Zu Unrecht vergessen: Dieser Musiker fegte sogar Mozart von der Bühne

Joseph Bologne (Kelvin Harrison Jr., links) zeigt Mozart (Joseph Prowen), wie man den Bogen überspannt. (Bild: Disney+/Larry Horricks/©20th Century Studios. All Rights Reserved.)
Joseph Bologne (Kelvin Harrison Jr., links) zeigt Mozart (Joseph Prowen), wie man den Bogen überspannt. (Bild: Disney+/Larry Horricks/©20th Century Studios. All Rights Reserved.)

Jopseh Bologne war einer der besten Komponisten des 18. Jahrhunderts: Disney+ zeigt im dramatischen Biopic "Chevalier - The Untold Story" warum er zu Unrecht in Vergessen geriet.

Zurückhaltung hat Joseph Bologne (Kelvin Harrison Jr.) nicht nötig. Noch bevor Regisseur Stephen Williams ein einziges Wort über die Lebensgeschichte des französischen Komponisten erzählt, lässt er ihn bei Disney+ im Biopic "Chevalier - The Untold Story" (Start: 16. Juni) zu einem Duell antreten. Der Gegner heißt Wolfgang Amadeus Mozart, die beiden spielen sich in einem Pariser Opernhaus auf der Violine die Improvisationen nur so um die Ohren. Bologne gewinnt, und am Ende dieser fantastischen, extrem dynamischen Eingangssequenz ist man versucht zu glauben, dem unbekannten Bologne könnte alles gelingen.

Man müsste es freilich besser wissen: Mozart hat seinen Platz in der Musikgeschichte sicher. Bologne ist - zu Unrecht - in Vergessenheit geraten. Williams macht dann auch ziemlich schnell klar, dass Joseph Bologne Zurückhaltung nicht nur nicht nötig hat, sondern vielmehr gar nicht leisten kann. Das Selbstvertrauen, mit dem der uneheliche Sohn eines französischen Plantagenbesitzers und einer dunkelhäutigen Sklavin auftritt, ist purer Überlebensinstinkt.

Joseph Bologne (Kelvin Harrison Jr., links) und die mit einem Adligen verheiratete Sängerin Marie-Josephine de Montalembert (Samara Weaving) lassen sich auf eine verbotene Liebschaft ein. (Bild: Disney+/Larry Horricks/©20th Century Studios. All Rights Reserved.)
Joseph Bologne (Kelvin Harrison Jr., links) und die mit einem Adligen verheiratete Sängerin Marie-Josephine de Montalembert (Samara Weaving) lassen sich auf eine verbotene Liebschaft ein. (Bild: Disney+/Larry Horricks/©20th Century Studios. All Rights Reserved.)

Ritter ohne Lobby

Dabei kann sich Bologne das Selbstvertrauen durchaus leisten: Er ist einer der virtuosesten Geiger seiner Zeit, ein bemerkenswert talentierter Komponist und zudem ein begnadeter Fechter. Der Mann der vielen Talente wurde allerdings mit der falschen Hautfarbe geboren: Im vorrevolutionären Frankreich haben Schwarze keine Lobby.

Längst überfällig erzählt das filmische Denkmal für Joseph Bologne vor allem die Geschichte der Diskriminierung. Gegen die ist selbst Königin Marie Antoinette (Lucy Boynton) machtlos: Sie schlägt Bologne zwar zum Ritter, zum Chevalier de Saint-Georges, lässt ihn aber wieder fallen, als sie rassistischen Widerstand am Hofe spürt: Chevalier hatte sich mit Selbstbewusstsein um die Leitung der Pariser Oper beworben und sich auf seine fachliche Qualifikation berufen. Doch was zählen Qualifikationen schon, wenn alte weiße Männer und Frauen nicht mit einem Schwarzen zusammenarbeiten wollen?

Joseph Bologne (Kelvin Harrison Jr.) galt seinerseits als extrem talentierter Komponist: Doch weil er die "falsche" Hautfarbe hatte, fiel er in Ungnade und geriet in Vergessenheit. (Bild: Disney+/Larry Horricks/©20th Century Studios. All Rights Reserved.)
Joseph Bologne (Kelvin Harrison Jr.) galt seinerseits als extrem talentierter Komponist: Doch weil er die "falsche" Hautfarbe hatte, fiel er in Ungnade und geriet in Vergessenheit. (Bild: Disney+/Larry Horricks/©20th Century Studios. All Rights Reserved.)

Ziemlich viel Soap

Bologne, dessen Werke später auf Geheiß Napoleon Bonapartes nahezu vollständig vernichtet wurden, kämpft trotzdem um den Posten und lässt sich auf ein weiteres Duell ein. Er tritt gegen Christoph Willibald Gluck an: Wer von beiden die bessere Oper komponiert, würde das Opernhaus leiten dürfen.

Von Regisseur Stephen Williams und Drehbuchautorin Stefani Robinson in einer Mischung aus Fakten und Fiktion erzählt, gelingt es dem Film leider nicht, die Dynamik und Energie der Auftaktszene aufrechtzuerhalten. So wichtig es ist, die einzigartige Biografie Bolognes zu erzählen, so behäbig wird das Historiendrama inszeniert.

Hübsch anzusehen, fantastisch ausgestattet und großartig gespielt, ist der Film vor allem in der zweiten Hälfte ein seichter Kostümschinken mit Soap-Anleihen. Insbesondere des Chevaliers Liebelei mit der adligen Sängerin Marie-Josephine de Montalembert (Samara Weaving) kommt nicht über Operettenniveau hinaus. Ziemlich schade, dass die wirklichen Konflikte dabei untergehen.

Marie Antoinette (Lucy Boynton) protegiert Joseph Bologne zunächst, lässt ihn dann aber fallen. (Bild: Disney+/©20th Century Studios. All Rights Reserved.)
Marie Antoinette (Lucy Boynton) protegiert Joseph Bologne zunächst, lässt ihn dann aber fallen. (Bild: Disney+/©20th Century Studios. All Rights Reserved.)