"Tatort: Pyramide": Vorsicht Trickbetrüger! So funktionieren Strukturvertriebe
Im Kölner "Tatort: Pyramide" mussten die moralfesten Ermittler Ballauf (Klaus J. Behrendt) und Schenk (Dietmar Bär) einen Strukturvertrieb für Finanzdienstleistungen ausheben, der komplett aus dem Ruder gelaufen war. Wie funktioniert das Geschäftsmodell und auf welche Weise kann man sich schützen?
Wenn Ihnen Freunde und Bekannte hohe Gewinne aus Finanzgeschäften versprechen, mit denen sie selbst reich werden wollen und für die sie am besten auch in Ihren Kreisen werben sollen, ist Vorsicht geboten. Hätte das Ensemble im "Tatort: Pyramide" auf diese Warnung gehört, das kollektive Leid hätte sich in Grenzen gehalten. Der Kölner Fall mit Ballauf (Klaus J. Behrendt) und Schenk (Dietmar Bär) wandelte mitunter am Rand der Satire. Doch er beschrieb ein betrügerisches Geschäftsmodell ziemlich anschaulich. So können Sie sich selbst vor der Masche Strukturvertrieb schützen!
Worum ging es?
Lange hat man nicht mehr einen so widerlichen TV-Fiesling gesehen wie Christopher Kormann (Robin Sondermann), Chef des Finanzdienstleisters Concreta. Der ehemalige Bundeswehrsoldat und werdende Vater Andrè Stamm (Rouven Israel) wollte seiner Frau Anja (Roxana Samadi) ein besseres Leben bieten. Da traf es sich gut, dass ihn sein ehemaliger Kamerad Rocko (Oleg Tikhomirov) ansprach, mittlerweile bei Concreta zum Topverkäufer aufgestiegen.
Andrès Probearbeiten als Telefonverkäufer lief super. Deshalb durfte der junge Mann bei Chef Kormann vorstellig werden, der ihm als "Toptalent" ein Angebot machte: Wer ordentlich verkauft - bei winzigem Grundgehalt - hat bald ausgesorgt. Als Andrès Anfangserfolge erlahmten, sollte er an Familie und Freunde verkaufen. Eine Idee mit fatalen Folgen. Dazu lag ein Verbraucheranwalt tot in seiner Kanzlei.
Worum ging es wirklich?
Strukturvertriebe, verwandt mit dem berühmt-berüchtigten Schneeballsystem, funktionieren immer gleich: Bei Erfolg (des Systems) wird oben verdient - wenn unten viele mitmachen. Gemein wird es, wenn die Mitglieder der Kette Freunde und Verwandte ins Boot holen, die ihr Geld ins System investieren sollen: Entfremdung, Wut, Enttäuschung im privaten Kreis sind dann quasi vorprogrammiert.
Dass man die Finger von solchen Deals lassen sollten, brachte das Drehbuch des Autorenduos Arne Nolting und Martin Scharf ("Club der roten Bänder") stark rüber. Dazu passte es gut, dass dieser Fall in Köln spielte. Die altvorderen Kommissare Ballauf und Schenk sind bekannt für ihren klaren moralischen Kompass. Der funktionierte als wunderbares, wenn auch fassungsloses Korrektiv zur Welt der Finanztrickser und Betrüger.
Was genau macht ein Strukturvertrieb?
Strukturvertriebe sind nicht per se unseriös oder gar kriminell, sie fördern jedoch nicht unbedingt die besten Seiten des Menschen. Charakteristisch ist der pyramidenartige Organisations-Aufbau: An der Spitze steht ein sogenannter Strukturkopf, zum Beispiel eine Vertriebsgesellschaft, die durch einen Vertrag mit Untervermittlern die pyramidenförmige Struktur vorgibt und neu angeworbene Vermittler in diese einstuft. Neueinsteiger beginnen üblicherweise auf der untersten Stufe.
Provisionen werden nach oben weitergegeben, das heißt: Je höher man in der Pyramide aufsteigt, desto mehr Gewinne kassiert man. Vorausgesetzt, es gibt überhaupt Gewinne. Beim fiktiven Kölner Finanzdienstleister Concreta legten Menschen Gelder an und hofften auf deren Vermehrung - was jedoch nicht eintrat. Stattdessen waren die Investments weg. Nur die oberen Mitglieder der Pyramide, vor allem Chef Kormann, behielt die Provisionen der Basis.
Gibt es bekannte Beispiele - und wie kann man sich schützen?
Gerade bei Finanzdienstleistungen und Versicherungen spielen Strukturvertriebe nach wie vor eine erhebliche Rolle, sagen Wirtschaftsexperten. Die Kriminalpolizei warnt auf ihrer Webseite vor Strukturvertrieben (etwa Schenkkreisen) und erwähnt das Prinzip auch im Zusammenhang mit Sekten, die nach ähnlichem Prinzip funktionieren. Auch Drückerkolonnen sind oft Strukturvertriebe. Pyramidenmodelle funktionieren nicht selten ausschließlich durch die Anwerbung einer regelmäßig wachsenden Teilnehmerzahl, weil das Geschäftsmodell selbst häufig nicht tragfähig ist.
Deshalb Vorsicht bei Jobanzeigen, in denen schneller Reichtum und hohe Provisionen versprochen werden. Meist richten sich solche Annoncen an Menschen, die finanziell nicht auf Rosen gebettet sind. Auch der im Film vorgeführte zweite Schritt, dass man, um mehr Abschlüsse zu erzielen, im Freundes- und Bekanntenkreis wirbt und verkauft, ist typisch und besonders perfide. Am besten also: Finger weg von allen Angeboten dieser Art!
Kamen Ihnen diese Schauspieler bekannt vor?
Drei Mitglieder des - bis auf Ballauf und Schenk - für einen "Tatort" ungewöhnlich jungen Casts könnte man schon mal in anderen Serien in durchaus prominenten Rollen gesehen haben: Rouven Israel (29), der den jungen Möchtegern-Aufsteiger Andrè Stamm spielt, war in der VOX-Serie "Club der roten Bänder" Marvin, Kumpel der Serienhauptfigur Alex (Timur Bartels). Außerdem sah man ihn - mit deutlich mehr Gewicht - als Jugendlichen in Serien wie "Bruder - Schwarze Macht" oder in den Staffeln drei und vier von "Der Lehrer".
Seine Rollenfrau Anja wird von Roxana Samadi gespielt. Die 23-Jährige war Rasaq in der vielfach preisgekrönten Girls Gang-Serie "Para - Wir sind King". Bleibt Andrès Ex-Bundeswehr-Kamerad, der in ins Unternehmen holt: Rocko wird von Oleg Tikhomirov (35) gespielt, der regelmäßig osteuropäische Bösewichte gibt. So zum Beispiel in Meret Beckers Abschieds-"Tatort", wo er als Kopf der Russenmafia-Famile zu sehen war. Auch im Stuttgarter "Tatort: Zerrissen", der am kommenden Sonntag läuft, übernimmt Tikhomirov eine größere Rolle.
Krimi kurios: Die verrücktesten "Tatort"-Folgen aller Zeiten
Wie geht es beim Kölner "Tatort" weiter?
Noch zwei weitere Kölner "Tatort"-Einsätze sollen 2024 folgen. Im "Tatort: Dieses Mal ist es anders" (Autor: Wolfgang Stauch, Regie: Torsten C. Fischer) ist Max Ballauf schwerstens verliebt - in Nicola Koch (Jenny Schily), Herausgeberin des Stadtmagazins "Cologne Alive". Lenkt ihn das von den Ermittlungen im Mordfall eines Arbeitslosen ab, in dessen Wohnung riesige Mengen Bargeld gefunden werden? Die Antwort lautet: ja.
Im Fall "Tatort: Die neunte Etage" (Autoren: Volker und Eva Zahn, Regie: Hüseyin Tabak) geht es dann nach der Sommerpause um einen Tod im Großbordell. Der Haustechniker kommt durch einen Fenstersturz ums Leben. Die Kommissare ermitteln im größten Freudenhaus Kölns, einem Mikrokosmos jenseits der Gesellschaft.
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