TV-Kolumne zum Sommerinterview - Merz landet im ZDF Wirkungstreffer gegen Scholz, doch am Ende wird es unangenehm für ihn

Friedrich Merz, Bundesvorsitzender der CDU und CDU/CSU-Fraktionsvorsitzender im Bundestag, spricht beim Sommerinterview des ZDF am Hennesee mit Diana Zimmermann, Leiterin des ZDF-Hauptstadtstudios Berlin.Dominik Asbach/ZDF/dpa/Handout
Friedrich Merz, Bundesvorsitzender der CDU und CDU/CSU-Fraktionsvorsitzender im Bundestag, spricht beim Sommerinterview des ZDF am Hennesee mit Diana Zimmermann, Leiterin des ZDF-Hauptstadtstudios Berlin.Dominik Asbach/ZDF/dpa/Handout

Gleich nach dem Bundeskanzler darf sein Herausforderer vor die öffentlich-rechtlichen Fernsehkameras. Gerade hat sich CDU-Vorsitzender Merz noch inszeniert als der Turbo-Kandidat, der jede Schallmauer durchbricht und den Konjunktiv-Kanzler allenfalls im Rückspiegel sieht. Wie hält er das im ZDF-Sommerinterview durch?

Dem Kanzlerkandidaten der Union, wahrscheinlich, und nächsten Kanzler Deutschlands, gut möglich, hat sein Pilotenschein bislang ganz irdischen Ärger eingebracht. Wir erinnern uns an den Flug in der Privatmaschine nach Sylt zur Hochzeit des FDP-Kollegen Christian Lindner. Das Abgehobene sieht Deutschland eben nicht gern. Jetzt aber sind Friedrich Merz Bilder gelungen, die jeden Imageberater glücklich machen. Strahlend steigt Merz im Pilotenoverall aus dem Cockpit eines Eurofighter. „Wir haben die Schallmauer durchbrochen“, versichert der Bundeswehrpilot, der den CDU-Vorsitzenden mitgenommen hat, „der hat die ganze Zeit Gas gegeben!“

Vergessen, dass es schon der zweite Versuch von Friedrich Merz ist, sich als Überflieger der Öffentlichkeit zu präsentieren. Auch für ein Fernsehporträt hatte er die Montur schon angelegt. Dann war sein Start wegen schlechten Wetters aus Sicherheitsgründen ausgefallen. Aber mit zweiten Anläufen kennt sich der 68-Jährige ja aus. Hält er sein Bild vom Überflieger auch im TV-Fern-Duell mit Bundeskanzler Olaf Scholz durch? Dem hatte das Erste den Nachmittag fürs ARD-Sommerinterview eingeräumt. Am Abend darf der Herausforderer beim ZDF für „Berlin direkt“ vor die Kamera: Dort der dröge Olaf, hier der dynamische Friedrich?

Seit 36 Jahren haben die öffentlich-rechtlichen Fernsehsender ihre Sommerinterviews im Programm. Zum Auftakt hatte einst Helmut Kohl das Kamerateam in sein Ferienidyll am Wolfgangsee bestellt. Auch Merz zieht es im heimischen Sauerland ans Wasser. Und dann ist gleich von seinem Schneckentempo die Rede. Da kippt für einen Moment das Lächeln aus dem Gesicht. Und dann muss er sich auch noch vorhalten lassen, dass er keinerlei Regierungserfahrung hat.

Darauf geht Merz lieber gar nicht ein. Er greift nur das Wort auf – und versucht, es umzukehren: „Ich vermute, dass die Mehrheit der Bevölkerung in Deutschland ziemlich die Nase voll hat von der Regierungserfahrung mit der Bundesregierung, diese Erfahrung wollen die Menschen nicht länger machen.“ Das macht Merz ziemlich geschickt, er kann relativ einfache Wirkungstreffer landen. Aber es hilft nicht immer.

Kaum haben Interviewerin und Interviewter Platz genommen, fährt das ZDF schon sein vielleicht schwerstes Geschütz auf: War da nicht der Merz, der vor fünf Jahren die AfD halbieren wollte? „Wie kommt es“, fragt Diana Zimmermann, „dass die Bürger der AfD mehr vertrauen, wenn es um die großen Sorgen geht?“ Merz atmet tief ein. „Richtig ist, dass wir im Osten ein Problem haben“, bestätigt er.

Doch dann verweist der Oppositionsführer ausschließlich auf die Fehler der Regierungspolitik. Da zeigt er sich in der Sprache klar – im Gegensatz zu Olaf Scholz im ersten Sommerinterview. Inhaltlich bleibt er genauso schwammig. Die Stimme der Interviewerin kratzt schon, als sie nachhakt: „Aber das kann doch nicht nur an der Ampel liegen…“

„Wir beide sind gerade im tiefsten Westen“, stellt Merz dann fest. Er bemühe sich aber, den Osten gut zu verstehen. Zerstrittenheit über die Ukraine-Politik in der eigenen Partei? „Ich gebe Michael Kretschmer auch Raum im Präsidium der Partei“, versichert Merz gönnerhaft. „Es gibt einen Konsens: Wir müssen diesem Land weiter helfen!“ Konkreter wird es nicht. Würde ein Kanzler Merz ohne Zögern Taurus-Marschflugkörper an die Ukraine liefern? „Ich beantworte ungern Was-wäre-wenn-Fragen“, gibt Merz als Dann-lieber-nicht-Antwort.

Und dann rutscht ihm ein schwieriger Satz heraus: „Außenpolitik muss ja immer auch ein Stück Ungewissheit vermitteln an das jeweilige Gegenüber.“ Und dann verstolpert er sich selbst ins Was-wäre-wenn: „Wenn die Koalition sich einig wäre, den Oppositionsführer einbezogen hätte, dann hätten wir uns diese öffentlichen Diskussionen sparen können.“ Mit solchen Sätzen wird der Herausforderer von keiner politischen Startbahn abheben können.

Dann hält das ZDF Friedrich Merz vor, dass seine Partei zehn Wochen vor den Landtagswahlen schon über Koalitionsmöglichkeiten streite - „besonders hilfreich scheint das nicht“. Da lacht Merz kurz auf. „Lustig?“, staunt Interviewerin Zimmermann. „Nicht lustig“, gibt Merz zur Antwort, „falsch.“ Und lacht weiter. Inhaltlich geht er darauf nicht ein. Stattdessen erzählt er, wie erfolgreich die Union bei den Kommunalwahlen war. „Wir haben in Thüringen überall gewonnen – wir können im Osten auch auf Platz 1 liegen.“

Gleich danach fährt er die Interviewerin wieder an: „Langsam!“ Und er kommt immer mehr auf Krawallkurs gegenüber der ZDF-Frau. Beim Thema Wirtschaftsranking herrscht er sie an: „Das ist genau der Ton, den ich auch von der Regierung höre!“ Falls ein Ziel der Union gewesen sein sollte, Friedrich Merz für Wählerinnen wählbarer zu machen – dann endet dieses Sommerinterview mit einer Bruchlandung für den möglichen Kandidaten.