Ukraine-Krieg: Die Entwicklungen am Freitag

Seit dem russischen Einmarsch in die Ukraine herrscht in dem Land Krieg. Hier gibt's die aktuellen Entwicklungen.

Unser Ticker ist für heute beendet. Hier können Sie die wichtigsten Ereignisse des Tages nachlesen.

  • Vernichtung von Russlands Armee? Warnung von Borrell erregt Aufsehen

  • EU-Staaten billigen Plan zur Ausbildung ukrainischer Soldaten

  • Russische Besatzer in Cherson rufen Zivilisten zur Flucht auf

  • Russlands mobilisierte Soldaten an der Front

  • Ukraine setzt dem Roten Kreuz eine Frist

Die aktuelle Newslage im Livestream:

+++ Vernichtung von Russlands Armee? Warnung von Borrell erregt Aufsehen +++

Würde die EU im Fall eines russischen Atomwaffen-Einsatzes gegen die Ukraine direkt in den Krieg eingreifen? Der Auswärtige Dienst der EU will eine aufsehenerregende Warnung an Russlands Präsidenten Wladimir Putin nicht konkretisieren. Eine Sprecherin wiederholte am Freitag lediglich allgemeine Äußerungen, nachdem der EU-Außenbeauftragte Josep Borrell zuvor mit einer Vernichtung der russischen Armee gedroht hatte. Es stehe außer Frage, dass Europa und seine Verbündeten auf den Einsatz von Atomwaffen reagieren müssten, sagte sie. Ein Atomangriff hätte «schwerwiegende Folgen».

Der EU-Abgeordnete Josep Borrell  (Bild: Thierry Monasse/Getty Images)
Der EU-Abgeordnete Josep Borrell (Bild: Thierry Monasse/Getty Images)

Borrell hatte am Donnerstag in einer Rede zu russischen Drohungen mit einem Atomwaffeneinsatz gesagt: «Auf jeden nuklearen Angriff auf die Ukraine wird es eine Antwort geben - keine nukleare Antwort, aber eine so kraftvolle militärische Antwort, dass die russische Armee vernichtet wird.» Russlands Präsident Putin sage, er bluffe nicht. Die USA, die Nato und die EU blufften aber auch nicht.

«Das ist ein ernster Moment in der Geschichte, und wir müssen unsere Einheit, unsere Stärke und unsere Entschlossenheit zeigen - vollständige Entschlossenheit», ergänzte er in der Rede am Europakolleg in Brügge.

+++ EU-Staaten billigen Plan zur Ausbildung ukrainischer Soldaten +++

Ukrainischen Streitkräften wird bereits seit Monaten westliches Know-how für den Kampf gegen die Angreifer aus Russland vermittelt. Jetzt wird auch die EU dabei eine Rolle einnehmen - in beachtlichem Umfang und mit signifikanter Unterstützung Deutschlands.

Der Ausschuss der ständigen Vertreter der 27 Mitgliedstaaten billigte am Freitag in Brüssel einstimmig Pläne, die Trainingsprogramme für rund 15 000 Soldaten vorsehen, wie mehrere Diplomaten der Deutschen Presse-Agentur bestätigten.

Um das Risiko zu minimieren, dass Russland die Ausbildungsmission angreift, wird die Ausbildung nicht in der Ukraine, sondern in Ländern wie Polen und Deutschland organisiert.

Um das Risiko zu minimieren, dass Russland die Ausbildungsmission angreift, wird die Ausbildung nicht in der Ukraine, sondern in Ländern wie Polen und Deutschland organisiert. (Bild: Alexander Koerner/Getty Images)
Um das Risiko zu minimieren, dass Russland die Ausbildungsmission angreift, wird die Ausbildung nicht in der Ukraine, sondern in Ländern wie Polen und Deutschland organisiert. (Bild: Alexander Koerner/Getty Images)

Bundesverteidigungsministerin Christine Lambrecht hatte am Donnerstag am Rande eines Nato-Treffens in Brüssel gesagt, Deutschland werde einen signifikanten Beitrag zu der Mission leisten. Nach Angaben aus EU-Kreisen soll die Bundeswehr in den nächsten Monaten bis zu 5000 ukrainische Soldaten ausbilden. Die EU-Mission ist zunächst auf zwei Jahre angleget. Sie soll zum Beispiel Scharfschützen ausbilden und Fähigkeiten in Bereichen wie Minenräumung und Sanitätsdienst vermitteln.

+++ Russische Besatzer in Cherson rufen Zivilisten zur Flucht auf +++

Unter dem zunehmenden Druck der ukrainischen Gegenoffensiven haben die russischen Besatzer im südlichen Gebiet Cherson Zivilisten zur Flucht aufgerufen. Zu ihrer eigenen Sicherheit werde den Menschen empfohlen, nach Russland auszureisen, schrieb der von Moskau eingesetzte Verwaltungschef Kirill Stremoussow am Freitag auf Telegram. Der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj verkündete, er habe mit der Militärführung seines Landes «Schritte zur weiteren Befreiung der ukrainischen Gebiete skizziert».

Die britische «Financial Times» berichtete unter Berufung auf nicht näher genannte westliche Militärexperten, die ukrainischen Truppen könnten möglicherweise schon in der kommenden Woche in Cherson bis zum Fluss Dnipro durchstoßen. Cherson zählt neben Saporischschja, Luhansk und Donezk zu den vier ukrainischen Gebieten, die Kremlchef Wladimir Putin Ende September völkerrechtswidrig annektieren ließ.

+++ Russlands mobilisierte Soldaten an der Front +++

Der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj sieht seine Streitkräfte unter Druck durch den Zustrom von frisch mobilisierten Soldaten auf der russischen Seite. Zwar verheize Russland diese Männer nur als Kanonenfutter, trotzdem machten sie die Aufgabe für die ukrainischen Verteidiger schwieriger, sagte Selenskyj in seiner Videoansprache.

Die zweitgrößte Stadt der Ukraine, Charkiw, wurde abends erneut mit russischen Raketen beschossen. Russische Marschflugkörper schlugen auch im Westen des Landes in einem Militärobjekt bei der Stadt Solotschiw ein. Am Freitag ist für die Ukraine der 233. Tag des Abwehrkampfes gegen die russische Invasion.

In der europäischen Energiekrise, verursacht durch den russischen Angriffskrieg auf die Ukraine, erreichte Deutschland den vorgesehenen Speicherstand von 95 Prozent Erdgas vor Winterbeginn. Der russische Ölkonzern Rosneft klagte in Deutschland gegen die vom Bund verfügte Zwangsverwaltung seiner Raffinerie-Tochterfirmen.

+++ Selenskyj: Russland wirft Tausende Mobilisierte an die Front +++

Der russische Präsident Wladimir Putin hatte im September eine Teilmobilisierung von 300 000 Soldaten angekündigt, um Verluste im Ukraine-Krieg auszugleichen. Tatsächlich trifft die Mobilisierung aber alle Teile der russischen Gesellschaft. Hunderttausende Männer sind vor der Einberufung ins Ausland geflohen.

Die eingezogenen Soldaten werden nach Berichten oft ohne Ausbildung und schlecht bewaffnet an die Front geschickt. Am Donnerstag wurde der Tod von fünf solcher Männer aus dem sibirischen Gebiet Tscheljabinsk offiziell bestätigt. Andere Soldaten geraten schnell in ukrainische Gefangenschaft.

«Jetzt wirft Russland Tausende seiner mobilisierten Männer an die Front», sagte Selenskyj. Dabei brauchten die russischen Kommandeure diese Soldaten gar nicht: «Sie erwarten, dass die mobilisierten Russen im Krieg zumindest ein paar Wochen überleben und dann sterben.» Dann würden neue Soldaten geschickt. «Aber diese Zeit ermöglicht es den russischen Generälen, ihre Leute als Kanonenfutter zu benutzen, um zusätzlichen Druck auf unsere Verteidiger auszuüben.»

Der Druck sei spürbar. «Ich bin all unseren Soldaten dankbar, die das ertragen», sagte der ukrainische Staatschef. Er danke auch den internationalen Partnern, die verstehen, dass die Ukraine unter diesen Bedingungen noch mehr Militärhilfe brauche.

+++ Ukraine setzt dem Roten Kreuz eine Frist +++

Die Ukraine macht Druck auf das Internationale Komitee vom Roten Kreuz (IKRK), sich stärker um ukrainische Soldaten in russischer Gefangenschaft zu kümmern. Bei einer Videoschalte gab der Chef des Kiewer Präsidialamtes, Andrij Jermak, dem IKRK eine Frist von drei Tagen, das russische Gefangenenlager Oleniwka bei Donezk zu besuchen. «Wir können nicht noch mehr Zeit vergeuden. Menschenleben stehen auf dem Spiel», sagte er.

In Oleniwka waren im Juli mehr als 50 ukrainische Gefangene bei einer Explosion getötet worden. Die Ukraine geht davon aus, dass in dem Gebäude absichtlich eine Bombe gezündet wurde. Das IKRK hat es bislang nicht geschafft, Zutritt zu dem Lager zu bekommen. Selenskyj sagte, das IKRK habe das Recht auf Zugang und müsse ihn nutzen.

+++ Grossis Pendeldiplomatie zum AKW Saporischschja +++

Der Chef der Internationalen Atomenergiebehörde (IAEA), Rafael Grossi, äußerte sich positiv nach Gesprächen mit den Präsidenten Russlands und der Ukraine zum Kernkraftwerk Saporischschja. «Die Arbeit geht weiter, und ich denke, dass wir gute Fortschritte machen», sagte Grossi am Donnerstagabend in Kiew zu Plänen für eine Sicherheitszone um das umkämpfte ukrainische Atomkraftwerk. Konkrete Signale der Zustimmung von Moskau und Kiew gab es aber nicht.

Grossi hatte vorige Woche in Kiew Selenskyj getroffen. Dann reiste er diese Woche zu Putin nach St. Petersburg, der Gesprächsbereitschaft signalisierte. Am Donnerstag war der IAEA-Generaldirektor erneut in Kiew und sprach mit Außenminister Dmytro Kuleba.

+++ Deutsche Gasspeicher knacken Marke von 95 Prozent +++

Mit einem Füllstand von 95,14 Prozent haben die Gasspeicher in Deutschland am Donnerstagabend die zum 1. November vorgegebene Marke frühzeitig erreicht. Mengenmäßig reiche das Gas für ungefähr zwei kalte Wintermonate, sagte der Präsident der Bundesnetzagentur, Klaus Müller. «Die gut gefüllten Speicher werden uns im Winter helfen.»

Zugleich betonte der Behördenchef, dass die Speicher nicht für die ganze Heizperiode ausreichten und zusätzliche Anstrengungen nötig seien. Dazu zählte er neue Flüssiggas-Terminals an Deutschlands Küste. Außerdem müsse die Gasversorgung auch in den Nachbarstaaten stabil bleiben, und der inländische Gasverbrauch müsse um mindestens 20 Prozent sinken, sagte Müller.