Ukraine-Krise: Die aktuellen Entwicklungen
Die Angst vor einem russischen Einmarsch in die Ukraine hält die Welt weiter in Atem. Hier gibt's die aktuellen Entwicklungen.
Ungarn verlegt Truppen an die Grenze zur Ukraine
Stoltenberg: Alles deutet auf russischen Großangriff auf Ukraine hin
EU-Staaten einigen sich auf neue Sanktionen gegen Russland
Putin erkennt Anspruch von Separatisten auf gesamte Gebiete an
Russlands Föderationsrat stimmt für Militäreinsatz in Ostukraine
Moskau: Bisher keine russischen Soldaten im Konfliktgebiet
Selenskyj: «Es wird keinen großen Krieg gegen die Ukraine geben»
Bundesregierung stoppt Zertifizierung von Nord Stream 2
+++ Ungarn verlegt Truppen an die Grenze zur Ukraine +++
Das EU- und Nato-Land Ungarn verlegt angesichts der Zuspitzung der Lage in der östlichen Ukraine Truppen an seine Grenze zur Ukraine. Dies berichtete die staatliche Nachrichtenagentur MTI am Dienstag unter Berufung auf Verteidigungsminister Tibor Benkö.
Im Falle einer Eskalation des bewaffneten Konflikts in der Ostukraine sei davon auszugehen, dass sich die Kampfhandlungen auch auf Kiew sowie die an Ungarn grenzende Region Transkarpatien ausweiten können, zitierte die Agentur den Minister. Die Grenze zwischen Ungarn und der Ukraine ist etwa 140 Kilometer lang.
Die ungarischen Streitkräfte hätten gegebenenfalls die Aufgabe zu verhindern, dass bewaffnete Gruppen auf ungarisches Territorium gelangen. Außerdem müsse das Militär eventuell für Flüchtlingsströme vorbereitet sein und andere humanitäre Aufgaben wahrnehmen. Benkö machte keine Angaben über Größe und Ausrüstung der Truppenteile, die an die ukrainische Grenze verlegt werden.
+++ Stoltenberg: Alles deutet auf russischen Großangriff auf Ukraine hin +++
Nato-Generalsekretär Jens Stoltenberg rechnet nach der jüngsten Eskalation in der Ukraine-Krise weiter mit einem vollständigen Einmarsch Russlands in die Ukraine. «Alles deutet darauf hin, dass Russland weiterhin einen Großangriff auf die Ukraine plant», sagte der Norweger am Dienstag nach einem Sondertreffen der Nato-Ukraine-Kommission in Brüssel.
Russland habe versprochen, sich von der Grenze zur Ukraine zurückzuziehen, doch der Aufmarsch werde fortgesetzt. Man sehe, dass immer mehr Streitkräfte zum Angriff bereit seien. Außerdem gebe es die andauernden Provokationen im Donbass sowie verschiedene Operationen unter falscher Flagge, mit denen versucht werde, einen Vorwand für einen Angriff zu schaffen. Am Vorabend habe man zudem gesehen, dass weitere russische Truppen in den Donbass vorgerückt seien. Außerdem verwies Stoltenberg auf die drohende Rhetorik Russlands, die am Montagabend von Präsident Wladimir Putin bestätigt worden sei.
Zugleich rief er Moskau zur Deeskalation auf: «Es ist nie zu spät, nicht anzugreifen.»
+++ EU-Staaten einigen sich auf neue Sanktionen gegen Russland +++
Die EU verhängt angesichts der Eskalation im Ukraine-Konflikt neue Sanktionen gegen Russland.
Die Außenminister der Mitgliedstaaten stimmten bei einem Sondertreffen in Paris einem entsprechenden Vorschlag der EU-Kommission und des Auswärtigen Dienstes zu, wie der französische Außenminister Jean-Yves Le Drian bestätigte. Die Strafmaßnahmen sollen noch in dieser Woche nach Abschluss technischer Vorbereitungen in Kraft treten.
Das Sanktionspaket der EU umfasst nach Angaben aus Brüssel ein Handelsverbot für russische Staatsanleihen, um eine Refinanzierung des russischen Staates zu erschweren. Zudem sollen mehrere Hundert Personen und Unternehmen auf die EU-Sanktionsliste kommen.
Darunter wären nach Angaben von Diplomaten rund 350 Abgeordnete des russischen Parlaments, die für die russische Anerkennung der selbst ernannten Volksrepubliken Luhansk und Donezk in der Ostukraine gestimmt haben, aber auch Banken, die in der Ostukraine Geschäfte machen. Auch sollen die Freihandelsregelungen der EU mit der Ukraine nicht mehr für die Gebiete in der Ostukraine gelten.
Von Personen, Organisationen und Unternehmen, die auf die EU-Sanktionsliste gesetzt werden, werden sämtliche in der EU vorhandenen Vermögenswerte eingefroren. Zudem dürfen gelistete Personen nicht mehr in die EU einreisen und mit den Betroffenen dürfen auch keine Geschäfte mehr gemacht werden.
+++ Putin erkennt Anspruch von Separatisten auf gesamte Gebiete an +++
Russlands Präsident Wladimir Putin erkennt die Separatistenregionen Luhansk und Donezk in ihren deutlich größeren ursprünglichen ukrainischen Grenzen an. Das bedeutet, dass der Territorialanspruch der Separatisten, die bislang nur etwa 32 Prozent der Gebiete Luhansk und Donezk kontrollieren, deutlich über ihr bisher verwaltetes Gebiet hinausgeht. Das birgt die Gefahr neuer Kämpfe mit den ukrainischen Regierungstruppen, die den übrigen Teil kontrollieren. Putin sagte am Dienstag, dass die Führungen in den als unabhängige Staaten anerkannten «Volksrepubliken Luhansk und Donezk» mit der ukrainischen Regierung darüber verhandeln müssten.
Bei einer Pressekonferenz erklärte Putin auch den Minsker Friedensplan für die Ostukraine für erledigt. Die Vereinbarungen hätten sich mit der Anerkennung der souveränen Staaten erübrigt, sagte Putin.
Der Präsident hatte sich am Dienstag auch vom Föderationsrat – dem Oberhaus des Parlaments – die Erlaubnis geben lassen für einen Einsatz russischer Truppen im Ausland. Ob er von dem Recht Gebrauch mache, entscheide sich gemäß der Lage in den Regionen Luhansk und Donezk. Zuvor hatten staatsnahe Medien berichtet, dass bereits russische Truppen im Donbass seien.
+++ Russlands Föderationsrat stimmt für Militäreinsatz in Ostukraine +++
Angesichts der Spannungen in der Ostukraine hat das Oberhaus des russischen Parlaments einem Truppeneinsatz zugestimmt. Der Föderationsrat votierte am Dienstagabend einstimmig für eine entsprechende Anordnung von Präsident Wladimir Putin. Der Kremlchef bestimme die Zahl der Soldaten und die Dauer der Stationierung «im Ausland», hieß es.
Zuvor hatte sich Putin an den Föderationsrat mit einem Antrag gewandt, «über den Einsatz russischer Streitkräfte außerhalb des Gebietes der Russischen Föderation» zu beraten, wie die Vorsitzende Valentina Matwijenko sagte.
Mit Blick auf die nun von Moskau anerkannten «Volksrepubliken» Donezk und Luhansk sagte Russlands Vize-Verteidigungsminister Nikolai Pankow während der Sitzung: «Wir müssen die Bürger dieser jungen Staaten beschützen.» Zudem warf er der Ukraine vor, rund 60 000 Soldaten an der Kontaktlinie zu den Separatistengebieten zusammen gezogen zu haben.
Am Mittag hatte das Unterhaus des Parlaments, die Staatsduma, die Anerkennung der selbst ernannten Volksrepubliken Donezk und Luhansk in der Ostukraine als unabhängige Staaten ratifiziert. Die Abgeordneten unterstützten einstimmig die Verträge über «Freundschaft und Beistand» mit den prorussischen Separatistengebieten. Putin unterzeichnete das Gesetz am Abend.
Der Staatschef hatte am Montagabend per Dekret die Entsendung russischer Soldaten in die von prorussischen Separatisten kontrollierten Gebiete angeordnet. Zudem erkannte er zum Entsetzen vieler westlicher Staaten die Gebiete Donezk und Luhansk als unabhängige «Volksrepubliken» an.
+++ Moskau: Bisher keine russischen Soldaten im Konfliktgebiet +++
Im Konfliktgebiet Ostukraine sind bisher nach Angaben aus Moskau und der Separatisten in Donezk keine russischen Soldaten. "Wir wollen uns auf unsere eigenen Kräfte verlassen", sagte der Chef der selbst ernannten Volksrepublik Donezk, Denis Puschilin, am Dienstag im russischen Staatsfernsehen. Es laufe eine Mobilmachung unter den Männern. Die von Russland am Montag als souveräner Staat anerkannte Region wolle nur dann auf die Möglichkeit militärischer Hilfe zurückgreifen, wenn dies nötig sei. Es gebe weiter Beschuss von ukrainischer Seite, sagte Puschilin.
Deshalb würden auch weiter die Menschen in Russland in Sicherheit gebracht. Zuvor hatte der russische Präsident Wladimir Putin per Dekret festgelegt, dass in die Regionen Truppen verlegt werden sollen, um in den Volksrepubliken Luhansk und Donezk für "Frieden zu sorgen". Kremlnahe Medien berichteten, dass im Donbass bereits russische Truppen seien. Auch im Internet wurden Videos verbreitet, die angeblich russische gepanzerte Fahrzeuge im Donbass zeigen sollen.
Dagegen sagte auch Russlands Vize-Außenminister Andrej Rudenko der Nachrichtenagentur Interfax zufolge in Moskau: "Derzeit will niemand irgendwas irgendwohin verlegen." Zugleich betonte er: "Sollte es eine Bedrohung geben, dann werden wir natürlich Beistand leisten - in Einklang mit dem ratifizierten Vertrag."Vertrag."
+++ Selenskyj: «Es wird keinen großen Krieg gegen die Ukraine geben» +++
Der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj sieht trotz der Anerkennung der selbst ernannten Volksrepubliken in der Ostukraine durch Russland keine erhöhte Kriegsgefahr. «Wir glauben daran, dass es keinen großen Krieg gegen die Ukraine geben wird», sagte das Staatsoberhaupt nach einem Treffen mit dem estnischen Kollegen Alar Karis am Dienstag in Kiew. Das Kriegsrecht werde jedoch im Falle einer Eskalation verhängt.
Forderungen von Separatistenvertretern nach einem Rückzug aus den unter Regierungskontrolle stehenden Teilen der Gebiete Donezk und Luhansk lehnte er ab. «Wir reden mit ihnen nicht. Wir wissen nicht, wer das ist», sagte der 44-Jährige.
Der russische Präsident Wladimir Putin hatte am Montagabend die Unabhängigkeit der Separatistenregionen Donezk und Luhansk in der Ostukraine anerkannt. Der Kremlchef ordnete auch eine Entsendung russischer Soldaten in die Ostukraine an. Er plant damit bereits zum zweiten Mal nach 2014 einen Einmarsch in die Ukraine. Der Westen wirft ihm vor, damit gegen das Völkerrecht zu verstoßen. Russland hat nach westlichen Angaben etwa 150 000 Soldaten an der Grenze zur Ukraine zusammengezogen.
DIE BISHERIGEN ENTWICKLUNGEN:
Bundesregierung stoppt Zertifizierung von Nord Stream 2
Vor dem Hintergrund des eskalierenden Russland-Ukraine-Konflikts stoppt die Bundesregierung das Genehmigungsverfahren für die russisch-deutsche Erdgasleitung Nord Stream 2 bis auf Weiteres. Das erfuhr die Deutsche Presse-Agentur am Dienstag in Berlin aus Regierungskreisen.
Kanzler Olaf Scholz (SPD) hat den vorläufigen Stopp für die umstrittene russisch-deutsche Gaspipeline Nord Stream 2 mit den jüngsten Entscheidungen von Russlands Präsident Wladimir Putin in der Krise mit der Ukraine begründet. «Die Lage ist heute eine grundlegend andere», sagte Scholz am Dienstag in Berlin nach einem Treffen mit Irlands Ministerpräsidenten Micheál Martin. Angesichts der jüngsten Entwicklungen müsse die Lage neu bewertet werden - «übrigens auch im Hinblick auf Nord Stream 2».
Er habe das Wirtschaftsministerium gebeten, den bestehenden Bericht zur Analyse der Versorgungssicherheit bei der Bundesnetzagentur zurückzuziehen, sagte Scholz. «Das klingt zwar technisch, ist aber der nötige verwaltungsrechtliche Schritt, damit jetzt keine Zertifizierung der Pipeline erfolgen kann.» Ohne diese Zertifizierung könne Nord Stream 2 nicht in Betrieb gehen, betonte Scholz.
Die zuständige Abteilung des Wirtschaftsministeriums werde eine neue Bewertung der Versorgungssicherheit unter Berücksichtigung dessen vornehmen, «was sich in den vergangene Tagen verändert hat», sagte der Bundeskanzler. «In dieser Phase ist es jetzt wichtig, neben ersten Sanktionen eine weitere Eskalation und damit eine weitere Katastrophe zu verhindern. Darauf zielen alle unsere diplomatischen Anstrengungen.»
Russisches Parlament ratifiziert Anerkennung ostukrainischer Gebiete
Die russische Staatsduma hat die Anerkennung der selbst ernannten Volksrepubliken Donezk und Luhansk in der Ostukraine als unabhängige Staaten ratifiziert. Die Abgeordneten unterstützten am Dienstag in einer Sitzung einstimmig die Verträge über «Freundschaft und Beistand» mit den prorussischen Separatistengebieten, wie die Agentur Interfax meldete.
Zuvor hatten bereits die Aufständischen in der Ostukraine ihrerseits den Verträgen bei getrennten Parlamentssitzungen zugestimmt.
Allen Warnungen des Westens zum Trotz hat der russische Präsident Wladimir Putin die Entsendung von Truppen in den umkämpften Osten der Ukraine befohlen. Die Einheiten sollen in den selbst ernannten Volksrepubliken Luhansk und Donezk für «Frieden» sorgen, wie es in einem Dekret heißt, das der Kremlchef am Montagabend in Moskau unterzeichnete. Zugleich erkannte Putin die beiden von prorussischen Separatisten kontrollierten Gebiete, die völkerrechtlich zur Ukraine gehören, als unabhängige Staaten an. Wann die russischen Soldaten dort einrücken, blieb zunächst unklar. Die USA und die EU protestierten und kündigten Strafmaßnahmen an.
Der vor Jahren vereinbarte Waffenstillstand in Donezk und Luhansk hält angesichts Hunderter Verstöße nicht mehr, es bekämpfen sich dort ukrainische Regierungstruppen und Aufständische. Russland hat nach westlichen Angaben etwa 150 000 Soldaten an den Grenzen zum Nachbarland zusammengezogen. Ein baldiges Vorrücken in die Ostukraine wäre daher leicht möglich. Moskau hatte seit Wochen Befürchtungen des Westens widersprochen, dass ein Einmarsch bevorstehen könnte.
Der erste Schritt zum vollständigen Einmarsch?
Der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj reagierte auf die russische Anerkennung der «Volksrepubliken» zurückhaltend. «Wir sind dem friedlichen und diplomatischen Weg treu und werden nur auf diesem gehen», sagte er. Auf Provokationen werde Kiew nicht reagieren - aber auch kein Territorium aufgeben. «Wir erwarten von unseren Partnern klare und wirkungsvolle Schritte der Unterstützung.»
Die US-Regierung geht davon aus, dass Russland seine Ankündigung, Truppen in den umkämpften Osten der Ukraine zu schicken, schon bald umsetzen wird. Russland könnte «heute Nacht oder morgen oder in den kommenden Tagen» handeln, sagte der stellvertretende nationale Sicherheitsberater Jon Finer dem Sender CNN. Die amerikanische UN-Botschafterin Linda Thomas-Greenfield sagte bei einer kurzfristig anberaumten Dringlichkeitssitzung des UN-Sicherheitsrates in New York am Montagabend (Ortszeit), der Entsendungsbefehl russischer Truppen sei der erste Schritt zum vollständigen Einmarsch. «Darüber hinaus ist dieser Schritt von Präsident Putin eindeutig die Grundlage für den Versuch Russlands, einen Vorwand für eine weitere Invasion der Ukraine zu schaffen.»
Die Vereinten Nationen kritisierten, der russische Entsendungsbefehl sei ein Verstoß gegen die UN-Charta. «Wir bedauern auch den Befehl, russische Truppen in der Ostukraine zu stationieren, Berichten zufolge im Rahmen einer Friedensmission», sagte die UN-Beauftragte für politische Angelegenheiten, Rosemary DiCarlo, bei der Dringlichkeitssitzung. «Die nächsten Stunden und Tage werden entscheidend sein. Das Risiko eines größeren Konflikts ist real und muss um jeden Preis verhindert werden.»
Russland schloss «Freundschaftsverträge» mit den selbst ernannten Volksrepubliken Donezk und Luhansk, die in der Nacht zum Dienstag auf der Internetseite der Staatsduma veröffentlicht wurden. Danach darf Russland eigene Militärstützpunkte in der Ostukraine errichten und betreiben. Darin ist zudem die Rede von einem gemeinsamen Grenzschutz. Die Vereinbarung solle zunächst über zehn Jahre Bestand haben, mit der Möglichkeit einer automatischen Verlängerung.
EU und USA reagieren mit Sanktionen
Die EU-Kommission hat nach Informationen der Deutschen Presse-Agentur unerwartet weitreichende Sanktionen gegen Russland vorgeschlagen. Ein am Dienstag den Mitgliedstaaten präsentierter Entwurf sieht Angaben von Diplomaten zufolge vor, den Handel mit russischen Staatsanleihen zu verbieten, um eine Refinanzierung des russischen Staats zu erschweren. Zudem sollen mehrere Hundert Personen und Unternehmen auf die EU-Sanktionsliste kommen.
Darunter wären rund 350 Abgeordnete des russischen Parlaments, die für die russische Anerkennung der selbst ernannten Volksrepubliken Luhansk und Donezk in der Ostukraine gestimmt haben, aber auch Banken, die in der Ostukraine Geschäfte machen. Auch sollen die Freihandelsregelungen der EU mit der Ukraine nicht mehr für die Gebiete in der Ostukraine gelten.
Von Personen, Organisationen und Unternehmen, die auf die EU-Sanktionsliste gesetzt werden, werden sämtliche in der EU vorhandenen Vermögenswerte eingefroren. Zudem dürfen gelistete Personen nicht mehr in die EU einreisen und mit den Betroffenen dürfen auch keine Geschäfte mehr gemacht werden.
An den Beratungen beteiligte Personen betonten, dass das volle Arsenal der Sanktionsmöglichkeiten noch nicht genutzt werde. Sanktionen zum Beispiel gegen den russischen Energiesektor und Ausfuhrverbote für Hightech-Technologie sind für den Fall vorbereitet worden, dass Russland einen Angriff auf die ganze Ukraine startet. Auch Kremlchef Wladimir Putin wird voraussichtlich noch nicht auf die EU-Sanktionsliste kommen.
Beschlossen werden müssen alle Sanktionen letztlich vom EU-Ministerrat. Die Entscheidung kann auch im schriftlichen Verfahren erfolgen. Über das genaue Vorgehen werden sich voraussichtlich die Außenminister bei einem Sondertreffen an diesem Dienstag in Paris abstimmen.
Auch die US-Regierung will an diesem Dienstag neue Maßnahmen gegen Russland ankündigen. US-Präsident Joe Biden unterzeichnete eine Exekutivanordnung mit Sanktionen. Diese sollen neue Investitionen, Handel und Finanzierung durch US-Personen in Donezk und Luhansk verbieten. Biden bekräftigte, dass die USA im Gleichschritt mit ihren Verbündeten und Partnern «rasch und entschlossen» auf eine weitere russische Aggression reagieren würden. Der britische Premierminister Boris Johnson prangerte den Schritt Putins ebenfalls als «offenen Bruch internationalen Rechts» an und sprach von einer «schamlosen Verletzung der Souveränität und Integrität der Ukraine».
London verhängt Sanktionen gegen Moskau - Botschafter einbestellt
Großbritannien verhängt angesichts der jüngsten Eskalation im Ukraine-Konflikt Wirtschaftssanktionen gegen Russland. Wie Premierminister Boris Johnson am Dienstag im Unterhaus in London verkündete, werden fünf russische Banken sowie drei wohlhabende russische Staatsbürger mit gezielten Sanktionen belegt. Deren Vermögen in Großbritannien werde eingefroren und Reisen nach Großbritannien unterbunden. Das sei nur die erste Tranche an Sanktionen, betonte Johnson.
Bei den sanktionierten Personen handelt es sich um Gennadi Timtschenko sowie die Brüder Boris und Igor Rotenberg. Alle drei gelten als enge Verbündete von Russlands Präsident Wladimir Putin.
Putin habe mit der Anerkennung der beiden abtrünnigen ukrainischen Regionen den Minsker Friedensprozess "schamlos gebrochen", sagte Johnson. Die Entsendung von Truppen komme einem erneuten Einmarsch in das Nachbarland gleich.
Wie das britische Außenministerium mitteilte, wurde Russlands Botschafter in London am Dienstag zu Gesprächen einbestellt. Eine Ausweisung russischer Diplomaten steht aber Medienberichten zufolge bislang nicht zur Debatte.
Fernsehansprache von Putin
Putin forderte mit Blick auf die verschärften Kämpfe im Donbass die ukrainische Führung auf, sofort das Feuer einzustellen. Andernfalls werde Kiew die volle Verantwortung dafür tragen, sagte er. Der Kremlchef warf zudem der Nato vor, mit einer «unverschämten Aneignung» der Ukraine begonnen zu haben. Der Westen wolle die Ukraine als «Theater möglicher Kampfhandlungen» erschließen.
Die prorussischen Separatistenführer in den beiden Regionen hatten Putin zuvor um Beistand im Kampf gegen die ukrainischen Regierungstruppen gebeten. Nach UN-Schätzungen gibt es in dem seit acht Jahren währenden Konflikt bisher mehr als 14 000 Tote.
Putin sprach in der Fernsehansprache trotz fehlender Beweise von einem Massenverbrechen am russischstämmigen Volk in der Ostukraine. «Die sogenannte zivilisierte Welt zieht es vor, den von Kiew begangenen Genozid im Donbass zu ignorieren», sagte Putin. Vier Millionen Menschen seien betroffen. Die USA hatten Russland zuletzt beschuldigt, möglicherweise den Vorwurf des Völkermordes als Vorwand für eine Invasion nutzen zu wollen.
Lesen Sie auch: Putin schockt mit Rede: «Marionetten-Regime» und «Genozid»
Putin warf der Nato überdies eine jahrelange Täuschung vor. Russland sei zu Sowjetzeiten bei der Wiedervereinigung Deutschlands versprochen worden, dass die Nato sich kein bisschen nach Osten ausdehne. «Sie haben uns betrogen», sagte Putin und warf dem westlichen Bündnis vor, bereits fünf Wellen der Ausdehnung nach Osten durchgezogen zu haben - und Russland wie einen Feind zu behandeln. «Warum das alles? Wozu?», fragte Putin. Er hatte zuletzt mehrfach vor einer Aufnahme der Ukraine in die Nato gewarnt.
Scholz, Biden und Macron einig
Bundeskanzler Olaf Scholz, Biden und der französische Präsident Emmanuel Macron telefonierten am Abend und waren sich einig, dass dieser Schritt Russlands nicht unbeantwortet bleiben werde. «Die Partner waren sich einig, nicht nachzulassen in ihrem Einsatz für die territoriale Integrität und Souveränität der Ukraine.» Kanadas Regierungschef Justin Trudeau twitterte: «Kanada steht fest an der Seite der Ukraine – und wir werden Wirtschaftssanktionen für diese Handlungen verhängen.» Außenministerin Annalena Baerbock verurteilte die Anerkennung der Separatisten-Regionen durch Russland als «eklatanten Bruch des Völkerrechts».
Litauens Staatspräsident Gitanas Nauseda erklärte: «Was wir heute Abend erlebt haben, mag für die demokratische Welt surreal erscheinen. Aber die Art und Weise, wie wir darauf reagieren, wird uns für die nachfolgenden Generationen definieren».
Die Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (OSZE) verurteilte die Anerkennung der «Volksrepubliken» scharf. Derweil verlegte die US-Regierung ihr diplomatisches Personal in der Ukraine aus Sicherheitsgründen vorerst nach Polen. Die Mitarbeiter des Außenministeriums, die sich derzeit in Lwiw aufhielten, würden die Nacht in Polen verbringen, teilte das US-Außenministerium mit. Die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter sollen aber regelmäßig zurückkehren, um ihre diplomatische Arbeit in der Ukraine fortzusetzen.
Der Separatistenführer in Donezk, Denis Puschilin, nannte die Anerkennung durch Russland einen «historischen Moment». Sie wurde in der Stadt mit einem angeblich spontanen Feuerwerk gefeiert.
Im Video: Das sind die Reaktionen auf Putins Ukraine-Rede