The Cube: Welchen Einfluss hatte Desinformation auf die türkischen Wahlen?
Die Türkei steht vor einer Stichwahl, nachdem weder Präsident Recep Tayyip Erdogan noch sein Herausforderer Kemal Kilicdaroglu bei den Präsidentschaftswahlen am Sonntag die nötige Mehrheit erringen konnten. Da kein Kandidat mehr als 50 % der Stimmen erhalten hat, wird es zum ersten Mal in der Geschichte des Landes eine Stichwahl geben.
Bisher gab es im Wahlkampf eine Menge Desinformation - und zwar auf beiden Seiten.
Eines der am meisten verbreiteten Videos wurde kürzlich auf Twitter gepostet. Es zeigt angeblich Kemal Kilicdaroglu, der den Zuschauern zuruft: "Lasst uns gemeinsam an die Wahlurne gehen."
"Russische Hacker"
Im weiteren Verlauf des Clips erscheint Murat Karayilan, einer der Gründer der Arbeiterpartei Kurdistans (PKK), die in der Türkei, der Europäischen Union und den Vereinigten Staaten als terroristische Gruppierung eingestuft wird.
Mehrere Fact-Checking-Seiten konnten belegen, dass das erste Video, eigentlich zwei separate Videos waren, die mit Photoshop zusammengeschnitten wurden. Es handelt sich also im Grunde um Fake News.
Erdogan teilte sogar dieses Video auf einer Kundgebung und fragte die Menge, ob sie für einen Kandidaten stimmen würde, der von einerTerrororganisation unterstützt wird.
Kilicdaroglu warf seinerseits "ausländischen russischen Hackern" vor, hinter dem manipulierten Vidoe zu stecken. Diese seien von Erdogns Team angeworben worden.
Darüber twitterte Kilicdaroglu: "Liebe russische Freunde, Ihr steckt hinter den Montagen, Verschwörungen, Deep Fake-Inhalten und Tonbändern, die in diesem Land aufgedeckt wurden. Wenn ihr die Fortsetzung unserer Freundschaft nach dem 15. Mai wollt, dann lasst die Finger vom türkischen Staat."
Erdogan reagierte in ähnlicher Weise und behauptete, dass "eine Armee von Trollen" für seinen Rivalen tätig sei.
Spaltung der Gesellschaft
Experten sind sich nicht sicher, ob diese Art von Desinformationstaktik die Wahl beeinflusst hat, aber sie hatte laut Suay Boulougouris, Programmbeauftragte der Nichtregierungsorganisation "Article 19", Auswirkungen auf die türkische Gesellschaft.
"Man muss sagen, dass das Oppositionsbündnis stärker ins Visier genommen wurde als das Regierungslager. Ich denke, die Hauptzielgruppe dieser politischen Desiformation sind typischerweise Wähler, die unsicher sind oder durch die Verbreitung dieser Art von irreführenden oder falschen Informationen beeinflusst werden können."
Die Absicht sei, ihre Meinungen und Wahlentscheidungen zu beeinflussen, so die Expertin weiter. "Wir können nicht sagen, ob sich dies definitiv in den Wahlergebnissen niedergeschlagen hat, aber es hatte auf jeden Fall ernsthafte Auswirkungen auf die Polarisierung innerhalb der Gesellschaft."
Die zweite Wahlrunde der Präsidentschaftswahlen, die als eine der wichtigsten Wahlen seit Jahrzehnten gelten, ist für den 28. Mai angesetzt.