TV-Kolumne „75 Jahre BR“ - Söder, Papst und Erdbeerkuchen: Der BR gratuliert sich mit fragwürdiger Doku selbst

Politischer Aschermittwoch in Bayern - CSU "dahoam".<span class="copyright">Peter Kneffel/dpa Pool/dpa</span>
Politischer Aschermittwoch in Bayern - CSU "dahoam".Peter Kneffel/dpa Pool/dpa

Erdbeerkuchen statt Eigenkritik: Der BR gratuliert sich zum 75. Geburtstag mit einer unwürdigen Doku selbst; und es ist schon erstaunlich, wie ein Sender, der Objektivität und Ausgewogenheit verspricht, bei der eigenen Vita alles Negative ausblendet.

Liesl Karlstadt und Beppo Brem sitzen im Restaurant. Brem schlabbert beim Essen und ruiniert die Tischdecke. Liesl ist fassungslos. Beppo sei ein kleines Dreckschweinchen findet die Dame. Brem verweist auf die neuen Möglichkeiten der Waschmittel-Industrie. „Der gebildete Mensch sagt nur Persil. Persil und sonst nichts.“

Am 3. November 1956 sendete der Bayerische Rundfunk die erste TV-Werbung. Auch das ist eine Episode, die der Sender anlässlich seines diesjährigen großen Jubiläums in einer eigenen Doku aufgreift. Die Anstalt feiert sich selbst in einem 45-minütigen Filmchen von Bernhard Graf mit dem Titel „75 Jahre BR – Leidenschaft für Bayern“.

Es ist ein Werk, das in der WDR-Produktion „Zimmer frei“ die Bezeichnung „ultimative Lobhudelei“ erhalten hätte. Weniger Eigenkritik geht nicht. Zitat: „Es ist eine Erfolgsgeschichte geprägt von innovativen Ideen, großem Engagement und Leidenschaft für die Heimat.“ Eine Nummer kleiner macht es der Bayerische Rundfunk offenbar nicht.

100 Stunden über den Papst

Im Jahre 1949 übergaben die Amerikaner den Sender in die Verantwortung der Deutschen. Die Institution wurde getragen vom großen Wunsch der Deutschen nach Unterhaltung und dem grassierenden Wirtschaftswunder. In der Doku treten vorwiegend Moderatoren auf, die lachen, scherzen und total gut drauf sind. Dazu gibt es Kommentierungen wie „zum abwechslungsreichen Kulturprogramm gehören auch Hörspiele“.

Radiomoderator Marcus Fahn sagt, er sei mit 12, 13 Jahren vom Radio infiziert worden. „Für mich waren die Radiomoderatoren Freunde, die haben zu meinem Leben dazugehört. Ich wollte auch ein Freund für die Menschen sein, die jetzt zuhören.“

Puuh! Stolz berichtet die BR-Doku auch von ihrer über(t)ragenden Rolle bei Olympischen Sommerspielen (1972), dem Fußball-WM-Finale 1974 in München oder dem Bayern-Besuch von Papst Benedikt XVI. (2006). So habe man etwa 1972 die Übertragung in alle Kontinente organisiert und als weltweiter Hauptsender 100 Programmstunden Fernsehen über den Papst produziert.

Markus Söder bei „Dahoam is dahoam“

Interessanter aber ist wohl, was die BR-Doku nicht anspricht - und das hätte sicher auch zu einer ernstzunehmenden Doku gehört. Immer wieder musste sich der Sender nämlich zu viel Staatsnähe nachsagen lassen. Schon Ministerpräsident Franz Josef Strauß übte in den 60er/70er-Jahren Druck auf die BR-Chefetage aus und mischte sich in Personalfragen ein.

2010 wechselte Ulrich Wilhelm aus dem Amt des Regierungssprechers in die Position des BR-Intendanten. Und im Januar 2015 tauchte plötzlich Markus Söder in der beliebten Vorabendserie „Dahoam is dahoam“ (mittlerweile rund 3300 Folgen) auf.

Ein mit Pflichtgebühren finanzierter Sender sollte jeglichem Verdacht von politischer Nähe grundsätzlich entgegenwirken. Dass der Sender recht konservativ aufgestellt ist, zeigte sich auch an seinem Verhalten angesichts offenbar allzu freizügiger Themen: In den 60-/70er-Jahren blendete sich der BR gerne mal aus dem laufenden ARD-Programm aus oder griff ins eigene BR-Programm ein.

„Schuld war nur der Bossa Nova“

1961 war Gerhard Szczesny als Leiter der Radio-Kultursendung Nachtstudio bei Kirchen und Konservativen auf Kritik gestoßen. Ein vermeintlich „kommunistisches“ Essay wurde auf Anordnung des damaligen Intendanten abgesetzt. Szczesny reichte im November 1961 seinen Abschied vom BR ein. Auch wurden Musiktitel wie der Hit „Schuld war nur der Bossa Nova“ der Sängerin Manuela boykottiert. Ursache war die Textstelle: „Als die kleine Jane grade 18 war, führte sie der Jim in die Dancing Bar, doch am nächsten Tag fragte die Mama, Kind, warum warst Du erst heut morgen da?“).

1988 verfügte Hörfunk-Direktor Udo Reiter ein Sendeverbot für das Lied „Gehet hin und vermehrter euch“ von Udo Jürgens. Der Sänger hatte darin Empfängnisverhütung thematisiert und die katholische Kirche kritisiert. Legendär ist auch die TV-Ausblendung des BR aus dem gemeinsamen ARD-Programm vom 22. Mai 1986. Die Kabarett-Sendung Scheibenwischer hatte eine Woche nach der Pfingstschlacht an der Wiederaufarbeitungsanlage Wackersdorf einen atomkraftkritischen Sketch dargeboten.

Bundesweit diskutiert wurde auch das Abstellen des BR-Empfangs 1973 anlässlich des Films „Nicht der Homosexuelle ist pervers, sondern die Situation, in der er lebt“, in dem Homosexualität thematisiert wurde.

Weniger Erdbeerkuchen, mehr Eigenkritik

Es ist schon erstaunlich, wie ein Sender, der Objektivität und Ausgewogenheit verspricht, bei der eigenen Vita alles Negative ausblendet. Das ist einer solchen Institution unwürdig.

BR-Moderatorin Susanne Maué, Chefin vom Dienst bei BR Schlager, freut sich lieber über ein Stück Kuchen. „Wenn der Patrick Lindner hier vorbeischaut und einen Erdbeerkuchen mitbringt, dann macht es schon Spaß.“

Ein Stückchen Kuchen sei den Mitarbeitern des BR zum stattlichen Geburtstag gegönnt. Aber etwas weniger Sahne und etwas mehr Eigenkritik stünden einem öffentlich-rechtlichen Sender gut zu Gesicht.