Pro-palästinensische Proteste an Unis weiten sich aus - Polizeieinsatz in Berlin

Die Hochschulproteste gegen den Krieg im Gazastreifen weiten sich von den USA zunehmend auf Universitäten weltweit aus. In Paris räumte die Polizei einen pro-palästinensischen Sitzstreik an der Elite-Hochschule Sciences Po. In Berlin kam es zu Polizeieinsätzen nach "volksverhetzenden Aufrufen" an der Humboldt-Universität. (JOHN MACDOUGALL)
Die Hochschulproteste gegen den Krieg im Gazastreifen weiten sich von den USA zunehmend auf Universitäten weltweit aus. In Paris räumte die Polizei einen pro-palästinensischen Sitzstreik an der Elite-Hochschule Sciences Po. In Berlin kam es zu Polizeieinsätzen nach "volksverhetzenden Aufrufen" an der Humboldt-Universität. (JOHN MACDOUGALL)

Die Hochschulproteste gegen den Krieg im Gazastreifen weiten sich von den USA zunehmend auf Universitäten weltweit aus. In der französischen Hauptstadt Paris schritt am Freitag die Polizei gegen einen pro-palästinensischen Sitzstreik an der Elite-Hochschule Sciences Po ein. In Berlin kam es nach Polizeiangaben zu Einsätzen nach "volksverhetzenden Aufrufen" an der Humboldt-Universität. Proteste gab es auch in Mexiko und Australien. Angesichts der zunehmenden Eskalation der Proteste in seinem Land rief US-Präsident Biden zu Ordnung auf.

In Paris versuchten Polizisten, dutzende Demonstrierende aus der Eingangshalle der Sciences Po zu entfernen, wie Journalisten der Nachrichtenagentur AFP berichteten. Die Räumung verlief Fernsehaufnahmen zufolge friedlich. Das Pariser Polizeipräsidium teilte mit, dass "91 Personen ohne Zwischenfälle abgeführt" worden seien.

Die Universität hatte wegen der Proteste am Freitag auf Online-Betrieb umgestellt, die meisten Gebäude blieben geschlossen.

Seit Beginn des Kriegs zwischen Israel und der radikalislamischen Hamas am 7. Oktober war es an der Pariser Elite-Universität immer wieder zu pro-palästinensischen Kundgebungen und Spannungen gekommen. Die Polizei schritt mehrfach ein. Am Donnerstag wurde ein Protestlager mit rund 300 Studierenden aufgelöst.

Bei einer pro-palästinensischen Protestkundgebung vor der Humboldt-Universität in Berlin kam es am Freitag nach Polizeiangaben zu Einsätzen nach "volksverhetzenden Aufrufen". Demnach behinderten die Teilnehmer den Zugang zum Hauptgebäude und lehnten eine Verlegung der Kundgebung ab. Nach Angaben der Universität fand außerdem eine Protestaktion von etwa 25 bis 30 Menschen statt, die sich im sogenannten Ehrenhof auf dem Universitätsgelände auf den Boden setzten.

Hochschulpräsidentin Julia von Blumenthal suchte demnach das Gespräch mit den Demonstrierenden im Ehrenhof und bot ihnen für den Fall einer friedlichen Beendigung ihres Protest die Organisation einer Podiumsdiskussion an. Dabei habe sie klargemacht, dass der Austausch "kontroverser Meinungen" zum Wesen einer Universität gehöre, "aber nicht brüllend und mit Megafonen geführt" werde.

Nach Polizeiangaben war bei dem Protest die israelfeindliche Parole "From the River to the Sea" skandiert worden. Die Parole ist in Berlin verboten, weil damit zur Vernichtung Israels aufgerufen wird. Israels Botschafter in Deutschland, Ron Prosor, äußerte sich empört über den Protest an der Humboldt-Universität. Die Demonstranten hätten "Hass und Gewalt gegen Juden verherrlicht", schrieb er auf X.

In Australien standen sich an der Universität von Sydney am Freitag Hunderte von pro-palästinensischen und pro-israelischen Demonstranten gegenüber. Trotz einiger angespannter Wortgefechte blieben beide Versammlungen jedoch friedlich. In Mexiko campierten dutzende pro-palästinensische Studierende vor der größten Hochschule des Landes, der Nationalen Autonomen Universität in Mexiko-Stadt.

Die Proteste in den USA hatten Mitte April an der renommierten Columbia University in New York begonnen und sich seitdem auf mindestens 30 weitere Universitäten im Land ausgeweitet. Die Demonstranten prangern zum einen die hohe Zahl von Toten im Gazastreifen an. Zum anderen fordern sie die Universitäten auf, Verbindungen zu Unternehmen zu beenden, die Verbindungen nach Israel haben. Immer wieder kam es auch zu antisemitischen Zwischenfällen.

In den vergangenen Tagen musste die Polizei an verschiedenen US-Universitäten eingreifen. Protestcamps wurden geräumt, Medienberichten kam es zu rund 2000 Festnahmen. Die Universität of California in Los Angeles (UCLA) kündigte für Freitag die Umstellung auf Online-Betrieb an. Am Donnerstag hatte die Polizei auf dem UCLA-Campus ein Protestcamp geräumt und mehr als 200 Demonstranten festgenommen.

Angesichts der zunehmenden Eskalation der Proteste rief US-Präsident Biden in einer Fernsehansprache zu Ordnung auf. "Wir sind keine autoritäre Nation, die Menschen zum Schweigen bringt oder Meinungsunterschiede unterdrückt", betonte er. Die USA seien aber "kein gesetzloses Land, sondern eine Zivilgesellschaft, und es muss Ordnung herrschen". Es müsse ein Gleichgewicht zwischen dem Recht auf friedlichen Protest und der Notwendigkeit geben, Gewalt zu verhindern.

Biden, der bei der Präsidentschaftswahl im November eine zweite Amtszeit anstrebt, steht wegen der Proteste zunehmend unter Druck. Während die Republikaner ihm vorwerfen, er sei gegenüber dem aus ihrer Sicht antisemitischen Tenor der Proteste zu nachgiebig, wird er von Teilen seiner eigenen demokratischen Partei dafür kritisiert, dass er Israels militärisches Vorgehen im Gazastreifen unterstützt. Auf die Frage, ob die Proteste einen Kurswechsel in seiner Israel-Politik bewirken würden, antwortete Biden mit "nein".

Israels Präsident Isaac Herzog prangerte angesichts der Proteste an den Hochschulen ein "erschreckendes Wiederaufleben des Antisemitismus" in der Welt und vor allem in den USA an. Angesehene Universitäten seien dort "von Hass und Antisemitismus verseucht", erklärte er am Donnerstag.

kas/bfi