News zum Ukraine-Krieg - Ärztin schrieb Ukrainer wehrunfähig – sie verdiente Millionen damit
Der neue Nato-Chef Mark Rutte hat bei seinem Besuch in Kiew die Unterstützung des Bündnisses für die Ukraine bekräftigt. Selenskyj hofft nun, dass den Worten auch Taten folgen. Deutsche Landespolitiker fordern derweil mehr Diplomatie. Alle Entwicklungen im Ticker.
Ärztin schrieb Ukrainer wehrunfähig – sie verdiente Millionen damit
17.55 Uhr: Millionen Euro soll die Leiterin einer medizinischen Kommission in der Westukraine mit dem Ausstellen von Invaliditätsbescheinigungen für wehrfähige Männer verdient haben. Bei Razzien in ihrer Wohnung und am Arbeitsplatz in der Stadt Chmelnyzkyj beschlagnahmten Polizisten umgerechnet über fünf Millionen Euro in bar, hauptsächlich in US-Dollar. „Die Ordnungshüter fanden Geld praktisch in jeder Ecke der Wohnung – in Schränken, Schubladen, Nischen“, teilte das Staatliche Ermittlungsbüro mit. Die Verdächtige habe zudem versucht, während der Hausdurchsuchung zwei Taschen mit einer halben Million US-Dollar aus dem Fenster zu werfen. In ihrem Kabinett seien Listen mit Namen von Männern gefunden worden, die sich fiktive Erkrankungen hatten bescheinigen lassen.
Zusammen mit ihrem Sohn, einem der Chefs des Rentenfonds für das Gebiet Chmelnyzkyj und anderen Familienmitgliedern habe die Frau zudem 30 Immobilien in der Ukraine, neun Luxusautos, Unternehmensrechte im Millionenwert und ein Hotel erworben. Von den illegalen Einnahmen seien zudem Immobilien in Österreich, Spanien und der Türkei gekauft worden. Auf Auslandskonten befänden sich zudem weitere umgerechnet mehr als zwei Millionen Euro. Einem Bericht des öffentlich-rechtlichen Fernsehens zufolge ist die 64-Jährige auch Abgeordnete der Präsidentenpartei Diener des Volkes im Gebietsrat von Chmelnyzkyj. Den Verdächtigen drohen nun wegen Betrugs in besonders großem Umfang und unrechtmäßiger Bereicherung zwölf Jahre Gefängnis.
Parallel dazu überführte die Staatsanwaltschaft im ostukrainischen Gebiet Charkiw 13 Mediziner, die für umgerechnet über 2.200 Euro pro Person mehr als 400 Männern Invaliditätsbescheinigungen ausgestellt haben sollen.
Nach dem russischen Einmarsch im Februar 2022 wurde eine Mobilmachung in der Ukraine angeordnet. Viele Männer im wehrfähigen Alter zwischen 18 und 60 Jahren versuchen, sich durch gefälschte Untauglichkeitsdokumente dem Wehrdienst zu entziehen.
Selenskyj würdigt Ruttes Besuch als „richtungsweisend“
Freitag, 4. Oktober, 4.59 Uhr: Der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj hat den Besuch von Nato-Generalsekretär Mark Rutte in Kiew nur zwei Tage nach dessen Amtsantritt als „richtungsweisend“ gewürdigt. „Jetzt geht es darum, diese Priorität mit Entscheidungen zu füllen“, sagte Selenskyj in seiner allabendlichen Videoansprache. Vor allem müssten alle Vereinbarungen mit den Partnern der Ukraine zur Unterstützung der Verteidigung seines Landes vollständig umgesetzt werden, betonte er mit Anspielung auf bisher nicht erfüllte oder umgesetzte Zusagen.
„Die Frontlinie muss gestärkt werden“, nannte Selenskyj eine der Prioritäten. Daneben müssten die Partner der Forderung Kiews nach einer Erlaubnis zum Einsatz weitreichender Waffen gegen militärische Ziele auf russischem Staatsgebiet zustimmen. „Jeder im Bündnis ist sich über den Bedarf im Klaren“, sagte der Präsident.
Selenskyj nannte zudem die Luftverteidigung als weitere Priorität. Trotz vieler Fortschritte bei der Bekämpfung von russischen Raketen und Drohnen sei noch kein vollständiger Schutzschirm aufgebaut worden. Er kritisierte dabei fehlende Entscheidungen der Nato-Nachbarn zu einer gemeinsamen Abwehr russischer Luftangriffe.
„Was am Himmel des Nahen Ostens funktioniert und zur Verteidigung Israels beiträgt, kann auch am Himmel unseres Teils von Europa – der Ukraine – funktionieren und helfen, Leben zu retten“, sagte Selenskyj. „Heute haben wir mit Mark Rutte unter anderem darüber gesprochen, und wir werden weiterhin alle unsere Partner davon überzeugen, was umgesetzt werden muss – was für einen wirksamen Schutz des Luftraums erforderlich ist.“
Rutte und Selenskyj hatten demnach auch über die Aussichten eines Nato-Beitritts der Ukraine gesprochen. Es gehe der Ukraine dabei nicht nur um Stärke, sondern vielmehr darum, durch einen Beitritt zum euro-atlantischen Bündnis „die alte und kriminelle russische Versuchung, die Lebensordnung in Europa zu stören, zuverlässig ausschalten zu können“. Geopolitische Gewissheit sei ein außerordentlicher Wert für die Ukraine und für ganz Europa und eine verlässliche Grundlage für den Frieden.
Bei einem gemeinsamen Auftritt mit Selenskyj hatte Rutte erklärt, es sei wichtig, dass er Kiew zu Beginn seines Mandats besuche, „um allen Beobachtern klarzumachen“, dass die Nato an der Seite der Ukraine stehe. Rutte betonte zudem, dass das Land dem Bündnis näher sei als je zuvor. Die Ukraine werde diesen Weg fortsetzen, bis es Mitglied der Nato werde.
Kretschmer, Voigt und Woidke für mehr diplomatischen Einsatz
17.54 Uhr: Die Ministerpräsidenten von Sachsen und Brandenburg und der Thüringer CDU-Chef haben sich für ein stärkeres diplomatisches Engagement Deutschlands zur Beendigung des russischen Kriegs gegen die Ukraine ausgesprochen. „Wir wollen eine aktivere diplomatische Rolle Deutschlands in enger Abstimmung mit seinen europäischen Nachbarn und Partnern“, schrieben die Regierungschefs Michael Kretschmer (CDU) und Dietmar Woidke (SPD) sowie der dieses Amt anstrebende Mario Voigt in einem gemeinsamen Gastbeitrag in der „Frankfurter Allgemeinen Zeitung“ (Online).
Alle drei sind bei der Koalitionsbildung nach den Wahlen in ihren Ländern auf Unterstützung des Bündnisses Sahra Wagenknecht (BSW) angewiesen. Dieses verlangt dafür eine Positionierung gegen die geplante Stationierung weiterreichender US-Raketen in Deutschland und ein Eintreten für einen Waffenstillstand zwischen Russland und der überfallenen Ukraine - den diese zu den russischen Bedingungen aber ablehnt.
„Um Russland an den Verhandlungstisch zu bringen, braucht es eine starke und geschlossene Allianz. Deutschland und die EU haben diesen Weg noch zu unentschlossen verfolgt“, schrieben die drei Landespolitiker. Je breiter die internationale Allianz aufgestellt sei, desto größer werde der Druck. „Es geht darum, einen Waffenstillstand zu erreichen und der Ukraine belastbare Sicherheitsgarantien zu bieten.“ Näheres führten sie zu den Rahmenbedingungen nicht aus.
Sie verwiesen zugleich auf die Rolle der östlichen Nachbarn. „Wir Deutsche tun gut daran, in diesen grundlegenden Fragen von Sicherheit und Frieden auf unsere östlichen Partner wie Polen und die baltischen Staaten zu hören“, schrieben sie, ohne dies weiter auszuführen. Polen und Balten verfolgen aber einen deutlich schärferen Kurs gegenüber Russland, von dem sie sich auch aus historischer Erfahrung direkt militärisch bedroht fühlen.
Deutschland müsse sich seinerseits verteidigungsfähig aufstellen, verlangten die Ministerpräsidenten und der CDU-Landeschef. „Es geht wie auch in der Zeit des Kalten Krieges nur aus einer starken Position heraus. Die Pläne für eine Stationierung von Mittelstreckenraketen in den westlichen Bundesländern hätte man besser erklären und breiter diskutieren müssen. Militärische Stärke ist nur dann sinnvoll, wenn sie mit kluger Diplomatie verbunden wird“, erläuterten sie.
Nur eine regelbasierte internationale Ordnung garantiere die Freiheit. „Es ist unsere Aufgabe, auch als Landespolitiker, diese Freiheit und diese Ordnung zu verteidigen und für sie einzustehen. Daran wird keine landespolitische Zusammenarbeit etwas ändern.“
UN-Generalsekretär Rutte zu Besuch in Kiew
13.22 Uhr: Zwei Tage nach seinem Amtsantritt als Nato-Generalsekretär ist der Niederländer Mark Rutte zu einem Besuch in der ukrainischen Hauptstadt Kiew eingetroffen. Dort traf Rutte mit dem ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenskyj zusammen, wie Journalisten der Nachrichtenagentur AFP berichteten.
Der frühere niederländische Regierungschef war am Dienstag in Brüssel in sein neues Amt eingeführt worden. Dabei hatte er die Unterstützung der Ukraine und die Absicherung der Verteidigungsallianz gegen Russland als Hauptaufgaben der Nato genannt. Zur Frage einer ukrainischen Nato-Mitgliedschaft und eines möglichen Friedens mit Russland äußerte sich Rutte am Tag seiner Amtseinführung allerdings zurückhaltend. Beides sei schwer vorherzusagen, sagte er.
Die ukrainische Armee befindet sich aufgrund eines Mangels an Soldaten und Ausrüstung seit Monaten in der Defensive. Am Mittwoch teilte sie mit, dass sie sich angesichts intensiver russischer Angriffe aus der seit Kriegsbeginn umkämpften Stadt Wuhledar im Osten des Landes zurückgezogen habe.
Ukraine verübt Drohnenangriff auf Militärflugplatz im russischen Hinterland
Donnerstag, 3. Oktober, 12.50 Uhr: Ukrainische Kampfdrohnen haben in der Nacht zum Donnerstag den russischen Militärflughafen Borissoglebsk im Gebiet Woronesch angegriffen. Ziel seien dabei Arsenale mit Gleitbomben, Kampfjets des Typs Suchoi und Treibstoffdepots gewesen, berichteten mehrere ukrainische Medien parallel unter Berufung auf Quellen beim Geheimdienst SBU. Konkrete Angaben zu Schäden machten sie nicht. Der Luftwaffenstützpunkt liegt gut 340 Kilometer von ukrainisch kontrolliertem Gebiet entfernt.
Zuvor hatte der Gouverneur des Gebiets Woronesch, Alexander Gussew, bei Telegram über ukrainische Drohnenangriffe informiert. Dabei sollen etwa 30 abgefangen worden sein. Infolge abstürzender Trümmerteile habe es Schäden an mehr als einem Dutzend Häusern gegeben. Eine Frau sei mit Splitterverletzungen mittleren Grades in ein Krankenhaus eingeliefert worden.
Die Ukraine wehrt seit über zweieinhalb Jahren eine russische Invasion ab. Beide Seiten setzen dabei massiv Drohnen ein.
Russland kündigt Einberufung von Ukrainern in besetzten Gebieten an
19.14 Uhr: Wie die ukrainische Zeitung „Kyiv Post“ berichtet, plant Russland das Programm zur Zwangseinberufung von Ukrainern in den besetzten Gebieten der ukrainischen Region Cherson weiter auszubauen. Die betroffenen Männer sollen demnach in Einheiten des russischen Südlichen Militärbezirks dienen.
Yuriy Sobolevskyi, der stellvertretende Vorsitzende des Regionalrats von Cherson, wies darauf hin, dass die einzige verlässliche Möglichkeit für die Ukrainer, der Wehrpflicht zu entgehen, darin bestehe, aus den besetzten Gebieten in Richtung EU oder andere sichere Regionen zu fliehen – allerdings nicht nach Russland.
Ukrainische Armee bestätigt offiziell den Verlust von Wuhledar
13.41 Uhr: Die ukrainische Armee hat den Verlust ihres Vorpostens Wuhledar im Osten des Landes offiziell bestätigt. Das Oberkommando habe den Rückzug aus der lange umkämpften Stadt genehmigt, „um Personal und militärische Ausrüstung zu retten“, teilte die zuständige Armeegruppe auf ihrem Telegram-Kanal mit.
Militärbeobachter beider Seiten hatten schon am Dienstag berichtet, dass russische Truppen die Bergarbeiterstadt im Gebiet Donezk erobert hätten. Wuhledar war zwei Jahre lang eine stark befestigte Verteidigungsanlage der ukrainischen Armee. Russische Truppen hatten mehrmals und unter hohen Verlusten versucht, die Stadt einzunehmen. Zuletzt gelang ihnen ein Vorstoß an den Flanken, der die Verteidiger der Stadt fast eingekreist hätte.
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