Tränen und Glockenläuten: Trauerzug für den Sarg der Queen
London (dpa) - Die königliche Familie, Gardesoldaten und unzählige Beobachter haben den Sarg der gestorbenen Königin Elizabeth II. auf seinem Weg durch London begleitet. König Charles III. und seine Geschwister schritten hinter dem Sarg, auf dem die königliche Standarte und die Staatskrone, die Elizabeth bei ihrer Krönung vor 70 Jahren trug, thronten.
Auf dem Weg vom Buckingham-Palast zum britischen Parlament wurden im Minutentakt Salutschüsse abgefeuert. Bei getragener Musik und den Glockenschlägen der berühmten Glocke Big Ben verfolgten Hunderttausende den Trauerzug, weinten und applaudierten. Sie können nun noch bis Montagmorgen am Sarg Abschied nehmen.
Mit ernstem Blick liefen Charles, Prinzessin Anne, Prinz Andrew und Prinz Edward hinter dem von Pferden gezogenen Sarg. Die Familie zeigte sich geeint - ungeachtet aller Skandale und Unstimmigkeiten. Direkt hinter dem neuen König lief sein ältester Sohn Prinz William, der neue Thronfolger, Seite an Seite mit Bruder Harry.
Trotzdem war der unterschiedliche Lebensweg der Brüder nicht zu übersehen: William trug als arbeitender Royal Militäruniform, Harry, der sich mit seiner Frau Meghan vom Königshaus distanziert hat, einen Traueranzug. Trotz seines Dienstes in Afghanistan musste der Queen-Enkel seine militärischen Titel mit dem Abschied aus dem Königshaus niederlegen.
Erinnerung an Zug für Diana 1997
Manche fühlten sich daran erinnert, wie die Brüder 1997 nach dem Tod ihrer Mutter Prinzessin Diana hinter deren Sarg gelaufen waren. Nun sind die beiden selbst Väter und erwiesen ihrer Großmutter die Ehre. Zum Trauerzug gehörten auch Annes Sohn Peter Philips und ihr Ehemann Tim Laurence sowie der Herzog von Gloucester, ein Cousin der Queen, und der Earl von Snowdon, ihr Neffe. Charles' Gattin Camilla fuhr mit Prinzessin Kate in einem Wagen auf einer anderen Runde zum Parlament, Edwards Frau Sophie und Herzogin Meghan in einem weiteren.
Als der Zug nach knapp 40 Minuten die Westminster Hall erreichte, brach in der dort versammelten Menge Applaus aus. Acht junge Soldaten trugen den in die royale Standarte gehüllten und mit Blumen geschmückten Sarg auf ihren Schultern in das Gebäude, wo er auf einem Podest aufgebahrt wurde. Nach einem kurzen Gottesdienst verließ die Familie das Gebäude. Nur Harry und Meghan konnten sich dabei mit Berührungen Trost geben: Händchenhalten ist für aktive Angehörige der Royal Family nicht vorgesehen.
Bald danach wurden die Türen zur Westminster Hall für die allgemeine Bevölkerung geöffnet. Die ersten Menschen verbeugten sich vor dem Sarg. Bis Montagmorgen können die Menschen nun langsam am Sarg vorbeiziehen. Nötig ist dafür aber Geduld: Es wird mit Wartezeiten von bis zu 30 Stunden gerechnet. Die Schlange zog sich bereits am Mittwoch über mehrere Kilometer entlang der Themse durch das Zentrum der britischen Hauptstadt. Schätzungen zufolge könnten bis zu zwei Millionen Menschen kommen.
BBC überträgt Aufbahrung 109,5 Stunden lang
Entlang der Strecke sollen nicht nur Erste-Hilfe-Zelte, sondern auch 500 mobile Toiletten stehen, teilte das zuständige britische Kulturministeirum am Mittwoch mit. Verschiedenfarbige Armbänder zeigen den Platz in der Warteschlange an - falls die Anstehenden mal kurz verschwinden wollen oder Essen kaufen. Durchgängig sollen mehr als 1000 Freiwillige, Security-Mitarbeiter und Polizisten im Einsatz sein. Dazu kommen unter anderem Hunderte Sanitäter. Für Menschen, die sich die langen Wartezeiten nicht zutrauen oder nicht nach London reisen können, überträgt der öffentlich-rechtliche Sender BBC die Aufbahrung auch in einem Livestream - ganze 109,5 Stunden lang.
Queen Elizabeth II. war am vergangenen Donnerstag im Alter von 96 Jahren auf ihrem schottischen Landsitz Schloss Balmoral gestorben. Am Sonntag war ihr Sarg in die schottische Hauptstadt Edinburgh überführt und am Montag mit einem Trauermarsch, an dem auch König Charles III. und seine Geschwister zu Fuß teilnahmen, in eine Kathedrale gebracht worden.
Der Sarg mit den sterblichen Überresten der Queen kam dann am Dienstagabend mit einer Transportmaschine der britischen Luftwaffe von Edinburgh nach London. Er wurde vor dem Buckingham-Palast von Tausenden Menschen mit lautem Beifall begrüßt und dann von König Charles, seinen Geschwistern sowie den Enkeln der Queen empfangen.
Das Staatsbegräbnis für die Queen ist am kommenden Montag. Dazu werden Hunderte Staats- und Regierungschefs, Angehörige von Königshäusern und andere Würdenträger in London erwartet. Als große Ehre gilt, dass Japans Kaiser Naruhito und seine Frau, Kaiserin Masako, anreisen werden. Japanische Monarchen nehmen traditionell eigentlich nicht an Bestattungen teil, weder im eigenen Land noch im Ausland. Dass Kaiser Naruhito dennoch kommt, sei Ausdruck der tiefen Verbundenheit zwischen der königlichen und der kaiserlichen Familie, berichtete die japanische Nachrichtenagentur Kyodo.
Erwartet werden zudem Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier, US-Präsident Joe Biden, der französische Präsident Emmanuel Macron und EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen. Die geliebten Corgis der Queen müssen aller Wahrscheinlichkeit nach aber fehlen. Schon der formale Charakter der Veranstaltung schließe die Tiere aus, hieß es beim TV-Sender Sky News. Zudem verböten die Regeln der Westminster Abbey die Mitnahme - «no dogs», heißt es in der bekannten Londoner Kirche. «Hunde dürfen sich noch nicht einmal auf dem Gelände der Abtei bewegen», betonte der Sender.