Die unfassbaren Methoden von Red Bull
Red Bull dominiert die Formel-1-Saison 2024 ähnlich wie schon 2023. Ohne den Bremsdefekt in Australien hätte Max Verstappen womöglich alle bisherigen fünf Rennen gewonnen. Doch das Weltmeisterteam ist nicht nur in Kurven und auf Geraden die unangefochtene Macht, sondern auch beim Reifenwechsel.
Zuletzt in Shanghai absolvierte die Boxencrew einen Stopp ihres Dauersiegers aus den Niederlanden in nur 1,9 Sekunden. Und auch in Suzuka (2,08/Verstappen), Melbourne (2,10/Perez) und Dschidda (2,44/Verstappen) waren die Red-Bull-Schrauber die besten.
Lediglich beim Saisonstart in Bahrain schienen die Mechaniker des österreichisch-britischen Teams abgelenkt durch die Diskussionen um ihren Teamchef Christian Horner. Folge: Dort tauschte Ferrari die Reifen ausnahmsweise mal schneller (2,23/Leclerc).
Sechs Stopps unter 1,9 Sekunden
Davon abgesehen sprechen die Fakten für Red Bull: Schon sechs Mal absolvierte das Team aus Milton Keynes einen Boxenstopp in unter 1,9 Sekunden. Eigentlich ist die Crew seit Jahren konkurrenzlos, holte sechs Mal in Folge den Preis für die schnellsten Reifenwechsel der Saison.
Nur einmal spuckte McLaren dem Verstappen-Team in die Suppe: In Katar 2023 fertigten sie Lando Norris in 1,8 Sekunden ab und ergatterten so die Bestmarke für den schnellsten Boxenstopp aller Zeiten.
Dabei wurden die flotten Schrauber der Königsklasse zuletzt eigentlich immer wieder eingebremst. Seit Spa 2021 sind extreme Automatisierungsprozesse verboten, die - natürlich - Red Bull einst perfektioniert hatte. Zudem sind die 18-Zoll-Reifen seit 2022 größer, unhandlicher und auch ein paar Kilo schwerer (vorne 2,5, hinten 3,5) als die alten 13-Zöller.
Drill wie bei der Armee
Trotzdem sind die Mannschaften schon wieder genauso schnell wie zuvor. Allen voran Red Bull. Grund ist Teammanager Jonathan Wheatley: Der Brite drillt seine Mechaniker wie in der Armee. Vor jeder Saison absolviert er mit ihnen ein spezielles Boxenstopp-Bootcamp.
Dazu kommt: Die Boxenstopps aller Topteams sind mittlerweile stark automatisiert. Die Schlagschrauber senden nach getaner Arbeit Signale an die Wagenheber, die sich automatisch absenken. Bis zu 100.000 Euro kostet eine moderne Ampelanlage, die die perfekt eingespielte und hoch technisierte Choreografie der meist 22 Mechaniker beendet.
Training bei Dunkelheit
Dabei glückt der Reifenwechselt zumindest Red Bull sogar im Schlaf - oder bei Dunkelheit. Im Winter stellte Teammanager Wheatley seine Jungs vor die Aufgabe, den Boxenstopp mit verbundenen Augen zu performen. Nach drei Übungen wurde die Boxencrew in der Fabrik in völlige Dunkelheit gehüllt, sogar die Helmvisiere wurden zusätzlich verdunkelt. Nach zehn Versuchen verbesserten sie ihre Zeit von 8,84 Sekunden auf 2,84 Sekunden.
„Es wurde schnell klar, wie flüssig die Herangehensweise, die Kommunikation, die Fähigkeiten und der Zusammenhalt des Teams sind, sodass die anstehende Aufgabe fast zur zweiten Natur wurde. Ich war wirklich stolz auf ihre Leistung“, lobt Wheatley.
Eigentlich könnte alles so schön sein bei Red Bull…