"Tatenlosigkeit keine Option": Neuester Weltklimabericht wurde abgesegnet
Nach zähem Ringen hat sich der Weltklimarat am Sonntag auf den neuen Synthesebericht über den Klimawandel geeinigt. Vorausgegangen war ein erbitterter Streit zwischen reichen Staaten und Entwicklungsländern über Emissionsziele und Finanzhilfen für die Länder, die am meisten von den Folgen der Erderwärmung betroffen sind.
Hunderte renommierte Forschende aus der ganzen Welt hatten das Dokument jahrelang ausgearbeitet. Der Bericht gilt als wichtigste Wissensgrundlage zum Thema Klimawandel und Basis für kommende Klimaverhandlungen.
Eigentlich sollte er schon Freitag zum Abschluss der einwöchigen Tagung im schweizerischen Interlaken von den Regierungsdelegationen angenommen werden. Doch die Beratungen dauerten bis Sonntagabend. Bis zum Schluss wurde über die Formulierung von Schlüsselsätzen im Text gefeilscht.
Es handelt sich um das Abschlussdokument des sechsten Sachstandszyklus des Weltklimarats (IPCC). In dem Zyklus sind seit 2018 sechs Einzelberichte erschienen. Die Forschungsarbeiten für den Bericht wurden nach der Einigung auf das Pariser Klimaabkommen im Jahr 2015 gestartet.
Die UNO plant, den Bericht am heutigen Montagnachmittag auf einer Pressekonferenz in der Schweiz vorzustellen.
Dass ein wissenschaftlicher Bericht vor der Veröffentlichung von den Ländern einstimmig abgesegnet werden muss, ist ungewöhnlich. So soll sichergestellt werden, dass die Regierungen den Text als verbindliche Grundlage für ihr Handeln und ihren Kampf gegen den Klimawandel akzeptieren.
Was ist der IPCC-Bericht?
Seit seiner Gründung im Jahr 1988 hat der Weltklimarat (IPCC) bereits sechs Berichte dieser Art veröffentlicht. Sie sind die umfassendsten und verbindlichsten Erkenntnisse über den menschengemachten Klimawandel.
Der Weltklimarat ist eine zwischenstaatliche Einrichtung mit 195 Mitgliedsländern. Das Ringen um die Texte ist zäh, aber was schließlich verabschiedet wird, hat Bestand. Und da die Folgen des Klimawandels immer verheerender werden, steigt auch die Bedeutung des Berichts.
Was können wir vom neuesten IPCC-Bericht erwarten?
Alle fünf bis sieben Jahre veröffentlicht der IPCC eine Reihe von Berichten, in denen die neuesten Erkenntnisse über den Klimawandel zusammengefasst werden. Die Texte sind das Ergebnis der Forschungen von drei verschiedenen Arbeitsgruppen, die sich mit der Wissenschaft des Klimawandels, seinen Auswirkungen und möglichen Lösungen befassen.
Darüber hinaus hat der Rat 14 Sonderberichte veröffentlicht, die sich auf bestimmte Bereiche wie Luftfahrt, Emissionen und Ozeane konzentrieren.
Der neueste Synthesebericht des IPCC ist das letzte Papier des Zyklus und stützt sich auf Informationen aus den sechs bisher veröffentlichten Berichten, in denen die wichtigsten Punkte aus den drei Arbeitsgruppen hervorgehoben werden.
Jeder dieser Berichte enthielt eindeutige Aussagen über die Realität des Klimawandels, vom "eindeutigen" Konsens über die Verursachung des Klimawandels durch den Menschen bis hin zu den Risiken für die Hälfte der Menschheit. Der heutige Bericht wird wahrscheinlich ähnlich warnende Schlagzeilen enthalten.
Wer schreibt den IPCC-Bericht?
Der IPCC setzt sich aus 195 Mitgliedsländern zusammen. Hunderte von Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern bündeln ihre Expertise, um Erkenntnisse über den Klimawandel aus der ganzen Welt zu sammeln. Sie prüfen unzählige Daten und die Ergebnisse jahrelanger Studien und Tests. Im Bericht fassen sie die Kernaussagen der Studien zusammen.
Die Berichte sind eine Teamarbeit zwischen den Regierungen der Mitgliedsländer und den Forschenden. Jede Zeile eines Berichts muss von allen IPCC-Mitgliedern ausgehandelt und genehmigt werden.
Eine Analyse des britischen Nachrichtenmagazins Carbon Brief zeigt, dass in den letzten 30 Jahren immer mehr Frauen und auch Forschende aus dem globalen Süden im IPCC vertreten sind. Sie sind jedoch immer noch unterrepräsentiert.
Im Jahr 1990 waren weniger als zehn Prozent der 100 Autor:innen Frauen und weniger als 20 Prozent kamen aus dem globalen Süden. Den aktuellen Bericht schrieben 700 Autor:innen, von denen 30 Prozent Frauen sind und mehr als 40 Prozent aus dem Globalen Süden kommen.
Warum brauchen wir die Weltklimarat-Berichte?
Die Ergebnisse der Forschungen des Weltklimarats werden von Regierungen, Unternehmen und Gemeinden - also von allen, die die Ursachen und Auswirkungen des Klimawandels verstehen wollen - genutzt, um Entscheidungen für die Zukunft zu treffen.
Die Berichte zeigen die Realität des Klimawandels auf und schlagen Maßnahmen vor, die alle Länder ergreifen müssen, um die Erderwärmung zu verlangsamen.
Der IPCC-Vorsitzende Hoesung Lee sagte auf einer Sitzung des Gremiums, dass der Synthesebericht ein "grundlegendes politisches Dokument für die Gestaltung der Klimamaßnahmen in den verbleibenden Jahren dieses entscheidenden Jahrzehnts" werden wird.
Die Berichte des Klimarats sind also auch politisch enorm wichtig, sie gelten als eine Art wissenschaftliches Gesetz. Bei der nächsten Weltklimakonferenz Ende 2023 in Dubai wird das aktuelle Papier Grundlage der Verhandlungen sein – die darin enthaltenden Fakten gelten für alle Teilnehmenden als unwiderlegbar und dürfen nicht mehr infrage gesellt werden.