Ukraine-Krieg: Die Entwicklungen am Donnerstag

Seit dem russischen Einmarsch in die Ukraine herrscht in dem Land Krieg. Hier gibt's die aktuellen Entwicklungen.

Unser Ticker ist für heute beendet. Hier können Sie die wichtigsten Ereignisse des Tages nachlesen:

  • Über 1000 Russen vor Gericht wegen Fahnenflucht und Verweigerung

  • Kiew dämpft Erwartungen an Offensive

  • Lob für Xis Telefonat mit Selenskyj

  • Moskau reagiert zurückhaltend auf Gespräch zwischen Kiew und Peking

  • Nato-Generalsekretär begrüßt Austausch zwischen Kiew und Peking

  • US-Datenleck: Verdächtiger laut Staatsanwälten weiter sehr gefährlich

  • Tote nach russischen Angriffen in Ukraine - Selenskyj rügt «Terror»

  • Bundesregierung: Telefonat von Xi und Selenskyj gutes Signal

Die aktuelle Newslage:

+++ Über 1000 Russen vor Gericht wegen Fahnenflucht und Verweigerung +++

Seit Beginn der Mobilmachung in Russland im vergangenen Herbst haben die Behörden Medien zufolge mehr als 1000 Soldaten wegen Fahnenflucht, unerlaubter Entfernung von der Truppe oder Befehlsverweigerung angeklagt. «Stand letzte Aprilwoche sind 1064 Fälle bei Militärgerichten eingegangen», berichtete das unabhängige Portal Mediazona am Donnerstag. Das Medium verweist darauf, dass die Strafen für solche Vergehen nach der Mobilmachung verschärft wurden.

Insbesondere seit Anfang März lasse sich ein rapider Anstieg von Verfahren gegen unwillige Mobilisierte beobachten. Im März wurden demnach rund 400 solcher Fälle aufgerollt - die bisher vorliegenden Zahlen für April deuten auf ein ähnlich hohes Ergebnis hin. In über 90 Prozent der Fälle geht es laut Mediazona um das unerlaubte Entfernen von der Truppe. Zwar ist nur ein kleiner Teil der Urteile zugänglich, aber demnach werden die Rekruten von den Gerichten zumeist zu einer Bewährungsstrafe verurteilt - und können damit wieder an die Front versetzt werden.

+++ Kiew dämpft Erwartungen an Offensive +++

Mit der möglicherweise kurz bevorstehenden ukrainischen Frühjahrsoffensive sind in dem von Russland angegriffenen Land große Hoffnungen verbunden. Der ukrainische Verteidigungsminister Olexij Resnikow hat nun aber vor zu hohen Erwartungen gewarnt. «Sie sind definitiv überhöht, alle möchten den nächsten Sieg», sagte der 56-Jährige am Donnerstag in einem Interview der Nachrichtenagentur RBK-Ukrajina. Resnikow erinnerte daran, dass anfänglich nur gehofft wurde, dass das Land irgendwie überlebt. «Doch als die Streitkräfte der Ukraine Erfolge zeigten, begannen alle an den Sieg zu glauben», führte der Minister aus.

Zuversichtlich äußerte sich unterdessen Nato-Generalsekretär Jens Stoltenberg. Der Westen habe der Ukraine in den vergangenen Monaten 230 Panzer und mehr als 1550 gepanzerte Fahrzeuge für mehr als neun Panzerbrigaden geliefert. Sie bestehen jeweils aus mehreren Tausend ukrainischen Soldatinnen und Soldaten. «Damit wird die Ukraine in eine starke Position versetzt, besetztes Territorium zurückzuerobern», sagte Stoltenberg am Rande eines Treffens mit dem luxemburgischen Regierungschef Xavier Bettel in Brüssel. Sein Sprecher ergänzte, insgesamt habe die Ukraine seit Kriegsbeginn «Hunderte Panzer» und «Tausende andere gepanzerte Fahrzeuge» erhalten.

Zugleich warnte Stoltenberg davor, die Fähigkeiten der russischen Streitkräfte zu unterschätzen. Sie versuchten, mangelnde Qualität durch Quantität auszugleichen. «Wir sehen, dass Russland weiter mehr Personal mobilisiert», sagte er. Bei den Kämpfen um die ukrainische Stadt Bachmut habe man zudem gesehen, dass Russland bereit sei, eine hohe Zahl an Toten und Verletzten in Kauf zu nehmen.

+++ Lob für Xis Telefonat mit Selenskyj +++

Das Telefonat des ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenskyj mit Chinas Staats- und Parteichef Xi Jinping ist international als positives Zeichen gewertet worden. Lob für Selenskyjs Gespräch mit Xi, der eher als Vertrauter von Kremlchef Wladimir Putin bekannt ist, kam etwa aus Berlin und Washington. Auch der ukrainische Staatschef selbst sprach später von einem ««langen und ziemlich vernünftigen Gespräch».

«Nun besteht die Möglichkeit, unseren ukrainisch-chinesischen Beziehungen neue Impulse zu verleihen», sagte Selenskyj in seiner abendlichen Videoansprache am Mittwoch. «Es besteht die Möglichkeit, Chinas politischen Einfluss zu nutzen, um die Prinzipien und Regeln, auf denen Frieden basieren sollte, wieder zu stärken.»

China sei - ebenso wie die Ukraine und die Mehrheit der Weltgemeinschaft - an der Stärke souveräner Nationen, deren territorialer Integrität sowie der Vermeidung atomarer Katastrophen interessiert, fügte Selenskyj hinzu. «Wir haben vereinbart, unsere Kommunikation fortzusetzen.»

+++ Moskau reagiert zurückhaltend auf Gespräch zwischen Kiew und Peking +++

Russland hat zurückhaltend auf das erste Telefonat zum Krieg in der Ukraine zwischen Chinas Partei- und Staatschef Xi Jinping und Präsident Wolodymyr Selenskyj in Kiew reagiert. «Wir sind bereit, alles zu begrüßen, was eine Beendigung des Konflikts und das Erreichen aller von Russland gesteckten Ziele näher bringt», sagte Kremlsprecher Dmitri Peskow der russischen staatlichen Nachrichtenagentur Tass zufolge am Donnerstag. Russland fordert etwa einen Verzicht der Ukraine auf einen Nato-Beitritt, weil sich die Atommacht dadurch in ihrer Sicherheit bedroht sieht.

Die russische Führung hatte sich auch nach einem Besuch von Xi Jinping im März in Moskau offen gezeigt für die Bemühungen Pekings um eine Waffenruhe und Friedensverhandlungen. Der prominente russische Außenpolitiker Leonid Sluzki kritisierte nach dem Telefonat Selenskyjs mit Xi, dass Kiew weiter auf seinen Positionen verharre und eine Feuerpause ablehne. Xi kündigte an, einen Sonderbeauftragten in die Ukraine und andere Länder schicken zu wollen, um sich mit allen Parteien über eine politische Lösung auszutauschen.

+++ Nato-Generalsekretär begrüßt Austausch zwischen Kiew und Peking +++

Nato-Generalsekretär Jens Stoltenberg hat das Telefonat von Chinas Staats- und Parteichef Xi Jinping mit dem ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenskyj begrüßt. «Es ist wichtig, dass China die ukrainischen Standpunkte besser versteht», sagte der Norweger am Donnerstag am Rande eines Treffens mit dem luxemburgischen Regierungschef Xavier Bettel in Brüssel.

Mit Blick auf die Frage, ob er sich von China die Vermittlung von Friedensgesprächen wünsche, wies Stoltenberg darauf hin, dass China den russischen Angriffskrieg gegen die Ukraine bis heute nicht verurteilt hat. Zudem betonte er, es sei an der Ukraine zu entscheiden, unter welchen Bedingungen Gespräche möglich sein könnten.

Voraussetzung für sinnvolle Verhandlungen sei, dass die Ukraine dem russischen Präsidenten Wladimir Putin durch militärische Stärke zeige, dass er auf dem Schlachtfeld nicht gewinnen werde, betonte Stoltenberg. Wer wolle, dass sich die Ukraine als souveräne und unabhängige Nation durchsetze, müsse das Land militärisch unterstützen wie es die Nato-Verbündeten täten.

+++ US-Datenleck: Verdächtiger laut Staatsanwälten weiter sehr gefährlich +++

Im Verfahren um das kürzlich aufgedeckte Datenleck von Dokumenten der US-Geheimdienste fordert die Anklage, den festgenommenen IT-Spezialisten des Militärs im Gefängnis zu belassen. Es bestehe große Fluchtgefahr, argumentieren die Staatsanwälte in einem Schreiben, das vor einem für diesen Donnerstag geplanten Haftprüfungstermin bei Gericht eingereicht wurde. Dem 21-jährigen Jack Teixeira drohen demnach bei einer Verurteilung mindestens 25 Jahre Gefängnis.

Er sei weiter ein große Gefahr für die nationale Sicherheit. «Er hat möglicherweise noch immer Zugang zu einer Fülle geheimer Informationen, die für feindliche Staaten von enormem Wert wären», heißt es in dem 18-seitigen Schreiben. «Diese könnten ihm einen sicheren Unterschlupf bieten und versuchen, seine Flucht aus den USA zu erleichtern.» Die Informationen, zu denen Teixeira Zugang hatte, gingen demnach weit über das hinaus, was bislang bekannt sei: «Der Schaden, den der Angeklagte noch anrichten kann, ist außerordentlich.»

(Symbolbild: Kylie Cooper for The Washington Post via Getty Images)
(Symbolbild: Kylie Cooper for The Washington Post via Getty Images)

Laut der Staatsanwaltschaft wollen Teixeiras Anwälte erreichen, dass er bis auf Weiteres aus der Haft entlassen wird und bei seinem Vater wohnen darf. Der Nationalgardist war am 13. April in seinem Wohnort North Dighton im Bundesstaat Massachusetts festgenommen worden. Er steht im Verdacht, eine ganze Reihe Geheimpapiere in einem Chat-Raum veröffentlicht zu haben, unter anderem zum Ukraine-Krieg. Von dort aus verbreiteten sich diese im Netz. Zur Last gelegt werden Teixeira die unbefugte Entfernung, Aufbewahrung und Übermittlung von Verschlusssachen und Informationen zur Landesverteidigung.

+++ Tote nach russischen Angriffen in Ukraine - Selenskyj rügt «Terror» +++

Bei neuen russischen Angriffen in der Ukraine sind mindestens sechs Menschen getötet und mehr als 20 weitere verletzt worden. In der Stadt Mykolajiw im Süden schlugen nach Behördenangaben vier Raketen vom Typ Kalibr ein. Dabei kam ein Mensch ums Leben, 23 weitere wurden verletzt. Es habe sich um den schwersten Schlag seit vier Monaten gehandelt, hieß es. Der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj warf Russland am Donnerstag Terror vor. In den Gebieten Saporischschja und Donezk teilten die Behörden mit, dass bei russischen Angriffen am Vortag fünf Menschen getötet und vier weitere verletzt worden seien.

«Das Invasionsland hört nicht auf zu beweisen, dass das Hauptziel dieses Kriegs Terror, die Zerstörung der Ukrainer und von allem Ukrainischen ist», sagte Selenskyj. Die Raketen auf Mykolajiw seien vom Schwarzen Meer aus gezielt auf Privathäuser, ein historisches Gebäude und auf ein Hochhaus abgefeuert worden.

+++ Bundesregierung: Telefonat von Xi und Selenskyj gutes Signal +++

Die Bundesregierung wertete das Telefonat von Selenskyj und Xi als gutes Signal. China habe als ständiges Mitglied des UN-Sicherheitsrats eine «besondere Verantwortung zur Beendigung des völkerrechtswidrigen russischen Angriffskriegs gegen die Ukraine», sagte ein Regierungssprecher. «Dass es nun einen Dialog zwischen der Ukraine und China auf höchster Ebene gibt, ist ein gutes Signal.»

Die deutsche Haltung zum Krieg bleibe dabei unverändert, betonte der Sprecher: «Grundlage für die Entwicklung eines fairen Friedens in der Ukraine ist ein Truppenrückzug Russlands.»

Auch die US-Regierung begrüßte das Telefonat. «Wir denken, das ist eine gute Sache», sagte der Kommunikationsdirektor des Nationalen Sicherheitsrates, John Kirby. Die US-Regierung habe schon seit geraumer Zeit gesagt, dass es wichtig für Xi und die chinesische Regierung wäre, sich die ukrainische Perspektive auf den russischen Angriffskrieg anzuhören. Ob das zu einer bedeutsamen Entwicklung hin zu Frieden führen könne, sei aber noch unklar.

+++ Ukraine und Russland tauschen erneut Kriegsgefangene aus +++

Die Ukraine und Russland tauschten derweil erneut Kriegsgefangene aus. «Uns ist es gelungen, 44 unserer Leute nach Hause zu holen», schrieb der Chef des Präsidentenbüros in Kiew, Andrij Jermak, bei Telegram. Es seien 36 Soldaten und 6 Offiziere, die unter anderem im vergangenen Jahr die südostukrainische Hafenstadt Mariupol verteidigt hätten. Zudem seien zwei Zivilisten frei gekommen. Das russische Verteidigungsministerium teilte mit, 40 eigene Soldaten ausgetauscht zu haben. Die Männer seien bereits mit dem Flugzeug nach Moskau gebracht worden.

+++ Nato-Generalsekretär will schnelleren Ausbau der Rüstungsproduktion +++

Nato-Generalsekretär Jens Stoltenberg forderte die Mitgliedstaaten des Verteidigungsbündnisses zu mehr Tempo beim Ausbau der Produktionskapazitäten für Waffen und Munition auf. Es gehe darum, weitreichender und rascher zu handeln, sagte der Norweger zum Auftakt einer zweitägigen Konferenz nationaler Rüstungsdirektoren in der Nato-Zentrale in Brüssel. Es müssten die von dem Bündnis benötigten militärischen Fähigkeiten beschafft werden, und man müsse dafür gemeinsam und mit der Industrie zusammenzuarbeiten.