Ukraines Getreideexporte vor Neustart - Russland senkt Gaslieferungen

Technisch nicht zu verhindern oder eiskaltes Machtspiel? Die erneute Drosselung der russischen Gaslieferungen nach Europa sorgt für Streit. Dafür gibt es an anderer wichtiger Stelle Fortschritte.

Nord Stream 1 in Lubmin (Symbolbild: Reuters)
Nord Stream 1 in Lubmin (Symbolbild: Reuters)

Die Umsetzung des Getreide-Deals zwischen Russland und der Ukraine ist einen Schritt weitergekommen. Dabei geht es um die Ausfuhr von Millionen Tonnen ukrainischen Getreides, die aufgrund des russischen Angriffskriegs auf dem Weltmarkt fehlen. Am Mittwoch wurde das vereinbarte Kontrollzentrum zur Überwachung der Handelsschiffe in Istanbul offiziell eröffnet. Das Zentrum unter Beteiligung der Türkei und der Vereinten Nationen werde einen wesentlichen Beitrag zur Überwindung der Nahrungsmittelkrise leisten, sagte der türkische Verteidigungsminister Hulusi Akar. Moskau stellte aber sogleich Bedingungen. Zudem senkte der Staatskonzern Gazprom wie angekündigt die Menge des über die Ostseepipeline Nord Stream 1 gelieferten russischen Erdgases.

Vorbereitungen für Getreideexporte beginnen

Derzeit liefen Vorbereitungen, damit das erste mit Getreide beladene Schiff die Ukraine über das Schwarze Meer verlassen könne, sagte Akar. Die Transporte sollen bei Ein- und Ausfahrt ins Schwarze Meer kontrolliert werden, um sicherzustellen, dass sie keine Waffen geladen haben. Russland hatte in dem am Freitag unterzeichneten Abkommen zugesichert, Schiffe und beteiligte Häfen nicht anzugreifen. Die Ukraine war vor dem russischen Angriff einer der wichtigsten Getreideexporteure der Welt. Wegen des Kriegs konnten bislang mehr als 20 Millionen Tonnen Getreide nicht exportiert werden, deshalb stiegen die Preise, weltweit gibt es Angst vor Versorgungsengpässen.

Probleme bei Getreideausfuhr lauern

Moskau forderte, auch Hindernisse zum Export von russischem Getreide nun schnell zu beseitigen, damit die Ausfuhr zeitgleich mit den Lieferungen aus der Ukraine beginnen könne. Russland hatte die Beendigung der Blockade der ukrainischen Schwarzmeerhäfen von einer Lockerung der westlichen Sanktionen gegen sich abhängig gemacht. Experten sehen zudem die maritime Logistik vor einer Herausforderung. Die südwestukrainischen Häfen Odessa, Tschornomorsk und Juschne hätten «in den letzten fünf Jahren noch nie eine so große Menge Getreide umgeschlagen haben», teilte der internationale Reederverband Bimco mit. Vor allem die Notwendigkeit, die Schiffe in die Häfen zu eskortieren, werde wahrscheinlich zu einer gewissen Überlastung führen», sagte Bimco-Analyst Niels Rasmussen.

Wie angekündigt: Weniger Gas durch Nord Stream 1

Seit Mittwoch fließt durch die Ostseepipeline Nord Stream 1 deutlich weniger russisches Erdgas nach Deutschland. Es wurden nur noch gut 14 Millionen Kilowattstunden pro Stunde geliefert, wie aus Netzdaten auf der Unternehmensseite hervorgeht. Der russische Staatskonzern Gazprom hatte angekündigt, die Auslastung von 40 Prozent auf 20 Prozent zu drosseln. Moskau macht dafür erneut technische Probleme wegen westlicher Sanktionen verantwortlich. Die Bundesregierung glaubt dem nicht. «Wir sehen dafür wie schon zuvor keine technischen Ursachen», sagte eine Regierungssprecherin. «Was wir hier sehen, ist tatsächlich ein Machtspiel, und davon lassen wir uns nicht beeindrucken.»

Reaktionen auf gesunkene Gaslieferungen

Der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj forderte den Westen zu neuen Sanktionen gegen Moskau auf. «Denn allen ist klar, dass dies ein bewusster Preisterror Russlands gegen Europa ist», sagte Selenskyj am Dienstagabend in seiner täglichen Videoansprache. Netzagentur-Chef Klaus Müller sagte im Deutschlandfunk, Erdgas sei inzwischen Teil der russischen Außenpolitik und womöglich auch Teil der Kriegsstrategie. Müller rechnet nicht damit, dass in den kommenden Wochen durch Nord Stream 1 noch 40 Prozent der möglichen Menge fließen. Der europäische Gaspreis stieg weiter.

Berlin sicher über Lieferung von Flugabwehrsystem an die Ukraine

Die Bundesregierung hat keine Zweifel, das zugesagte Flugabwehrsystem Iris-T noch in diesem Jahr an die Ukraine zu liefern. «Wir gehen davon aus, dass das System bis Ende des Jahres in der Ukraine sein kann», sagte eine Regierungssprecherin in Berlin. Tags zuvor hatte Verteidigungsministerin Christine Lambrecht (SPD) von einem Termin im Herbst gesprochen. Ein Ministeriumssprecher räumte ein, dass es sich zunächst nur um die Lieferung eines einzelnen Raketensystems handelt. Das liege an den Kapazitäten der Rüstungsindustrie, die in den vergangenen Jahren wegen mangelnder Nachfrage eher reduziert wurden.

Ukraine und Russland melden Geländegewinne

Das ukrainische Militär hat nach eigenen Angaben die kleine Ortschaft Andrijiwka im Gebiet Cherson im Süden des Landes vollständig erobert. Das ukrainische Verteidigungsministerium teilte mit, von Russland gehaltene Brücken über den Fluss Dnipro seien «erfolgreich» angegriffen worden und drohte den russischen Einheiten in der Großstadt Cherson mit Vernichtung. Hingegen stießen russische Truppen in der Ostukraine vor. Söldner der sogenannten Wagner-Gruppe hätten vermutlich taktische Fortschritte rund um das wichtige Kohlekraftwerk Wuhlehirsk gemacht, teilte das britische Verteidigungsministerium mit. Zuvor hatten Medien der Donezker Separatisten die Eroberung gemeldet. Unabhängig sind die Angaben nicht zu überprüfen.

Was wird aus der Internationalen Raumstation ISS?

Russland hat die US-Raumfahrtbehörde Nasa nach deren Angaben bislang nicht über den geplanten Ausstieg aus dem Betrieb der Internationalen Raumstation ISS nach 2024 informiert. Nach wie vor sehe sich die Nasa zum Betrieb der ISS bis 2030 verpflichtet und koordiniere ihre Arbeit deswegen mit den Partnern, sagte Nasa-Chef Bill Nelson der Deutschen Presse-Agentur. Die russische Raumfahrtbehörde Roskosmos hatte zuvor angekündigt, nach 2024 aus dem Betrieb der ISS aussteigen zu wollen.

Selenskyj ist stolz auf Ehefrau: Olena Selenska ist Vorbild

Der ukrainische Präsident Selenskyj ist stolz auf den Umgang seiner Frau Olena Selenska mit dem russischen Angriffskrieg. «Ich glaube, dass sie eine sehr wichtige Rolle für die Ukraine, für unsere Familien und für unsere Frauen spielt», sagte Selenskyj der «Vogue». Seine Frau sei ein Vorbild für Frauen und Kinder, die noch in der Ukraine seien. «Erst einmal hat sie eine starke Persönlichkeit. Und wahrscheinlich ist sie stärker, als sie dachte. Und dieser Krieg - nun ja, jeder Krieg bringt wahrscheinlich Qualitäten zum Vorschein, die man nie von sich erwartet hätte.»