US-Senat stimmt für Ukraine-Hilfen - Weiteres Votum fehlt
Washington (dpa) - Der US-Senat hat ein milliardenschweres Hilfspaket für die von Russland angegriffene Ukraine gebilligt. Nach wochenlangen Verhandlungen verabschiedete die Parlamentskammer einen entsprechenden Gesetzentwurf. 70 der 100 Senatorinnen und Senatoren stimmten dafür, 29 dagegen.
Dieser Entwurf geht nun an die andere Parlamentskammer, das Repräsentantenhaus. Ob das Paket dort durchkommen wird, ist völlig offen. US-Präsident Joe Biden fordert den Gesetzentwurf zügig zu verabschieden. «Ich fordere das Repräsentantenhaus auf, in dieser Angelegenheit dringend tätig zu werden», teilte der Demokrat mit. «Wir können es uns nicht leisten, noch länger zu warten.» Besonders für die Ukraine seien die Folgen verheerend, wenn nichts geschehe, mahnte Biden. «Wir sehen bereits Berichte darüber, dass den ukrainischen Truppen an der Front die Munition ausgeht, während die russischen Streitkräfte weiterhin angreifen.» Das Gesetz müsse schnellstmöglich auf seinem Tisch liegen, damit er es unterzeichnen könne.
Mehrheitsverhältnisse im Repräsentantenhaus
Im Repräsentantenhaus haben die Republikaner eine knappe Mehrheit, und Abgeordnete vom rechten Rand der Partei stemmen sich seit längerem gegen weitere US-Hilfen für die Ukraine.
Der republikanische Vorsitzende des Repräsentantenhauses, Mike Johnson, hat bereits erkennen lassen, dass er den Entwurf erst gar nicht zur Abstimmung stellen lassen könnte. Er will offenbar der Gesetzgebung zur Sicherung der US-Grenze zu Mexiko Vorrang geben. Im US-Repräsentantenhaus hat der Vorsitzende weitgehend in der Hand, über welche Gesetzentwürfe dort überhaupt im Plenum abgestimmt wird.
Biden rief Johnson auf, den Gesetzentwurf aus dem Senat sofort im Repräsentantenhaus zur Abstimmung zu stellen. Der Entwurf sei dort mehrheitsfähig. Johnson wisse das auch. «Deshalb fordere ich den Vorsitzenden auf, das gesamte Repräsentantenhaus zu Wort kommen zu lassen und nicht zuzulassen, dass eine Minderheit der extremsten Stimmen (...) diese Gesetzesvorlage blockiert.»
Senatsentscheidung weckt Hoffnungen
Der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj dankte dem US-Senat für das Voranbringen des Vorhabens. «Uns in der Ukraine hilft fortgesetzte US-Unterstützung dabei, Menschenleben vor dem russischen Terror zu retten», schrieb er auf der Plattform X (früher Twitter). «Amerikanische Hilfe bringt den gerechten Frieden in der Ukraine näher und stellt die globale Stabilität wieder her», fügte er hinzu.
«Der nächste Schritt ist die Abstimmung im Repräsentantenhaus», sagte Selenskyj in seiner abendlichen Videoansprache. Er setze dort auf die gleiche «moralisch starke Entscheidung», wie er sagte. «Sie wird sich für unsere gemeinsame Sicherheit auszahlen», appellierte er an die US-Abgeordneten.
Die USA gelten als wichtigster Verbündeter der Ukraine im Abwehrkampf gegen die russische Invasion. Seit Kriegsbeginn im Februar 2022 hat die Regierung von Biden militärische Hilfe in Höhe von mehr als 44 Milliarden US-Dollar (rund 41 Milliarden Euro) für Kiew bereitgestellt oder zugesagt. Ende Dezember kündigte das US-Verteidigungsministerium das vorerst letzte Militärhilfepaket für die Ukraine an. Seitdem wartet die ukrainische Führung auf neue finanzielle Zusagen und weitere Waffen und Munition aus den USA.
Der demokratische Mehrheitsführer der Kammer, Chuck Schumer, sagte, mit der Verabschiedung des Gesetzentwurfs sende der Senat eine klare, überparteiliche Botschaft der Entschlossenheit an die Verbündeten in der Nato.
Stillstand überwunden
In dem Hilfspaket, das der Senat beschloss, sind rund 60 Milliarden US-Dollar (knapp 56 Milliarden Euro) an Hilfen für die Ukraine vorgesehen, der Großteil davon für militärische Unterstützung. Das ist in etwa der Umfang, den Biden ursprünglich beantragt hatte. Der Entwurf enthält außerdem 14 Milliarden US-Dollar für Israel sowie Milliarden-Hilfen für Taiwan und andere Partner im Indopazifik. Um nach Monaten des Stillstandes voranzukommen, waren Mittel für die Grenzsicherung aus dem Paket ausgeklammert worden. Migration ist das große Streitthema zwischen Demokraten und Republikanern.
Biden hatte bereits im Oktober beim Kongress ein mehr als 100 Milliarden Dollar schweres Paket beantragt - mit Hilfen für die Ukraine, Israel, Sicherheitsunterstützung im Indopazifik und Geld für die US-Grenzsicherung. Republikanische Hardliner im Kongress blockierten das Paket jedoch über Monate und argumentierten unter anderem, die USA könnten nicht weiter im großen Stil Geld ausgeben, damit die Ukraine ihre Grenzen verteidigen könne, während es an den Grenzen der USA eine Krise illegaler Migration gebe. Monatelang tat sich nichts, trotz eindringlicher Appelle des Präsidenten und wachsender internationaler Beunruhigung.
Zustimmung im Repräsentantenhaus völlig offen
Obwohl nur eine einfache Mehrheit von 51 Stimmen nötig war, hatte es aufgrund der Regeln im Senat länger gebraucht, um zu diesem Punkt zu gelangen. In verschiedenen Vorabstimmungen mussten 60 der 100 Senatoren zustimmen, damit es überhaupt zu einem abschließenden Votum in der Kongresskammer kommen konnte. Die demokratische Fraktion hat nur eine dünne Mehrheit in dieser Kammer; deshalb war sie im Laufe der Verhandlungen auf republikanische Stimmen angewiesen. Gegner hatten in der Nacht auf Dienstag bis in die frühen Morgenstunden Reden in der Kammer gehalten, um das Vorhaben so lange wie möglich hinauszuzögern. Am Ende stimmten dennoch 22 Republikaner für den Entwurf. Zwei Demokraten und der unabhängige Senator Bernie Sanders stimmten dagegen. Sie hatten Einwände gegen die im Paket enthaltenen Hilfen für Israel.
Der republikanische Ex-Präsident und aktuelle Präsidentschaftsbewerber Donald Trump hat in den Reihen seiner Partei Stimmung gegen das Paket gemacht - wie auch schon gegen vorherige Fassungen des Entwurfes. Unter den Republikanern im Repräsentantenhaus sind besonders viele enge Unterstützer Trumps, dazu gehört auch der Vorsitzende der Kammer, Mike Johnson. Der machte in einer Stellungnahme am späten Montag (Ortszeit) deutlich, dass das Repräsentantenhaus weiterhin «seinen Willen durchsetzen» müsse, weil der Senat «keine einzige Änderung der Grenzpolitik» vorgenommen habe. Der Gesetzentwurf schweige zum «dringendsten Problem», mit dem das Land konfrontiert sei.