Ein Talk wie ein Frontalzusammenstoß: "Mit dem Vogel Hitler hab ich nichts zu tun!"

Zwischen Kurt Krömer und H.C. Strache flogen bei "Chez Krömer" erwartbar die Fetzen. (Bild: RBB)
Zwischen Kurt Krömer und H.C. Strache flogen bei "Chez Krömer" erwartbar die Fetzen. (Bild: RBB)

In seinem RBB-Talk "Chez Krömer" begrüßte Kurt Krömer mit H.C. Strache den Mit-Auslöser der "Ibiza-Affäre" und einen Gast, bei dem ein kommunikativer Frontalaufprall unvermeidlich war. Zwischen deftigen Beleidigungen in beide Richtungen setzte das Handy des österreichischen Ex-Vizekanzlers eine fast absurde Pointe.

Es gehört zum Konzept der RBB-Sendereihe "Chez Krömer", dass der Moderator dann und wann einen Gast begrüßen darf, auf den er sich freut. In der Regel ist aber das glatte Gegenteil der Fall, was nicht nur Kurt Krömer als eine Art Talkshowmasochisten erscheinen lässt, sondern auch die Frage aufwirft: Warum tun sich kontroverse Prominente den Gang in seine Verhörraum-Show eigentlich an?

Besonders laut hallt diese Frage nach Ansicht der aktuellen Folge nach, für die sich Krömer nicht einmal zur obligatorischen Schluss-Aufstellung am Pult bemüßigte. Er war grußlos abgerauscht und hatte seinen Gast H.C. Strache fast fluchtartig zurückgelassen: "Bleiben Sie ruhig hier!"

Dabei muss Heinz-Christian Strache, ehemaliger österreichischer Vizekanzler und Mit-Auslöser der sogenannten "Ibiza-Affäre", klar gewesen sein, worauf er sich einließ. "Haben Sie Angst, dass sie schlecht dastehen?", vergewisserte sich Krömer eingangs des Gesprächs, das einem kommunikativen Frontalzusammenstoß glich. "Das ist bei Ihnen ja gewährleistet", erwiderte der tief gefallene Spitzenpolitiker und sollte recht behalten.

"Ich bin ein Mensch mit vielen Fehlern", sagte H.C. Strache. Krömer konterte: "Eigentlich nur mit Fehlern."  (Bild: RBB/Carolin Ubl)
"Ich bin ein Mensch mit vielen Fehlern", sagte H.C. Strache. Krömer konterte: "Eigentlich nur mit Fehlern." (Bild: RBB/Carolin Ubl)

"Chez Krömer": H.C. Strache nennt Kurt Krömer "neurotisch" und "asozial"

Krömer blätterte, seiner bewährten Methode folgend, die prall gefüllte Skandalakte H.C. Strache durch - an sich schon eine Mammutaufgabe, zumal im Rahmen von nur 30 Sendeminuten. Zu seiner Vergangenheit in einer schlagenden und deutschnationalen Schülerverbindung sagte Strache: "Ich bin ein Mensch mit vielen Fehlern." Krömer konterte: "Eigentlich nur mit Fehlern." Positives sei der Redaktion bei tagelanger Recherche kaum untergekommen.

Krömer sprach sodann ein Treffen der inzwischen verbotenen neonazistischen Wiking-Jugend an, an dem Strache an Silvester 1989 teilgenommen hatte. "Gab's beim Bleigießen ein Hakenkreuz?" Strache bemüht jovial: "Mit Sicherheit nicht." Und dann mit Ernst in der Stimme: "Wenn's um das Thema geht, habe ich eine ganz klare Abgrenzung in meinem Leben gefunden, weil ich mit den Verbrechen des nationalsozialistischen Regimes nichts zu tun haben will." Krömer machte sich einen eigenen Reim: "Lupenreiner Nazi, aber ohne Hakenkreuz."

Strache feuerte zurück. Solche Vorwürfe seien nichts weniger als "eine Relativierung des grausamsten Verbrechens der Menschheitsgeschichte", Krömers Unterstellungen nannte er "neurotisch" und "asozial". Strache: "Jeder, der Deutsch spricht und Familienvater ist und kein Kommunist, ist bei ihnen ein Nazi." Später reagierte er auf eine neuerliche Provokation Krömers: "Mit dem Vogel Hitler hab ich nichts zu tun!" Krömer: "Man muss immer dazu sagen, dass sie was gegen Hitler haben, aber trotzdem ein Nazi sind."

"Glauben Sie den Schwachsinn selbst, den sie erzählen?" Kurt Krömer (rechts) war nach seinem Gespräch mit H.C. Strache erkennbar bedient. (Bild: RBB/Carolin Ubl)
"Glauben Sie den Schwachsinn selbst, den sie erzählen?" Kurt Krömer (rechts) war nach seinem Gespräch mit H.C. Strache erkennbar bedient. (Bild: RBB/Carolin Ubl)

H.C. Strache zur "Ibiza-Affäre": "Jeder einzelne Punkt ist falsch"

Der gleiche Schlagabtausch, als es um Straches Spesenskandal ging. "Falsch!", "Verleumdung", "Eine Unwahrheit und Lüge!", knurrte der 2019 aus der FPÖ ausgeschlossene Politiker. "Aber das passt zu ihrem Niveau. Sie verkörpern den humoristischen Triebtäter gegen alles, was nicht links ist." Krömer stellte ein Detail klar: "Das kommt vom Staatsanwalt, Herr Strache, das habe ich mir nicht aus der Nase gezogen!"

Strafrechtlich sieht sich Strache jedoch auch in Sachen "Ibiza-Affäre" auf der sicheren Seite. "In der Gesamtdokumentation" der vollen sieben Stunden sehe man, "dass ich eben nicht käuflich bin", kommentierte er das heimlich gefilmte Skandalvideo von 2019, das zum Bruch der österreichischen Regierungskoalition führte. "Wer hat Sie verraten?", wollte Kurt Krömer wissen. "Keine Ahnung, wer dahintersteckt", erwiderte Strache, wiewohl er Andeutungen gegen den damaligen Kanzler Sebastian Kurz streute ("Er gab 2017 einen Hinweis - in der Nachbetrachtung interessant").

"Dinge, die vielleicht nicht strafrechtlich relevant waren, aber moralisch tief blicken lassen", führte der Gastgeber aus dem "Ibiza"-Video an, darunter das Versprechen von Bauaufträgen und die angeregte "Übernahme der 'Kronen'-Zeitung durch die Oligarchin". "Jeder einzelne Punkt ist falsch, weil die Semantik und der Kontext ein völlig anderer war", behauptete Strache, dass man die vollen sieben Stunden der Aufzeichnungen kennen müsse, um die geäußerten Zitate richtig einzuordnen. Dass Krömer dies nicht tue, zeige "das Framing und dass sie der kleine Bruder vom Böhmermann sind, dem Staatskünstler".

Krömer: "Da kommt der Fehler auf zwei Beinen aus Österreich!"

Überhaupt seien "nach drei Jahren sieben Ermittlungsverfahren" gegen ihn "eingestellt worden", triumphierte der Skandalpolitiker. "Immer die gleiche Leier", stöhnte sein Gegenüber. "Scheiße gebaut am laufenden Band, aber Sie sind nicht korrupt, Sie sind kein Nazi, Sie sind einfach nur dafür, dass alle Ausländer das Land verlassen. Glauben Sie den Schwachsinn selbst, den sie erzählen? Wie sollen wir Sie denn darstellen?", wirkte der Gastgeber ehrlich verzweifelt. "Menschlich, mit allen Fehlern, die jeder hat", kam die Antwort. Krömer nahm die Anregung dankend auf: "Da kommt der Fehler auf zwei Beinen aus Österreich!"

Ganz sicher konnte man sich nach all dem nicht sein, ob man diese surreal anmutende Gesprächskarambolage nicht nur geträumt hatte. Auch weil es neben Rechtsextremismus und Korruption am Rande auch um ein Handyspiel ging. Die horrenden Summen für die App "Clash of Clans" ("Mit meinem lieben Sohn spiele ich seit vielen Jahren, und wir sind ... ja: Legenden!") habe er anders als unterstellt sämtlich aus eigener Tasche beglichen, versicherte H.C. Strache. Minuten später machte sich sein auf dem Studiotisch liegendes Smartphone bemerkbar. Kurt Krömer las ungeniert die Push-Nachricht: "Nein, ist nicht Ihr Ernst! Sie haben gerade eine Mitteilung gekriegt von 'Clash of Clans'!" Man hätte es sich nicht ausdenken können.

"Chez Krömer" mit dem Gast H.C. Strache ist abrufbar bei YouTube und in der ARD-Mediathek. Der RBB zeigt die Folge im Dritten am Dienstag, 8. November, um 22.15 Uhr.