Tochter dachte 23 Jahre: "Papa hat uns vergessen." - Er wurde grausam ermordet

Zurück an den Ort des Grauens: ZDF-Journalist Sven Voss begleitet den ehemaligen Kriminal-Ermittler Gerhard Hoppmann (rechts) an den Fundort der einst brutal entstellten Leiche. (Bild: ZDF / Saskia Pavek)
Zurück an den Ort des Grauens: ZDF-Journalist Sven Voss begleitet den ehemaligen Kriminal-Ermittler Gerhard Hoppmann (rechts) an den Fundort der einst brutal entstellten Leiche. (Bild: ZDF / Saskia Pavek)

Es sind die Fälle, die auch abgebrühten Polizisten keine Ruhe lassen: Zum Auftakt der True-Crime-Sommerreihe im ZDF rollt Sven Voss zusammen mit Kriminalexperten noch einmal zwei lange ungelöste Fälle auf, die die Ermittler einst in Atem hielten. Entscheidende Hinweise kamen vom ZDF-Publikum.

Es ist ein Anblick, der auch hart gesottene Verbrechensbekämpfer tief erschüttert: In einer abgelegenen ehemaligen Kiesgrube tief in einem Wald in der Nähe von Kleve wird im Dezember 1996 eine Männer-Leiche gefunden. Nackt und brutal entstellt. Wie sich später herausstellt, muss der Tote gefoltert worden sein. Allein 17 massive Schläge trafen seinen Kopf. Sein Gesicht ist so stark zerschmettert, dass eine Identifizierung über Pressefotos unmöglich scheint.

Und so bleibt der Tote eine Leiche ohne Namen - und ein fürchterliches Rätsel, das die ermittelnden Beamten lange quält. "Es sah aus, als wäre die Leiche wie Müll hinabgeworfen worden", hört man Gerhard Hoppmann sagen. Er war damals bei der Kripo Krefeld mit dem Fall betraut. Und dann steht er wieder vor der Kamera - im Gespräch mit dem Journalisten Sven Voss, der im ZDF durch zwei neue Doppelfolgen der True-Crime-Reihe "XY gelöst" führt. Und wieder ist Hoppmann am ehemaligen Fundort der Leiche. Der Tote ohne Namen hat auch sein Leben verändert.

Sven Voss rollt in der neuen Reihe sogenannte "Cold Cases" auf, die lange ungelöst blieben. In den ersten beiden Filmen brachten Anrufe in der ZDF-Sendung "Aktenzeichen XY ... ungelöst" die entscheidenden Hinweise zur Lösung der Fälle. (Bild: ZDF / Bernd Kammerer)
Sven Voss rollt in der neuen Reihe sogenannte "Cold Cases" auf, die lange ungelöst blieben. In den ersten beiden Filmen brachten Anrufe in der ZDF-Sendung "Aktenzeichen XY ... ungelöst" die entscheidenden Hinweise zur Lösung der Fälle. (Bild: ZDF / Bernd Kammerer)

Warum hat niemand den Toten vermisst?

Es ist eine Wiederbegegnung, die alte Wunden aufreißt - die aber auch für eine Art Erlösung sorgt. Voss und das ZDF-Team im Hintergrund beleuchten einen sogenannten "Cold Case", der von den ermittelnden Beamten seinerzeit fast zu den Akten gelegt worden wäre. Das zentrale Problem: Der Tote aus der Kiesgrube konnte seinerzeit keiner Vermisstenmeldung zugeordnet werden. Umfangreiche Befragungen im Umfeld des Leichenfundorts führten nur auf falsche Spuren und letztlich ins Leere.

Beim Zuschauen der Doku, die selbst ein wenig wie ein Krimi, allerdings ein beklemmend realer, aufgebaut ist, weiß man allerdings deutlich mehr als die Ermittler von einst. Der Film-Bericht blickt zurück. Und der Fall ist nun doch aufgeklärt. So kann unter anderem auch die Tochter des Toten vor die Kamera treten und sich an die schrecklichen Tage zurückerinnern, als sie sich einst große Sorgen um ihren unter rätselhaften Umständen vermeintlich abgetauchten Vater Sorgen machte.

In einer nachgestellten Filmszene besprechen die Ermittler die vielen Rätsel, die sich ihnen am Fundort der Leiche in einer abgelegenen Kiesgrube stellen. (Bild: ZDF / Saskia Pavek)
In einer nachgestellten Filmszene besprechen die Ermittler die vielen Rätsel, die sich ihnen am Fundort der Leiche in einer abgelegenen Kiesgrube stellen. (Bild: ZDF / Saskia Pavek)

Schock-Anruf im ZDF-Fernsehstudio: "Das belastet mich seit 23 Jahren"

Von ihm hieß es einst, er sei wegen großer Schulden ins Ausland verschwunden. Seine beiden kleinen Kinder blieben bei der Mutter zurück, die sich ohnehin in Trennung von ihrem Gatten befand. "Papa hat uns doch nicht vergessen?", schluchzte Sabrina als kleines Mädchen, als ihr Vater nicht zum vereinbarten Wochenendtermin mit den Kindern kam. Sabrinas Bruder herrschte sie damals grob an: "Kapier doch endlich, dass er weg ist und sich einen Dreck für uns interessiert!" Nun weiß man: Es war alles anders. Der Vater wurde von zwei Arbeitskollegen aus seiner kleinen Hinterhofwerkstatt ermordet. Tatmotiv: Streit um Geld für geleistete Arbeit.

Den entscheidenden Hinweis zur überfälligen Aufklärung des Gewaltverbrechens kam erst 2019 - durch einen einstigen Bericht im ZDF-Fahndungsklassiker "Aktzenzeichen XY ... ungelöst". Damals meldete sich ein Zeuge, der mehr über den Toten aus der Kiesgrube wusste. "Ich rufe bestimmt nicht zum Spaß an", sagte er am ZDF-Telefon. "Das belastet mich seit 23 Jahren." Und dann wird klar: Der Bruder des Anrufers war einer der beiden Täter von damals.

23 Jahre Stillstand - bis dann doch die Polizeiarbeit noch einmal einen neuen, letztlich erfolgreichen Anlauf nehmen konnte. Und so kann dann auch Kommissar Hoppmann endlich seinen Frieden finden. "Ich konnte mich nie abfinden, einen Fall nicht abzuschließen." Der Film endet auf einem Friedhof. Und dort trägt der neue Grabstein des lange namenlosen Toten endlich eine Aufschrift. Seine Kinder haben einen Ort zum Trauern gefunden.

Polizei-Einsatz im Frauenhaus: Die sechsfache Mutter Delisa (Spielszene, links) wurde von ihren eigenen männlichen Angehörigen bedrängt und beinahe entführt. Doch es sollte noch schlimmer kommen. (Bild: ZDF / Saskia Pavek)
Polizei-Einsatz im Frauenhaus: Die sechsfache Mutter Delisa (Spielszene, links) wurde von ihren eigenen männlichen Angehörigen bedrängt und beinahe entführt. Doch es sollte noch schlimmer kommen. (Bild: ZDF / Saskia Pavek)

Grausam verzerrter Ehrbegriff: "Was für ein Albtraum."

Und dann endet auch der zweite Beitrag der oft beunruhigenden, weil unbequem "lebensnahen" Reihe mit einer Beerdigung: In der Cold-Case-Spurensuche "Tödliche Freiheit" wird vom Ausbruch einer jungen Frau erzählt, die mit 35 Jahren schon sechsfache Mutter war und von ihrem Ehemann und dessen männlichen Verwandten immer wieder misshandelt wurde. Die Frau, die der Film Delisa nennt, war Jesidin. Eine Frau, die mit ihrer Familie einst aus dem Irak nach Deutschland geflohen war, weil die Glaubensgemeinschaft der Jesiden dort oft verfolgt werden.

Doch ihre Heimat im Westen Deutschlands brachte Delisa kein Glück. Weil sie angeblich den traditionellen strengen Ehrenkodex des Familienclans verletzte, der ein selbstbestimmtes, modernes Leben für Frauen nicht vorsieht, zog sie eiskalte Rache auf sich. Auch am Schluss des zweiten Films steht ein betroffenes Publikum an einem Grab. Delisa wurde ermordet - von ihren Angehörigen. "Der eigene Sohn", klagt eine der fassungslosen Ermittlerin. "Was für ein Albtraum."

Sven Voss (links) sucht mit dem Ermittler Frank Gartmann den abgelegenen Parkplatz am Stadtpark auf, wo Delissa ermordet worden war.  (Bild: ZDF / Saskia Pavek)
Sven Voss (links) sucht mit dem Ermittler Frank Gartmann den abgelegenen Parkplatz am Stadtpark auf, wo Delissa ermordet worden war. (Bild: ZDF / Saskia Pavek)