Thüringer Staatskanzlei: CDU traf konkrete Absprache mit AfD

Hat die CDU über ihren Umgang mit der AfD bei der jüngst beschlossenen Steuersenkung in Thüringen öffentlich gelogen? Die Staatskanzlei von Ministerpräsident Bodo Ramelow (Linke) bezichtigt die Christdemokraten, mit der rechtsextremen Partei gezielte Absprachen zur Landtagsabstimmung getroffen zu haben. Die CDU hat dies kategorisch bestritten.

Staatskanzleichef Benjamin-Immanuel Hoff (Linke) bejahte im Berliner «Tagesspiegel» (Samstag) die Frage, ob er Hinweise auf konkrete Absprachen der beiden Parteien habe. «CDU, FDP und AfD haben sich am Donnerstag gezielt abgestimmt», sagte er weiter. «Es wurden parallel eigene Punkte von der Tagesordnung genommen, um dann die Grunderwerbsteuer behandeln zu können. Alle drei haben gemeinsam die Beschlussempfehlung im Haushaltsausschuss abgegeben. Die AfD hat im Vorfeld öffentlich klargestellt, dass sie das Vorhaben unterstützen wird.» Er fügte hinzu: «Es gibt seit geraumer Zeit Absprachen, die augenfällig sind.»

Was passierte - und was die CDU sagt

Die oppositionelle CDU hatte am Donnerstag im Landtag eine Senkung der Grunderwerbsteuer beim Immobilienkauf durchsetzen können, weil die rechtsextreme AfD, die FDP und fraktionslose Abgeordnete zustimmten - die rot-rot-grüne Regierung hat keine eigene Mehrheit. Sowohl CDU-Landes- und Fraktionschef Mario Voigt als auch der Bundesvorsitzende Friedrich Merz hatten danach erklärt, es habe keinerlei Absprachen mit der AfD gegeben. Generalsekretär Carsten Linnemann beteuerte: «Es gab 0,0 Kontakt zur AfD.» Der CDU-Parlamentsgeschäftsführer Andreas Bühl sagte der «Frankfurter Allgemeinen Zeitung» (Samstag), er habe am Donnerstag - wie an jedem Plenartag, falls angebracht - seine Amtskollegen der anderen Fraktionen lediglich darüber informiert, dass die CDU einen anderen Tagesordnungspunkt zurückziehe.

Friedrich Merz (Bild: Getty)
Friedrich Merz (Bild: Getty)

Das Lager von SPD, Grünen und Linken hatte auf das Vorgehen der CDU empört reagiert. In der Union hingegen kritisierte von den aktiven Politikern bisher nur Schleswig-Holsteins Ministerpräsident die Thüringer Parteifreunde. Im ZDF bekräftigte Daniel Günther am Freitagabend: «Ich halte das für eine schwerwiegende Fehlentscheidung, die da getroffen worden ist. Für mich gilt unumstößlich, dass es jegliche Form des Zusammenwirkens mit der AfD nicht geben darf, gerade in Thüringen, eine ja rechtsextreme Partei.»

Nun mehr Kritik auch in der CDU

Nun schloss sich ihm der CDU-Bundestagsabgeordnete Kai Whittaker an. «Verstößt das gegen den Unvereinbarkeitsbeschluss der CDU und damit das Ende der «Brandmauer» zur AfD? Ich finde: Ja, das gestrige Verhalten war falsch», schrieb er auf der Plattform X (vormals Twitter).

Der entsprechende CDU-Parteitagsbeschluss von 2018 lautet: «Die CDU Deutschlands lehnt Koalitionen und ähnliche Formen der Zusammenarbeit sowohl mit der Linkspartei als auch mit der Alternative für Deutschland ab.»

Whittaker argumentierte: «Das Problem ist NICHT, dass die AfD dem CDU-Antrag zugestimmt hat. Sondern dass er AUSSCHLIESSLICH durch die Stimmen der AfD eine Mehrheit bekam. Damit gibt es im Ergebnis keinen Unterschied mehr zu der parlamentarischen Arbeit von Koalitionsfraktionen. Das ist der Verstoß.» Zugleich warnte er davor, «ständig die CDU unter einen Generalverdacht zu stellen, als ob da nur noch verkappte Nazis rumrennen». Diesen Respekt erwarte er von allen anderen Parteien.

Linkes Lager vermutet bewusste Strategie

Bei der politischen Konkurrenz hält die Aufregung an. Die SPD-Vorsitzende Saskia Esken bezog sich in «Stuttgarter Zeitung»/«Stuttgarter Nachrichten» (Samstag) auf die Aussage des CDU-Chefs, dass die «Brandmauer» zur AfD stehe: «Wie viel ist das Wort von Friedrich Merz in der CDU noch wert und wo bleibt der Aufschrei innerhalb der Union?», fragte sie. Der Grünen-Politiker und Europaausschuss-Vorsitzende Anton Hofreiter vermutet hinter dem Schritt der Thüringer CDU-Fraktion eine bewusste und zentral gelenkte Strategie: «Diesem Agieren bereitet Merz von Berlin aus den Weg», sagte er der «Augsburger Allgemeinen» (Samstag).

Der CDU-Vizevorsitzende Jens Spahn drang auf ein Ende der Diskussion. «Den größten Gefallen, den man gerade der AfD tun kann, ist, diese Debatte noch drei Wochen so zu führen, dann hat sie nochmal zwei Prozent mehr», sagte er der «Frankfurter Rundschau» (Samstag).

Alt-Bundespräsident Gauck bleibt gelassen

Alt-Bundespräsident Joachim Gauck sieht das anders. «Ich würde sofort laut aufschreien, wenn in der Union Stimmen kämen, mit dieser AfD zu koalieren oder substanzielle Absprachen zu treffen», sagte Gauck am Freitagabend in Berlin bei einer Veranstaltung des Nachrichtenportals «The Pioneer». «Aber bei nüchterner Betrachtung sehe ich nicht eine Weichenstellung.» Gaucks Fazit: «Wenn man unverdächtig ist, mit denen zu koalieren, dann kann das manchmal in Sachfragen so passieren wie jetzt.»

VIDEO: Empörung über gemeinsames Vorgehen von CDU und AfD in Thüringen