Ukraine-Krieg: Die Entwicklungen am Samstag

Seit dem russischen Einmarsch in die Ukraine am 24. Februar 2022 herrscht in dem Land Krieg. Die aktuellen Entwicklungen im Überblick.

Unser Ticker ist für heute beendet. Hier können Sie die wichtigsten Ereignisse des Tages nachlesen:

  • EU steckt 50 Millionen Euro in Reparatur ukrainischer Häfen

  • Selenskyj an Holodomor-Gedenktag: Genozid-Erinnerung «extrem wichtig»

  • Ukraine meldet erneut Drohnenangriffe auf Kiew

  • Kiew verspricht Wehrpflichtigen Entlassung

  • Selenskyj wechselt mehrere Generäle bei Nationalgarde aus

  • Selenskyj macht weiter Druck auf EU wegen Beitrittsverhandlungen

  • Nach Wahlsieg von Wilders: Sorgen über Ukraine-Hilfe aus Den Haag

  • Häufiger Luftalarm kostet die Ukraine monatlich 150 Millionen Euro

Die aktuelle Newslage:

+++ EU steckt 50 Millionen Euro in Reparatur ukrainischer Häfen +++

Die EU stellt der Ukraine 50 Millionen Euro für den Wiederaufbau und die Erweiterung seiner von russischen Angriffen beschädigten Häfen zur Verfügung. «Verbesserte Hafen-Kapazitäten beschleunigen den Export von Lebensmitteln und anderen Gütern, die die Ukraine an globale Märkte liefert», hieß es in einem Brief von EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen an den ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenskyj.

«Mit der Zeit sollten unsere Investitionen es den Häfen der Ukraine erlauben, zu Exportmengen von vor dem Krieg zurückzukehren», hieß es sam Samstag weiter. Auf der Plattform X, vormals Twitter, schrieb von der Leyen zu dem dort veröffentlichten Brief: «Trotz des Krieges ernährt die Ukraine weiterhin die Welt. In diesen Bemühungen können Sie auf die EU zählen.» Die 50-Millionen-Zusage fiel zusammen mit einem internationalen Gipfel zur Lebensmittelsicherheit in der ukrainischen Hauptstadt Kiew.

Die Ukraine, die sich seit der russischen Invasion im Februar 2022 im Krieg mit Nachbarland Russland befindet, ist einer der größten Getreide-Exporteure der Welt. Vor allem die russische Blockade seiner Schwarzmeer-Häfen hat es der Ukraine erheblich erschwert, seine Produkte auf die internationalen Märkte zu bringen. Als Schlüssel-Schnittstelle zum internationalen Exportgeschäft hat Russlands Armee zudem die Infrastruktur der ukrainischen Häfen mehrfach ins Visier genommen.

+++ Selenskyj an Holodomor-Gedenktag: Genozid-Erinnerung «extrem wichtig» +++

Am Gedenktag der gezielt herbeigeführten Hungersnot von 1932 und 1933 («Holodomor») hat der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj die Einstufung dieses sowjetischen Verbrechens als Völkermord für «extrem wichtig» erklärt. «Sie wollten uns demütigen, töten, ausrotten. Sie haben versagt», sagte Selenskyj am Samstag in einer Ansprache, in der er an die Hungerkatastrophe unter Sowjetführer Josef Stalin erinnerte. Diesem als Holodomor («Mord durch Hunger») bezeichneten Verbrechen fielen damals in der Ukraine Millionen Menschen zum Opfer. Selenskyj fügte hinzu: «Das Böse wurde nicht gestoppt. Es wurde nicht gesühnt. Und jetzt stoppen wir es.»

Er dankte allen Staaten, die den Holodomor bereits als Genozid anerkannt haben. «Die Gerechtigkeit breitet sich in der ganzen Welt aus. Die Welt muss davon wissen, die Welt muss das anerkennen, die Welt muss sich daran erinnern», sagte er. In Deutschland stufte der Bundestag den Holodomor im vergangenen Jahr als Völkermord ein.

Selenskyj prangerte außerdem an, dass Russlands Armee die Ukraine ausgerechnet in der Nacht vor dem Gedenktag mit einer Rekordanzahl von 75 Kampfdrohnen beschossen hatte. «Bewusster Terror. Gerade jetzt. Russlands Führung ist stolz darauf, dass sie töten kann.» Der Staatschef betonte, dass die heutigen russischen Täter konsequent zur Verantwortung gezogen werden müssten. «Denn obwohl es Verbrechen ohne Verjährungsfrist gibt, muss Gerechtigkeit rechtzeitig erfolgen.»

+++ 55 Migranten aus Russland in Finnland angekommen +++

In Finnland sind trotz der Schließung fast aller Grenzübergänge nach Russland am Samstag 55 Migrantinnen und Migranten aus dem Nachbarland angekommen. Bei der Mehrheit handele es sich um junge Männer, die die Grenze bei Raja-Jooseppi nördlich des Polarkreises überquert hätten, teilte der Grenzschutz dem Sender Yle zufolge mit. Die Grenzschützer seien nicht von der Situation überrascht worden, sagte der Chef der Grenzstation, Kimmo Louhelainen. «Wir sind auf größere Zahlen vorbereitet», sagte er. In Helsinki demonstrierten am Samstag etwa 100 Menschen gegen die Schließung der Übergänge.

Der finnische Grenzschutz hatte in den vergangenen Wochen eine sprunghaft gestiegene Zahl von Menschen vorwiegend aus dem Nahen Osten registriert, die ohne die erforderlichen Papiere mit Fahrrädern aus Russland einreisten und in Finnland Asyl beantragten. Nach offiziellen Angaben waren es seit Anfang August etwa 700. Die Regierung wirft Russland vor, Menschen ohne gültige Papiere nach Finnland durchzulassen. Daher schloss das Nato-Mitglied zuletzt fast alle Grenzübergänge zum östlichen Nachbarn. Nun ist nur noch der abgelegene Übergang Raja-Jooseppi in Lappland geöffnet. Dort können auch Asylanträge gestellt werden. Die Regelung gilt bis 23. Dezember.

+++ Deutsche Soldaten und Panzer bei Militärparade in Litauen +++

In Litauen haben rund 150 Soldaten und ein Dutzend Kampffahrzeuge der Bundeswehr am Samstag an einer Militärparade in Vilnius teilgenommen. Auf Einladung des baltischen Nato-Partners marschierten Soldaten aus Deutschland und anderen Nato-Staaten gemeinsam mit litauischen Kameraden durch das Zentrum der Hauptstadt. Auch mit deutschen und Nato-Flaggen geschmückte Militärfahrzeuge beteiligten sich vor zahlreichen Schaulustigen an der Parade am Tag der litauischen Streitkräfte. Darunter waren auch zwei Schützenpanzer Puma, die extra dafür nach Litauen verlegt wurden - und sich damit erstmals an der Nato-Ostflanke befanden.

Die Einladung und Teilnahme am Tag der litauischen Streitkräfte zeigt nach Angaben von Bundeswehr-Generalinspekteur Carsten Breuer «den Schulterschluss, den wir in der Nato, aber eben auch binational haben.» «Ich glaube, heute ist es noch einmal sehr deutlich geworden, dass wir uns committen als Deutschland, dass wir uns engagieren und dass wir auch gerade mit der deutschen Brigade in Litauen noch einmal ein sicherheitspolitisches Zeichen in alle Richtungen setzen», sagte Breuer der Deutschen Presse-Agentur in Vilnius am Rande der Parade. Litauens Armeechef Valdemaras Rupsys sagte der dpa, aus militärischer Sicht sehe er Deutschland als Hauptverbündeten seines Landes.

Deutschland will rund 4000 Soldaten permanent als gefechtsbereiten und eigenständig handlungsfähigen Verband in Litauen stationieren, der ebenfalls über den Schützenpanzer Puma verfügen wird. «Es ist eine sehr große Ehre, bei der Militärparade mitmachen zu dürfen», sagte der verantwortliche Panzergrenadier-Offizier. Die Anerkennung und Wertschätzung in Litauen sei hoch. «Man merkt in Litauen, dass das Militär noch viel mehr Teil der Gesellschaft ist».

+++ Hunderte bei Friedensdemonstration am Brandenburger Tor +++

Hunderte Menschen haben sich zum Beginn einer Friedensdemonstration gegen den Krieg in der Ukraine und Waffenlieferungen am Samstagmittag vor dem Brandenburger Tor in Berlin versammelt. Eine Polizeisprecherin schätzte die Teilnehmerzahl wenige Minuten nach dem Start der Veranstaltung um 13 Uhr auf rund 2000. Angemeldet sind bei der Polizei 10 000 Teilnehmer. Kurz nach Beginn der Veranstaltung kam die frühere Linken-Politikerin Sahra Wagenknecht, die derzeit eine neue Partei gründet, für eine Rede auf die Bühne.

Bei niedrigen Temperaturen und Nieselregen hielten Demonstranten Schilder mit Aufschriften wie «Nie wieder Krieg» oder dem Bild einer Friedenstaube in die Luft. Mehrere Plakate nahmen Bezug auf den Gaza-Krieg.

Die Demonstration fand unter dem Motto «Nein zu Kriegen - Rüstungswahnsinn stoppen - Zukunft friedlich und gerecht gestalten» statt. Die Initiatoren verurteilen den russischen Angriff und zugleich die Nato. Sie fordern einen Waffenstillstand und Verhandlungen mit Russland.

Nach der Kundgebung wollten die Demonstranten durch das Regierungsviertel laufen und mit einer weiteren Kundgebung am Brandenburger Tor enden.

+++ Ukraine meldet erneut Drohnenangriffe auf Kiew +++

Russland hat Kiew in der Nacht zu Samstag nach ukrainischen Angaben erneut mit Drohnen angegriffen. Kiews Bürgermeister Vitali Klitschko berichtete auf Telegram von Trümmern abgeschossener Drohnen, die in der Hauptstadt abgestürzt seien. Dadurch seien an mehreren Stellen Brände ausgebrochen, unter anderem in einem Wohngebäude und einem Kindergarten. Mehrere Menschen seien verletzt worden, darunter ein elfjähriges Kind. Die Menschen sollten in den Notunterkünften bleiben, da der Angriff weiter gehe.

Vitali Klitschko, Oberbürgermeister der Stadt Kiew
Vitali Klitschko, Oberbürgermeister der Stadt Kiew

Nach Angaben der Militärverwaltung in Kiew brach infolge von abstürzenden Trümmerteilen in einem unbewohnten Areal ein Feuer auf 100 Quadratmetern Fläche aus. Zudem sei am Ostufer des Flusses Dnipro wegen herabstürzenden Trümmern ein Hochhaus in Brand geraten.

Die «Ukrainska Prawda» schrieb auf Twitter, Kiew werde von Drohnen angegriffen, die Luftabwehr sei im Einsatz. Ein dpa-Reporter berichtete von heftigem, lang andauerndem Flugabwehrfeuer.

+++ Kiew verspricht Wehrpflichtigen Entlassung +++

Trotz des anhaltenden russischen Angriffskriegs will die ukrainische Führung Soldaten am Ende ihrer Pflichtwehrdienstzeit aus den Streitkräften entlassen. Es gehe um Wehrpflichtige, die noch vor Beginn des Kriegs eingezogen worden seien, sagte Präsident Wolodymyr Selenskyj am Freitag in seiner täglichen Videobotschaft. Laut dem Sekretär des Nationalen Sicherheits- und Verteidigungsrats der Ukraine, Olexij Danilow, bat Selenskyj die Militärführung darum, diese Soldaten zu demobilisieren. Über den Zeitpunkt der Entlassungen gab es noch keine konkreten Angaben.

Die Versprechungen gelten als Zugeständnis an die Soldaten, die seit Beginn des russischen Angriffskriegs vor 21 Monaten an der Front gekämpft haben. In den vergangenen Wochen gab es mehrere Demonstrationen von Angehörigen dieser Wehrdienstleistenden, die eine stärkere Rotation forderten, um den Kämpfern die Möglichkeit zu geben, sich für einen längeren Zeitraum zu erholen. Laut dem derzeit geltenden Kriegsrecht können die Soldaten allerdings nicht so ohne weiteres demobilisiert werden. Dazu müsste ein neues Gesetz verabschiedet werden.

Während Danilow erklärte, die Entlassungen sollten schon in nächster Zeit beginnen, hielt sich Selenskyj selbst deutlich bedeckter. In der nächsten Woche soll demnach erst einmal ein konkreter Plan zur Mobilmachung vorgestellt werden. Das teilte Selenskyj bei einer Pressekonferenz mit Lettlands Präsident Edgars Rinkēvičs mit. Derzeit dienen rund 820 000 Ukrainer in den Streitkräften. Um zumindest einen Teil der Wehrpflichtigen für eine bestimmte Zeit nach Hause schicken zu können, müssen andere Soldaten rekrutiert werden, damit die Front nicht zusammenbricht.

+++ Selenskyj wechselt mehrere Generäle bei Nationalgarde aus +++

Kurzen Prozess machte Selenskyj derweil mit der Führung der Nationalgarde. Per Erlass entließ er dort mehrere hochrangige Generäle. Als höchster Offizier musste der 1. stellvertretende Chef der Nationalgarde, Generalleutnant Wolodymyr Kondratjuk, gehen, wie aus den am Freitag veröffentlichten Präsidialerlassen hervorgeht. Daneben traf es drei weitere Stellvertreter. Bis auf einen waren alle Generäle schon vor dem Krieg im Amt. Die Hintergründe der Entlassungen sind noch unklar.

+++ Selenskyj macht weiter Druck auf EU wegen Beitrittsverhandlungen +++

Die Ukraine hofft nach Angaben Selenskyjs auf den Beginn von Beitrittsverhandlungen zur EU im Dezember. Bei einem Treffen habe er Lettlands Präsidenten Rinkēvičs darüber informiert, wie die Ukraine die Empfehlungen der Europäischen Kommission umgesetzt habe und dass das Land bereit zu Beitrittsgesprächen im Dezember sei, sagte er am Freitag in seiner täglichen Videobotschaft. «Wir warten auf diese Entscheidung und darauf, dass die Europäische Union ihre Versprechen erfüllt», fügte Selenskyj hinzu.

Lettlands Präsident Edgars Rinkēvičs beim Treffen mit Wolodymyr Selenskyj
Lettlands Präsident Edgars Rinkēvičs beim Treffen mit Wolodymyr Selenskyj

Zudem berichtete Selenskyj von einem Gespräch mit dem scheidenden niederländischen Premierminister Mark Rutte. Er habe diesem für die jüngste Entscheidung gedankt, im kommenden Jahr zusätzliche zwei Milliarden Euro zur Verfügung zu stellen. «Die Verteidigung unserer europäischen Lebensart muss weitergehen, und die Einheit Europas ist dafür ein Schlüsselelement», sagte er.

+++ Nach Wahlsieg von Wilders: Sorgen über Ukraine-Hilfe aus Den Haag +++

Selenskyjs Aussagen sind insofern interessant, weil sich nach dem Wahlsieg des niederländischen Rechtspopulisten Geert Wilders westliche Verbündete über die Fortsetzung der Militärhilfe an Ukraine sorgen. Die niederländische Verteidigungsministerin Kajsa Ollongren teilte am Freitag in Den Haag mit, dass sie von mehreren ausländischen Kollegen darauf angesprochen worden sei. Sie fürchteten, dass die Niederlande die Lieferung von militärischen Mitteln wie etwa die F-16-Kampflugzeuge stoppen würden, sobald Wilders der Regierung angehöre. «Ich hoffe und erwarte, dass die Unterstützung bleibt», sagte die Ministerin.

Geert Wilders
Geert Wilders

Doch die Wilders-Partei für die Freiheit (PVV) sei nun mal die größte, sagte Ollongren. «Die PVV war in der Vergangenheit nie begeistert über die Unterstützung der Ukraine, ja hat sich sogar auch pro-russisch geäußert.» Im Wahlprogramm spricht sich die PVV gegen weitere Militärhilfen aus. «Wir schicken unser Geld und militärisches Material wie die F-16 nicht in die Ukraine, sondern behalten sie für unsere eigene Armee.»

+++ Häufiger Luftalarm kostet die Ukraine monatlich 150 Millionen Euro +++

Der häufige Luftalarm wegen der Gefahr eines russischen Raketenangriffs in der Ukraine ist nicht nur lästig, sondern auch teuer. Jeder Tag erzwungenen Stillstands durch Luftalarme koste den ukrainischen Haushalt drei Milliarden Hrywna (etwa 76 Millionen Euro) an Steuereinnahmen, rechnete der Chef des Steuerkomitees im Parlament, der Werchowna Rada, Danylo Hetmanzew, am Freitag auf seinem Telegram-Kanal vor. Pro Monat würden durch die häufigen Alarmsirenen mindestens zwei Tage verloren gehen. Damit liege der Verlust für Budget und Rentenkasse bei monatlich sechs Milliarden Hrywna (152 Millionen Euro).