Tatort: Das Leben, dieses kleine Luder

Gestern hieß es Abschiednehmenn vom Konstanzer Tatort: Nach 31 Folgen und 14 Jahren ist Schluss. Kommissarin Klara Blum, gespielt von Eva Mattes, tritt ab und mit ihr Sebastian Bezzel alias Hauptkommissar Kai Perlmann, der seine Vorgesetzte übrigens bis zuletzt siezte.

Der letzte Fall:  “Wofür es sich zu leben lohnt”, unter der Regie von Aelrun Goette, ist eine Suche nach dem Täter - und nichts weniger als dem Sinn des Lebens. Der Titel ist durchaus wörtlich zu nehmen. Nicht zuletzt, weil sich die Kommissarin mit einer schrecklichen Diagnose konfrontiert sieht: Herzmuskelriss, zwei unbemerkte Herzinfarkte. “Vielleicht ist endlich Zeit für etwas Neues”, so ihre Feststellung. “Vielleicht”, kontert Kollege Perlmann, “haben wir Glück, und einer von uns beiden wird beim nächsten Einsatz erschossen”. Soviel vorweg: Keiner der beiden stirbt. Nicht in dieser Folge.

Dafür sterben gleich zwei denkbar unsympathische Männer: Ein toter rechtsextremer Populist verblutet auf einem Boot zwischen Fackeln und Blumen, ein Anlagebetrüger wird vergiftet, dann folgt noch eine Erpressung, bei der der Chef einer Billigmodekette unter Druck gesetzt wird… dazwischen affektierte Witwen. Und über allem die Frage: Wie passt das zusammen?

Grenzüberschreitend, mit den Schweizer Kollegen Matteo Lüthi (Roland Koch) und Eva Glogger (Isabelle Barth), ermitteln die Konstanzer. Und landen schließlich, weil der tote Rechtspopulist mit seltenen Blumen dekoriert war, in einer heruntergerockten Gärtnerei bei drei alten Damen: Bühne frei für Catharina (Hanna Schygulla), Isolde (Irm Hermann) und Margarethe (Margit Carstensen) – drei legendäre Schauspielerinnen, mit denen Mattes schon bei Rainer Werner Fassbinder („Die bitteren Tränen der Petra von Kant“) gespielt hat.

Die Frauen: Ihnen gehört dieser Tatort. Männer sind in der Abschiedsfolge nur Beiwerk – oder tot. “Wegen Männern wie Ihnen ist die Welt, in der wir leben, nicht mehr zu ertragen”, dieses Zitat ist bezeichnend für den ganzen Krimi: Denn bessere Welt, das bedeutet für die drei gealterten Hippies: weniger Männer, weniger Populisten, weniger Kapitalisten. Die Mörderinnen sind wohl immer die Gärtnerinnen…Statt Hinweisen sucht Klara Blum Nähe. Schließlich befreundet sie sich mit den skurrilen Ladies, die gemeinsam in ihrem Hexenhäuschen in einer WG hausen, findet Trost, Verständnis – und vielleicht ihren Alterssitz für den Kommissarinnen-Ruhestand…

Der Abschied: spielt eine ganz zentrale Rolle in diesem Tatort, die Vergänglichkeit des Lebens, Verfall, aber auch die Macht des Alters, ein letztes Aufbäumen: “Die Angst vor dem Tod kommt in Wellen”, “Ich hatte mit 30 zum erstem Mal Krebs, ich habe mich daran gewöhnt”, “Sie müssen sich jetzt schonen”. Die Botschaft in allem: Nicht nur der Konstanzer Tatort geht vorüber, auch mit dem Leben ist es irgendwann vorbei und oft schneller, als einem lieb ist. “Das Leben ist flüchtig, flatterhaft, empfindlich. Eine ganz schöne Zicke ist das Leben. Aber sie ist auch die Schönste aufm Ball. Alle wollen doch nur das Leben spüren, dieses kleine Luder. Prost, auf uns!” Die Worte von Hannah Schygulla alias Catherina sind ein letzter Abschiedsgruß vom Bodensee.

Das Ende: Kommt unspektakulär, ohne viele Worte. Die Kommissarin fährt davon, im Kofferraum ein Teppich.

Was bleibt: Das Gefühl, dass der Schlussstrich zur richtigen Zeit kommt. Dieser Tatort ist ein würdiger Abschied für Blum, deren Fälle allzu oft zäh, verstaubt und dröge dahinplätscherten. Spaß hat das nicht immer gemacht. Anders als dieser letzte Tatort mit seinen charmanten, herrlich überdrehten Figuren. Nun werden die alten Wände buchstäblich eingerissen, das Konstanzer Polizeirevier, die Filmkulisse, wurde im letzten Bodensee-Tatort zerstört. Aufbruchstimmung, die nötig ist.

Trost zum Schluss: Das neue Team aus dem Schwarzwald steht schon in den Startlöchern, mit dabei Hans-Jochen Wagner (47), Eva Löbau (44) und Harald Schmidt (59).

 

Foto: SWR/ Patrick Pfeiffer