseroberfläche konzentriert, indem mit Flugzeugen systematisch ein großes Gebiet abgeflogen worden sei. Auch Unterwasser-Fahrzeuge sollen mittlerweile angekommen sein. Dabei setzten die Rettungskräfte vor allem Sonar ein, um mögliche Geräusche von der "Titan" aufzufangen.

Flugzeuge der US-Nationalgarde und aus Kanada hätten die US-Küstenwache dabei unterstützt. Es sei bereits eine Fläche von rund 26.000 Quadratkilometern abgesucht worden, teilte die US-Künstenwache auf Twitter mit. Das ist größer als Mecklenburg-Vorpommern. Koordinator Frederick sprach von einem sehr komplexen Unterfangen. Ein Team aus Küstenwache, Angehörigen der US-Nationalgarde und kanadischen Streitkräften arbeite "rund um die Uhr" daran.

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Suchfeld für das vermisste Tauchboot: Vergleich der Größe mit Deutschland. (Grafik: A. Brühl, Redaktion: B. Schaller)

Navy schickt Bergungs-System

Die US-Navy schickt derweil ein Gerät zur Bergung des U-Boots. Wie eine Sprecherin der Deutschen Presse-Agentur sagte, soll das Tiefsee-Bergungssystem "Fadoss" in der Nacht zum heutigen Mittwoch (Ortszeit) in St. Johns im kanadischen Neufundland ankommen und dann weiter auf den Ozean transportiert werden. Die Navy beschreibt es als "tragbares Schiffshebesystem, das eine zuverlässige Tiefsee-Hebekapazität von bis zu 27 Tonnen für die Bergung großer, sperriger und schwerer versunkener Objekte wie Flugzeuge oder kleine Schiffe bietet." Es kann mit seiner Winde und Seil auf Schiffen installiert werden.

Acht weitere Schiffe sind auf dem Weg. Dazu gehörten vier Schiffe der kanadischen Küstenwache, das französische Forschungsschiff L’Atalante sowie die kanadische HMCS Glace Bay, die eine Dekompressionskammer und medizinisches Personal an Bord habe, teilte die US-Küstenwache gestern Abend (Ortszeit) mit.

Verunglückte Taucher müssen nach ihrer Rettung möglichst schnell in eine solche hyperbare Kammer gelangen, um bleibende Schäden zu verhindern. Wenn Menschen längere Zeit unter hohem Umgebungsdruck stehen, wie er in großer Wassertiefe herrscht, nehmen sie mehr Stickstoff auf als normal. Dies kann zu Gasblasen in Blut und Gewebe führen, die tödlich sein können, wenn sie ins Gehirn gelangen.

Eine Rettung kann aber erst angegangen werden, wenn das Boot lokalisiert ist. Das in zwei Hälften zerbrochene Wrack der "Titanic" liegt in rund 3800 Metern Tiefe. An der Stelle etwa 684 Kilometer südlich der kanadischen Insel Neufundland sind die Bedingungen äußerst schwierig. Es herrscht pechschwarze Dunkelheit, und der Wasserdruck ist groß.

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Karte mit Verortung des Wracks der Titanic. (Grafik: P. Massow; Redaktion: B. Jütte)

"Titanic"-Reisender kritisiert Touristenfahrten zum Wrack scharf

Ein US-Wissenschaftler hat die Touristenfahrten zum Wrack der "Titanic" scharf kritisiert. Bei der "Titan" handele es sich um ein "experimentelles Fahrzeug", sagte der Physiker Michael Guillen dem britischen Sender Sky News in einem am Mittwoch veröffentlichten Gespräch. "Das ist keine Fahrt in Disneyland. Das ist Mutter Natur. Das Meer ist gnadenlos", so Guillen. "Alles wird für Touristen zugänglich gemacht, und ich fürchte, wenn es um Geld geht und man mit Nervenkitzelsuchenden da draußen Gewinn machen kann, die bereit sind, das Geld zu zahlen, ist das ein Rezept für eine Katastrophe."

Guillen war im Jahr 2000 an Bord eines russischen Boots zu dem berühmten Wrack getaucht - und kam dabei nach eigener Aussage in Lebensgefahr. Am Heck sei das Tauchboot in eine schnelle Unterwasserströmung geraten, die es in die riesigen Propeller der "Titanic" gerammt habe, sagte der Wissenschaftler. "Unser U-Boot war im Vergleich zum Propeller wie eine riesige Mücke. Riesige Teile der 'Titanic' fielen auf uns herab, und ich wusste, dass wir in Schwierigkeiten sind."

Er habe bereits angefangen, sich mit seinem Tod auseinanderzusetzen, sagte Guillen. "Da war eine Stimme in meinem Kopf. Ich werde die Worte nie vergessen: 'So also wird es für dich enden.' Ich dachte an meine Frau, die ich nie wieder sehen würde." Doch schließlich ging alles gut. Der Pilot schaffte es, das Boot wieder frei zu bekommen.

Ehemalige "Titan"-Reisende loben Verantwortliche im Tauchboot

Ehemalige Mitreisende haben allerdings die Verantwortlichen an Bord des vermissten Tauchboots als echte Profis gewürdigt. Der Chef des "Titan"-Betreibers Oceangate Expeditions, Stockton Rush, und der "Titanic"-Experte Paul-Henry Nargeolet seien keine unzuverlässigen Kerle. "Das sind hochprofessionelle Leute", sagte der britische Manager Oisin Fanning, der nach eigenen Angaben mit beiden die Tour gefahren ist, dem Sender BBC Radio 4 am Mittwoch. "Sie werden vom ersten Tag an Energie gespart haben. Es würde mich also nicht wundern, wenn die Aktion viel länger andauern würde, denn sie wissen genau, was zu tun ist."

Dik Barton, der erste britische Taucher am "Titanic"-Wrack, nannte Nargeolet einen "äußerst fähigen Tauchboot-Piloten", der schon Dutzende Male die Überreste des berühmten Luxusdampfers besichtigt habe. "Ich habe gewaltigen Respekt vor ihm und seinen Fähigkeiten", sagte Barton dem britischen Sender ITV.

Zugleich betonte er, der Meeresboden des Atlantiks sei ein "gefährlicher" und "feindseliger" Ort, er habe sich bei seinen Expeditionen in Gefahr gefühlt. "Es gibt ein lokales Auf und Ab des Wassers, das sich bewegt, es ist nicht gleichmäßig", sagte Barton. Die Stärke des Tauchboots sei zudem begrenzt. "Die Triebwerke sind ziemlich stark, aber letztlich muss man Energie sparen, weil es sich um das Lebenserhaltungs- sowie das Navigationssystem handelt."

Titanic sank 1912 auf ihrer Jungfernfahrt

Die Titanic sank 1912. (Bild: Getty)
Die Titanic sank 1912. (Bild: Getty)

Die "Titanic" war 1912 auf ihrer Jungfernfahrt von Southampton nach New York im Nordatlantik gesunken. Mehr als 1500 der 2200 Menschen an Bord starben. Die Überreste des berühmten Luxusdampfers wurden 1985 entdeckt. Filme wie der Blockbuster "Titanic" (1997) mit den Hollywood-Stars Kate Winslet und Leonardo DiCaprio heizten das Interesse an der Katastrophe weiter an. Erst vor kurzem hatten Wissenschaftler mit Hilfe hochauflösender 3D-Bilder die bisher genaueste Darstellung des Wracks geboten.

Im Video: Erstes Titanic-Modell in Originalgröße - Neuer 3D-Scan zeigt jedes Detail