Ukraine-Krieg: Die Entwicklungen am Dienstag
Seit dem russischen Einmarsch in die Ukraine herrscht in dem Land Krieg. Die aktuellen Entwicklungen im Überblick.
Unser Newsticker ist für heute beendet. Sie können hier die wichtigsten Nachrichten des Tages zum Krieg in der Ukraine nachlesen.
Kiew: EU-Mitgliedschaft «nur Frage der Zeit»
Selenskyj begutachtet bei Frontbesuch Leopard-Panzer
Historische Reise - EU-Außenminister besuchen gemeinsam Kiew
Bulgarien schließt Grenze für Autos aus Russland
Selenskyj fordert mehr Sanktionsdruck gegen Russland
Baerbock ehrt jüdische Mordopfer in Kiew
Russland: Ukrainische Drohne über Brjansk zerstört
Die aktuelle Newslage:
+++ Kiew: EU-Mitgliedschaft «nur Frage der Zeit» +++
Nach dem Besuch der EU-Außenminister in Kiew hat sich der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj zuversichtlich in Bezug auf eine baldige EU-Mitgliedschaft seines Landes gezeigt. «Wir alle wissen, dass es nur noch eine Frage der Zeit ist, bis die Ukraine ein Mitglied der EU wird», sagte Selenskyj am Montag in seiner abendlichen Videoansprache. Mit Blick auf den Besuch der Diplomaten aus den 27 EU-Staaten fügte er hinzu: «Also hat das Treffen eigentlich schon in der EU stattgefunden.»
Die ukrainische Luftwaffe meldete unterdessen in der Nacht zum Dienstag eine Bedrohung durch Gruppen von Shahed-Angriffsdrohnen, die vom Schwarzen Meer aus unter anderem in Richtung Mykolajiw und Saporischschja im Süden des Landes unterwegs gewesen seien. Russland will derweil einen weiteren ukrainischen Drohnenangriff über dem Grenzgebiet Brjansk abgewehrt haben. Die Angaben der beiden Kriegsparteien ließen sich nicht unabhängig überprüfen.
+++ Selenskyj begutachtet bei Frontbesuch Leopard-Panzer +++
Der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj hat nach offiziellen Angaben bei einem Truppenbesuch im Frontabschnitt Kupjansk auch den Panzer Leopard 2 in Augenschein genommen. Auf einem am Dienstag auf seinem Telegram-Kanal veröffentlichten Video ist Selenskyj bei der Auszeichnung von Soldaten vor dem Hintergrund eines solchen Kampfpanzers zu sehen.
«Ein Westwagen ist ein Westwagen», lobte einer der Soldaten im Gespräch mit Selenskyj den aus deutscher Produktion stammenden Panzer. Neben den Leopard-Panzern habe Selenskyj sich auch Schützenpanzer des Typs CV-90 angesehen. Beide seien in den Kämpfen im Nordosten der Ukraine am Frontabschnitt Kupjansk im Einsatz, hieß es in der Beschriftung des Videos. Die vom Westen seit diesem Frühjahr gelieferten Panzer sollten der Ukraine helfen, besetzte Gebiete zurückzuerobern.
Die Stadt Kupjansk hat die Ukraine dabei schon im vergangenen Herbst im Zuge ihrer Gegenoffensive im Gebiet Charkiw befreit. Konnte das Kiewer Militär nach der anschließend Überquerung des Flusses Oskil zunächst noch weiteres Gelände teilweise bis in das Gebiet Luhansk hineinzurückerobern, so ist die Initiative in dem Frontabschnitt inzwischen wieder bei den russischen Streitkräften.
+++ Russlands Verteidigungsminister sieht Ukraine «deutlich geschwächt» +++
Die russischen Streitkräfte haben nach Auffassung von Moskaus Verteidigungsminister Sergej Schoigu das «Kampfpotenzial» der ukrainischen Gegenoffensive «deutlich geschwächt». Dem Gegner seien empfindliche Schläge zugefügt worden, sagte Schoigu am Dienstag bei einer Sitzung der Militärführung in Moskau. Überprüfbar waren seine Angaben nicht.
Der Minister sagte auch, dass die jüngsten ukrainische Angriffe im Raum Bachmut und Soledar im Gebiet Donezk erfolgreich abgewehrt worden seien. Gescheitert seien auch ukrainische Versuche, die russischen Verteidigungslinien bei Robotyne und Werbowe im Gebiet Saporischschja zu durchbrechen, sagte er. Schoigu widersprach damit ukrainischen Angaben, nach denen es dort erfolgreiche Vorstöße gegeben habe.
Der Verteidigungsminister betonte zudem, dass Russland ausreichend Freiwillige und Vertragssoldaten habe, um die Aufgaben im Krieg gegen die Ukraine zu erfüllen. Ihre Zahl liege inzwischen bei 335 000 Menschen. Allein im September hätten mehr als 50 000 Bürger einen Vertrag für den Kriegsdienst unterschrieben. Schoigu bekräftigte, dass eine neue Mobilmachung deshalb nicht nötig sei.
+++ Generalinspekteur der Bundeswehr sieht Russland noch nicht am Ende +++
Bundeswehr-Generalinspekteur Carsten Breuer hält eine weitere Eskalation des derzeitigen Krieges in Europa für nicht ausgeschlossen und dringt deswegen auf einen Ausbau der Verteidigungsfähigkeiten Deutschlands und der Nato. Die Frage, was als nächstes komme, bleibe bestehen, sagte er in einer Rede zum Tag der Deutschen Einheit in Brüssel.
Breuer verwies dabei darauf, dass es aus seiner Sicht Anzeichen für Russlands Angriff auf die Halbinsel Krim im Jahr 2014 und den im Jahr 2022 begonnenen Angriffskrieg auf das Festland der Ukraine gegeben habe. Man sei damals aber in einer Komfortzone verhaftet gewesen und habe es nicht glauben wollen.
Konsequenz der Entwicklungen sei, dass man nun die Partner unterstützen müsse, die als mögliche neue Frontstaaten gesehen würden, erklärte der ranghöchste deutsche Soldat. Die Bundesrepublik tue dies beispielsweise mit der Aufstellung einer Bundeswehr-Brigade für Litauen.
«Russlands illegaler Angriffskrieg in der Ukraine unterstreicht die Relevanz kampfbereiter Streitkräfte», sagte Breuer in der Rede bei einem Empfang des deutschen Nato-Botschafters Géza Andreas von Geyr. Es sei in der Vergangenheit gut gewesen, strategische Geduld und strategische Gelassenheit gehabt zu haben. Heute müsse man aber schnell sein.
+++ Ukrainische Flugabwehr schießt Dutzende russische Drohnen ab +++
Die ukrainische Flugabwehr hat nach eigenen Angaben bei neuen massiven russischen Luftangriffen 29 Drohnen und eine Rakete vom Typ Iskander abgeschossen. Bei den Angriffen in der Nacht seien nur zwei sogenannte Kamikaze-Drohnen vom iranischen Typ Shahed-136/131 nicht abgeschossen worden, teilten die Luftstreitkräfte des Landes am Dienstag mit. Details nannten sie nicht. Angegriffen hätten die Russen diesmal östliche und südliche Regionen des Landes im Raum Dnipropetrowsk und Mykolajiw, hieß es.
Im Gebiet Dnipropetrowsk seien zwei Gebäude eines Unternehmens durch Raketentrümmer beschädigt worden, teilte die Behörden dort mit. Zu Verletzten gab es keine Angaben. Die ukrainischen Behörden meldeten erneut auch Artilleriebeschuss von russischer Seite.
+++ London: Brandmarkung als «Auslandsagent» verfängt in Russland +++
Russland hat nach britischer Einschätzung mit seiner Taktik Erfolg, Kritiker, Medien und Nichtregierungsorganisationen (NGO) als «ausländische Agenten» zu brandmarken. «Mit den Maßnahmen wird der Informationsraum innerhalb Russlands erheblich eingeschränkt», teilte das britische Verteidigungsministerium am Dienstag mit. «Dadurch wird es immer schwieriger, einen Standpunkt zu vertreten, der von der offiziellen Linie abweicht, einschließlich abweichender Meinungen zum Krieg.»
Latest Defence Intelligence update on the situation in Ukraine – 03 October 2023.
Find out more about Defence Intelligence's use of language: https://t.co/mgo9GCY8PO
🇺🇦 #StandWithUkraine 🇺🇦 pic.twitter.com/LPSex5LLJd— Ministry of Defence 🇬🇧 (@DefenceHQ) October 3, 2023
In der Bevölkerung verfange die Taktik, hieß es in London unter Berufung auf eine kürzlich veröffentlichte Umfrage des staatlichen russischen Meinungsforschungsinstituts WZIOM weiter. Demnach seien 61 Prozent der Befragten der Meinung gewesen, dass sie «ausländische Agenten» für «Verräter» halten, die Lügen über Russland verbreiten. «Die Behörden nutzen die Bezeichnung "ausländischer Agent" erfolgreich als Mittel, um die öffentliche Meinung auf Linie der antiwestlichen und kriegsfreundlichen Narrative des Staates zu bringen», betonte das britische Ministerium.
Wer in Russland als «ausländischer Agent» gelistet ist, muss mit zahlreichen Nachteilen rechnen. Die Organisationen, Medien und Personen in dem Register unterliegen einer verstärkten Aufsicht über ihre Finanzen. Die Einstufung soll Misstrauen gegen sie schüren und ihre Arbeit in Russland erschweren. NGO beklagen, dass sich Russen abwenden - aus Angst, der Zusammenarbeit mit «ausländischen Agenten» bezichtigt zu werden.
+++ Historische Reise - EU-Außenminister besuchen gemeinsam Kiew +++
Bei einem historischen gemeinsamen Besuch in Kiew haben die Außenminister der EU-Staaten ein Zeichen der Unterstützung für die von Russland angegriffene Ukraine gesetzt. Erstmals tagten Vertreter aller 27 EU-Staaten außerhalb der Europäischen Union, sagte der Außenbeauftragte Josep Borrell am Montag. Die Minister und Ministerinnen berieten über die Lage angesichts der russischen Invasion und über die Unterstützung der EU für die Ukraine.
«Unser gemeinsamer Sieg hängt direkt von unserer Zusammenarbeit ab», sagte der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj der Ministerrunde. Er forderte weitere Sanktionen gegen den Angreifer Russland. Die starken russischen Luftangriffe belegten, dass die von Europa erlassenen Strafmaßnahmen noch nicht ausreichten. Alle Lieferungen, die der russischen Rüstung zugutekommen können, müssten gestoppt werden. «Das ist nicht nur klar im Interesse der Ukraine, sondern auch weltweit von jedem, der so schnell wie möglich ein Ende des Krieges möchte», sagte Selenskyj.
Auch wenn das politische Signal stark ausfiel, mussten die EU-Politiker sich doch mit Anzeichen einer bröckelnden Unterstützung für die Ukraine auseinandersetzen. In den USA sind Finanzhilfen für Kiew wegen des internen Haushaltsstreits in der Schwebe.
In der EU blockiert das russlandfreundliche Ungarn Hilfen für die Ukraine. Nach der Wahl in der Slowakei könnte es sein, dass Sieger Robert Fico einen ähnlichen Kurs einschlägt wie Viktor Orban in Ungarn. Der Streit zwischen den engen Verbündeten Polen und Ukraine hat sich vertieft. Polens Außenminister Zbigniew Rau fuhr gar nicht nach Kiew, sondern schickte einen Stellvertreter.
+++ Auch Bulgarien schließt Grenze für Autos aus Russland +++
Nach mehreren anderen europäischen Staaten schließt nun auch Bulgarien seine Grenzen für in Russland zugelassene Autos. Das Verbot soll nach Angaben der bulgarischen Grenzpolizei am Montag in Kraft treten. Damit folgt das südöstliche EU-Land dem Beispiel Finnlands, der Baltenstaaten und Polens, die ihre Grenzen für in Russland zugelassene Fahrzeuge bereits dichtgemacht hatten. Das Verbot erfolgt im Einklang mit den Leitlinien der EU-Kommission als Reaktion auf Russlands Angriffskrieg gegen die Ukraine.
+++ Selenskyj fordert mehr Sanktionsdruck gegen Russland +++
Bei einem Treffen mit den EU-Außenministern hat der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj weitere Sanktionen gegen Russland gefordert. Die aktuell starken russischen Luftangriffe seien ein Beleg dafür, dass die bislang von Europa erlassenen Strafmaßnahmen noch nicht ausreichend seien, sagte Selensykj am Montag in Kiew. Jegliche Lieferungen, die Russland eine Steigerung der eigenen Rüstungsproduktion ermöglichten, müssten gestoppt werden. «Das ist nicht nur klar im Interesse der Ukraine, sondern auch weltweit von jedem, der so schnell wie möglich ein Ende des Krieges möchte.»
Seit Russlands Einmarsch in die Ukraine im Februar 2022 hat die Europäische Union bereits elf Sanktionspakete erlassen, das jüngste im vergangenen Juni. Das angegriffene Land zeigt sich dankbar, weist aber auch immer wieder darauf hin, dass die bisherigen Maßnahmen noch nicht ausreichen oder oft umgangen würden. Selenskyj pochte nun außerdem erneut auf Sanktionen gegen die russische Atomindustrie.
+++ Baerbock ehrt jüdische Mordopfer in Kiew +++
Bundesaußenministerin Annalena Baerbock hat in Kiew der Opfer des Massenmordes an der jüdischen Bevölkerung unter der deutschen Besatzung 1941 gedacht. Am Rande des EU-Außenministertreffens besuchte die Grünen-Politikerin am Montag die Gedenkstätte Babyn Jar. Am zentralen Mahnmal, einem großen siebenarmigen Leuchter, entzündete sie eine Kerze und verharrte lange stumm. Ausführlich ließ sie sich von Gedenkstättenleiterin Rosa Tapanowa über das Gelände führen, äußerte sich aber nicht.
+++ Russland: Ukrainische Drohne über Brjansk zerstört +++
Die russische Luftabwehr wehrte unterdessen offiziellen Angaben zufolge in der Nacht zum Dienstag erneut eine ukrainische Drohne über der südwestlichen Grenzregion Brjansk ab. Der Flugkörper sei zerstört worden, teilte das Verteidigungsministerium in Moskau in seinem Telegram-Kanal mit. Es habe weder Schäden noch Opfer gegeben, berichtete der Gouverneur des Gebiets Brjansk, Alexander Bogomas, laut der staatlichen russischen Nachrichtenagentur Tass. Moskau hat in den vergangenen Wochen immer wieder von ähnlichen Drohnenangriffen berichtet.
+++ EU-Chefdiplomat in Kiew: Lassen uns von Raketen nicht einschüchtern +++
EU-Chefdiplomat Josep Borrell hat das Treffen der europäischen Außenminister in Kiew als historisch bezeichnet. Es sei das erste Mal gewesen, dass der Rat der EU-Außenminister außerhalb der Europäischen Union getagt habe, sagte er am Montag bei einer Pressekonferenz mit dem ukrainischen Außenminister Dmytro Kuleba in Kiew. Zudem sei es auch das erste Mal gewesen, dass man sich in einem EU-Beitrittskandidatenland und in einem Land im Krieg getroffen habe. Das Treffen sende zugleich ein starkes Signal an Russland. «Wir lassen uns von Euren Raketen oder Drohnen nicht einschüchtern», sagte Borrell.
«Natürlich hätten wir uns sehr gerne und viel lieber unter anderen Umständen getroffen», fügte er hinzu. Die Umstände seien aber nun mal so und man müsse die Ukraine bei der Bewältigung dieser Herausforderung unterstützen. «Mit ihrem Besuch in Kiew haben die Außenminister der Europäischen Union angesichts dieses ungerechten und illegitimen Krieges ein starkes Zeichen der Solidarität und Unterstützung an die Ukraine gesendet», sagte Borrell.