Ukrainische Serie "In Her Car": Bilder aus dem Kriegsgebiet

Als Russland die Ukraine angreift, richtet die Psychologin Lydia (Anastasia Karpenko) spontan einen Fahrdienst mit dem eigenen PKW ein. Die Serie "In Her Car" begleitet sie und ihre Fahrgäste über zehn Episoden. (Bild: ZDF und Roman Lisovsky)
Als Russland die Ukraine angreift, richtet die Psychologin Lydia (Anastasia Karpenko) spontan einen Fahrdienst mit dem eigenen PKW ein. Die Serie "In Her Car" begleitet sie und ihre Fahrgäste über zehn Episoden. (Bild: ZDF und Roman Lisovsky)

Die ukrainische Serie "In Her Car" erzählt von Lydia (Anastasia Karpenko), die bei Kriegsausbruch beschließt, Menschen kostenlos in ihrem Auto durchs Land zu fahren.

Es ist schon ein beklemmendes Gefühl, der Psychotherapeutin Lydia (Anastasia Karpenko) bei ihrem "Kriegsdienst" zuzusehen. Der besteht nämlich - selbst gewählt - darin, Menschen, die dringend irgendwo hin müssen, kostenlos im Privatwagen durchs Land zu fahren: an die Grenze nach Polen oder der Republik Moldau, aber auch mal nahe an die Front im Osten des Landes. Beklemmend ist dies nicht nur wegen der zehn gezeigten Schicksale in ebenso vielen, knapp halbstündigen Episoden, sondern weil man weiß, dass das Roadmovie "In Her Car" tatsächlich in der Ukraine gedreht wurde. Wenn Lydia und ihre Passagiere eine Militärkolonne überholen, von Soldaten an gesperrten Straßen angehalten werden oder zerstörte Gebäude passieren - dann ist man sich nie wirklich sicher: Wurde dies für die Serie so inszeniert oder hat man die Szene mehr oder minder dokumentarisch "mitgenommen".

Die ersten fünf durch eine Rahmenhandlung rund um Lydias eigene Geschichte verbundenen Episoden stehen ab Mittwoch, 21. Februar, in der ZDF Mediathek. Linear sind sie ab Dienstag, 27. Februar, um 23.05 Uhr, bei ZDFneo zu sehen. Die Folgen sechs bis zehn sind dann später im Jahr 2024 zu sehen.

Geschrieben wurde das Format "In Her Car", das zum zweiten Jahrestag der russischen Invasion vom 24. Februar 2022 erscheint, von Eugen Tunik. Hinter dem Projekt stehen jedoch auch mehrere öffentlich-rechtlicher Sender Europas: ZDFneo, FTV (Frankreich), SRF (Schweiz), DR (Dänemark), NRK (Norwegen), RUV (Island) und SVT (Schweden) wollen allesamt am 21. Februar auf Sendung gehen, um gemeinsam an den Krieg mitten in Europa zu erinnern und nebenbei die ukrainische Filmbranche vor Ort zu unterstützen.

Der Krieg im Rückspiegel: Lydia (Anastasia Karpenko) sieht, wie es hinter ihr eingeschlagen hat. Die Serie "In Her Car" vermittelt ein Gefühl vom Krieg in Europa, da sie tatsächlich vor Ort in der Ukraine gedreht wurde. (Bild:  ZDF und SLM; Gaumont; Roman Lisovsky / [M] FeedMee)
Der Krieg im Rückspiegel: Lydia (Anastasia Karpenko) sieht, wie es hinter ihr eingeschlagen hat. Die Serie "In Her Car" vermittelt ein Gefühl vom Krieg in Europa, da sie tatsächlich vor Ort in der Ukraine gedreht wurde. (Bild: ZDF und SLM; Gaumont; Roman Lisovsky / [M] FeedMee)

"War das jetzt der Anfang oder das Ende vom Alarm?"

Trotzdem erschafft die Serie mehr als nur gut gemeinte politische Solidarität. Gerade in der ukrainischen Version mit Untertiteln entsteht ein authentisches und facettenreiches Schicksals-Potpourri, das während eines noch andauernden Krieges direkt aus einem Land im Ausnahmezustand kommt. Oft sind es dabei kleine Szenen oder Geschichten, die sich im Gedächtnis festsetzen. So zum Beispiel, wenn Lydia eine Dorfstraße entlang läuft und ihr zwei alte Frauen begegnen, die schwer beladen Vorräte transportieren. Im Hintergrund heult - wie so oft in der Serie - eine Sirene.

"War das jetzt der Anfang oder das Ende vom Alarm?", fragt die eine. "Ach, weiß ich jetzt auch nicht", antwortet die andere. "Und hast du Kontakt zur russischen Verwandtschaft", will die erste Frau wissen. "Ja, aber denen haben sie ja alle das Gehirn gewaschen", meint die zweite. Mit politischen Statements wie diesem hält sich "In Her Car" trotzdem zurück. Vielmehr erzählen die Einzelschicksale der Episoden den Krieg als kritischen Teilchenbeschleuniger von Beziehungen: Darf ein starker junger Mann, der bald Vater wird, sich vor dem Kriegsdienst drücken? Soll man die junge Freundin des Ex-Ehemanns an die polnische Grenze fahren? Wie lebt es sich als schwuler Offizier in einer latent homophoben Kriegsgesellschaft? Und warum musste Lydias geliebte Schwester eigentlich sterben, als ihr Bus 2014 in der Region Luhansk beschossen wurde? "In Her Car" zeichnet Bilder, die anders sind als das, was man sonst von Dramen mit Kriegshintergrund gewohnt ist. Auch das macht die Serie zu etwas Besonderem.

Fahrgast Inga (Olena Oleynikova, links) weiß nicht mehr weiter. Lydia (Anastasia Karpenko) möchte der jungen Frau helfen, sie soll sicher die Grenze nach Polen passieren. (Bild: ZDF und Roman Lisovsky)
Fahrgast Inga (Olena Oleynikova, links) weiß nicht mehr weiter. Lydia (Anastasia Karpenko) möchte der jungen Frau helfen, sie soll sicher die Grenze nach Polen passieren. (Bild: ZDF und Roman Lisovsky)