Türkei: Inflation steigt auf 75 Prozent – und Gericht erklärt Erdogans Zugriff auf die Zentralbank für verfassungswidrig

Präsident Recep Tayyip Erdogan: In der Türkei springt die Inflation auf 75 Prozent. - Copyright: Getty Images / KENZO TRIBOUILLARD, filipefrazao, traffic_analyzer
Präsident Recep Tayyip Erdogan: In der Türkei springt die Inflation auf 75 Prozent. - Copyright: Getty Images / KENZO TRIBOUILLARD, filipefrazao, traffic_analyzer

Während die Inflationswelle in weiten Teilen der Welt abgeebbt ist, hat sich die extreme Preissteigerung in der Türkei erneut beschleunigt. Die Inflation in der Türkei stieg im Mai von knapp 70 auf 75,5 Prozent, teilte das Statistikamt mit. Das ist die höchste Inflationsrate seit dem Herbst 2022. Die Türkei hat damit eine der höchsten Inflationsraten der Welt.

Die türkische Notenbank hat den Kampf gegen die Inflation seit einem Jahr aufgenommen und die Leitzinsen bis auf 50 Prozent erhöht. Im Zuge der extrem hohen Geldentwertung und der negativen Leitzinsen steht auch die Landeswährung Lira unter starkem Druck und verliert an Wert. Die Lira notiert zum US-Dollar und Euro nahe ihrer Tiefstände. Die schwache Landeswährung verteuert Importe und facht die Inflation damit weiter an.

Regierung und Zentralbank erwarten, dass mit den 75 Prozent jetzt der Höhepunkt der Inflationswelle erreicht sei. Bis zum Jahresende solle die Inflationsrate bis auf 38 Prozent fallen. Ein Grund ist, dass in den kommenden Monaten die starken Mietsteigerungen zur Jahresmitte 2023 aus dem Jahresvergleich herausfallen.

Ökonomen zweifeln dennoch daran, dass die Inflationsrate so deutlich zurückgeht. Sie gehen zudem davon aus, dass die wirkliche Teuerung weit höher ist als die amtlich ausgewiesenen 75 Prozent.

Präsident Recep Tayyip Erdogan hatte sich lange gegen Zinserhöhungen im Kampf gegen die Inflation gewehrt. Er hatte im Gegenteil Zinssenkungen veranlasst und zu diesem Zweck fünf Mal die Chefs der Zentralbank ausgetauscht. Die Befugnis dazu hatte er sich selbst in einem Dekret verlieren. Diese Praxis wurde nun vom türkischen Verfassungsgericht als verfassungswidrig verworfen. Die Entscheidung geht auf eine Klage einer der Oppositionsparteien aus dem Jahr 2018 zurück.

Die Entscheidung stelle die Autorität Erdogans aus einem weiteren Grund infrage, schrieb die Financial Times. Denn Erdogan habe seine Macht in seiner jahrzehntelangen Regentschaft auch dadurch ausgebaut, dass er selbst die meisten Richter des Verfassungsgerichtes ernenne. Erdogan selbst reagierte zunächst nicht auf das Urteil. Ein Berater sagte, das Gericht beziehe sich nicht auf den Inhalt der Vorschrift, sondern darauf, wie sie erlassen wurde. Das Gericht habe Erdogan auch nicht die Befugnis entzogen, den Gouverneur der Zentralbank zu ernennen oder zu entlassen.