Vatikan-Banker fordert in Guttenberg-Doku Abschaffung der Kirchensteuer

Karl-Theodor zu Guttenberg traf sich für seine Doku "Um Gottes willen?" auch mit dem deutschen Journalisten und Vatikan-Experten Andreas Englisch in Rom. (Bild: RTL / Rick Schepker / i&u)
Karl-Theodor zu Guttenberg traf sich für seine Doku "Um Gottes willen?" auch mit dem deutschen Journalisten und Vatikan-Experten Andreas Englisch in Rom. (Bild: RTL / Rick Schepker / i&u)

Sind die deutschen christlichen Kirchen mächtig oder ohnmächtig? Wie kam es zu der Massenflucht der Glaubenden, kann sie gestoppt werden - und ändert sie etwas am Reichtum der Kirchen? Ex-Politiker Karl-Theodor zu Guttenberg blickt in einer RTL-Dokumentation hinter die Kulissen und hinterfragt Macht und Missstände.

Es ist quasi ein Exodus in den Atheismus, den die evangelische und katholische Kirche Deutschlands erleben. Die Glaubenden fliehen seit Jahren in Scharen. 2022 traten 522.000 Deutsche aus der katholischen und 380.000 aus der evangelischen Kirche aus. Warum? Und wie ist es zu ändern?

Für die RTL-Dokumentation "KT Guttenberg - Um Gottes willen?" (abrufbar bei RTL+) blickt der zur TV-Moderation konvertierte Ex-Bundesminister hinter die Kulissen der beiden deutschen christlichen Kirchen. Auch weil es ihm so geht wie vielen Glaubenden: "Ich ringe", sagt CSU-Mitglied Karl-Theodor zu Guttenberg, "weniger mit meinem Glauben, als mit der Institution Kirche."

Zunächst einmal kann man sich nach Ansicht der sehenswerten, knapp 90-minütigen Dokumentation an alle wenden, die sich wirtschaftlich Sorgen um die Kirchen machen: Dazu besteht kein Grund. Die Kirchen sind finanziell nach wie vor auf Rosen gebettet - auf den Blütenblättern wohlgemerkt, nicht auf den Dornenstängeln wie viele ihrer Anhänger.

Die aber sorgen dafür, dass der Geldfluss nicht versiegt. 2022 sprudelten 6,1 Milliarden Euro in die evangelischen und 6,8 Milliarden in die katholischen Kirchenkassen - eingezogen vom Staat, über die Einkommenssteuer. "Das ist eine ziemlich gute Lebensversicherung für die Kirchen", sagt die Journalistin Christine Florin.

Aber nicht die einzige ...

Karl-Theodor zu Guttenberg ist auch betroffen von der Kirchenkrise: "Ich ringe", sagt er, "weniger mit meinem Glauben, als mit der Institution Kirche." (Bild: RTL / Rick Schepker / i&u)
Karl-Theodor zu Guttenberg ist auch betroffen von der Kirchenkrise: "Ich ringe", sagt er, "weniger mit meinem Glauben, als mit der Institution Kirche." (Bild: RTL / Rick Schepker / i&u)

Auch Atheisten finanzieren die Bischofs-Gehälter - ob sie wollen oder nicht

Es gibt nicht wenige, die sich über die Kirchensteuer aufregen. Die gibt es so auch nur in Deutschland. Entstanden ist sie, und das ist wirklich interessant, nicht etwa auf Druck der Kirchen, sondern (zunächst) gegen ihren Willen. Den Landesherren wurde es nämlich lästig, dass sie die Erhaltung der Kirchengebäude finanzieren sollten, weshalb sie 1919 die Kirchensteuer einführten.

Dieser kann sich der Bürger entziehen, indem er aus der Kirche austritt. Aber er zahlt trotzdem weiter. Der Staat führt nämlich zusätzlich sogenannte "Staatsleistungen" an die Kirchen ab - 600 Millionen Euro pro Jahr. Diese Staatsleistungen stammen wiederum aus der napoleonischen Zeit: Die Kirchen sollten - damals! - dafür entschädigt werden, dass ihnen Grund und Immobilien zur Befriedigung der Herrscherinteressen genommen worden waren.

Mit den Staatsleistungen aus dem vom Bürger gespeisten Staatssäckel werden hauptsächlich die Gehälter der hohen Geistlichen (Bischöfe, Kardinäle, Erzbischöfe) finanziert. Anders ausgedrückt: Auch ein Atheist finanziert die Bischöfe - ob er will oder nicht.

Mit dem Ex-Bundestagsabgeodneten Gregor Gysi sprach Guttenberg über den Lobbyismus, den die Kirchen in der Politik betreiben. (Bild: RTL / Rick Schepker / i&u)
Mit dem Ex-Bundestagsabgeodneten Gregor Gysi sprach Guttenberg über den Lobbyismus, den die Kirchen in der Politik betreiben. (Bild: RTL / Rick Schepker / i&u)

Vatikan-Banker: "Ich halte auch die Abschaffung der Kirchensteuer für richtig"

"Die Staatsleistungen sollten abgeschafft werden", meint Georg Freiherr von Boeselager, mit dem sich Guttenberg im reichsten Bistum Deutschlands, dem Bistum Paderborn (Gesamtvermögen 2020: 7,2 Milliarden Euro), unterhielt. Von Boeselager sitzt im Aufsichtsrat des "Istituto per le Opere di Religione", der Vatikanbank. Er geht sogar noch weiter: "Ich halte auch die Abschaffung der Kirchensteuer für richtig."

Denn die Kirchen haben noch mehr Einnahmequellen (nicht gezählt die Spenden und Klingelbeutelkollekten der Gläubigen in der Sonntagsmesse). Dass zum Beispiel die deutsche katholische Kirche reicher ist als der Vatikan - von Boeselager: "Ja, das ist so, eindeutig!" - liegt auch daran, dass die beiden Kirchen zu den größten deutschen Immobilienbesitzern zählen.

130.000 Objekte besitzt die katholische Kirche, immerhin 75.000 die evangelische - und nur rund ein Drittel wird für sakrale Belange genutzt. So sind die Kirchen Vermieter von Häusern in Innenstadtbestlagen, die für viel Geld an Großkunden vermietet werden - etwa Louis Vuitton in Hamburg, Tesla in Berlin oder Zara in Köln. Plus: Die beiden Kirchen besitzen fast 850.000 Hektar deutscher Wälder und Ländereien und sind somit Deutschlands größte Grundbesitzer.

Guttenberg besuchte für "Um Gottes willen?" auch Pfarrer Franz Meurer, den "Engel von Köln". (Bild: RTL / Rick Schepker / i&u)
Guttenberg besuchte für "Um Gottes willen?" auch Pfarrer Franz Meurer, den "Engel von Köln". (Bild: RTL / Rick Schepker / i&u)

Die Kirchen als Arbeitgeber: keine Betriebsräte, kein Streikrecht

Die Kirchen engagieren sich zudem unternehmerisch in Brauereien, Krankenhäusern und landwirtschaftlichen Betrieben, besitzen Hotels oder - wie der Münchner Orden der barmherzigen Schwestern - mit dem Getränkelieferanten "Adelholzener" einen der größten Player der Branche. Schätzungen zufolge - konkrete Zahlen gibt es nicht - kassieren die Kirchen rund 100 Milliarden Euro im Jahr. Das entspricht, so sagt Guttenberg trocken, "dem Bruttoinlandsprodukt eines gut entwickelten EU-Landes wie etwa der Slowakei".

Das macht die Kirchen nicht nur reich, sondern zu einflussreichen Arbeitgebern. Und die haben sogar ihr eigenes Arbeitsrecht - das weder Betriebsräte noch Streikrecht beinhaltet. Dafür aber das Recht zur ideologischen Prägung. Also haben gleichgeschlechtliche Paare, Geschiedene oder Trans-Personen bei den Katholiken häufig schlechtere (oder keine) Arbeitskarten. Journalistin Florin: "Der Eingriff ins Privatleben bei der katholischen Kirche ist skandalös."

Guttenberg interviewte für seine Doku auch Theo Schenkel, der die katholische Kirche vor einige Probleme stellt: Der Trasn-Mann lebt mit einer Frau zusammen und will katholische Religion lehren.  (Bild: RTL / Rick Schepker / i&u)
Guttenberg interviewte für seine Doku auch Theo Schenkel, der die katholische Kirche vor einige Probleme stellt: Der Trasn-Mann lebt mit einer Frau zusammen und will katholische Religion lehren. (Bild: RTL / Rick Schepker / i&u)

Die Kirchen sind wie ein Krake - sie haben ihre Arme überall

Die Kirchen sind ein Krake, sie haben ihre Arme überall. Sie betreiben religiösen Lobbyismus in Berlin - Stichwortthemen: Sterbehilfe, Abtreibungen.

Gleichzeitig sind die Kirchen multimedial omnipräsent, besitzen Verlage, Radiosender, Nachrichtenagenturen, Homepages. Einen Kirchen-TV-Sender gibt es in Deutschland nicht, aber die Klerikalen sitzen in allen Landesmedienanstalten mindestens im Aufsichtsrat und die öffentlich-rechtlichen Sender sind zu religiösen Sendungen (Klassiker: "Das Wort zum Sonntag") verpflichtet. Und auch die Privaten strahlen sakrale Sendungen aus.

"Mein Herz schlägt katholisch", sagt Jacqueline Straub. Sie will katholische Priesterin werden. Nach derzeitigen Kirchenrecht unmöglich. (Bild: RTL / Rick Schepker / i&u)
"Mein Herz schlägt katholisch", sagt Jacqueline Straub. Sie will katholische Priesterin werden. Nach derzeitigen Kirchenrecht unmöglich. (Bild: RTL / Rick Schepker / i&u)

Kirchenaustritte: 39 Prozent gingen wegen der Missbrauchsskandale

Aber der Einfluss bröckelt. Massenaustritte, Diskussionen über nicht zeitgemäßen Zölibat oder rückständiges Frauenbild und vor allem die Missbrauchsskandale haben ihre Spuren hinterlassen. 39 Prozent derer, die der katholischen Kirche 2023 den Rücken kehrten, taten dies wegen der Missbrauchsfälle. Wobei der eigentliche Skandal die Art und Weise der Aufarbeitung durch die Kirche war und ist, wo oft "Vertuschen statt Aufklären" das Credo war. "Das ist ein systematisches Problem der katholischen Kirche", sagt Aktivistin Maria Mesrian. "Es gab viele Mitwisser und viele Missbrauchsfälle hätten verhindert werden können."

Das wurde nicht getan, weil, so Stefan Oster, Bischof von Passau: "Die Institution hat sich geschützt, anstatt seine Gläubigen." Das fällt den Kirchen, vor allem der katholischen, vor die Füße. Die Menschen vertrauen nicht mehr. Wie soll es weitergehen, wenn auch die ganz Alten, die Musterbeispiele von Gläubigen aussteigen, die unentwegt den Opferstock stopfen und einen Zehner zücken, damit beim Messelesen der Name eines verstorbenen Familienmitglieds genannt wird?

Professor Dr. Herbert Haslinger von der Theologischen Fakultät Paderborn ist skeptisch. Vielleicht brauchten die Kirchen erst einen absoluten Tiefpunkt, wie ein Suchtkranker, meint er. "Ich bin nicht optimistisch. Ich kann es nicht sein", sagt Haslinger.

Wird die Yoga-Matte die Kirchenbank der Zukunft? Karl-Theodor zu Gutternberg beim Yoga-Selbstversuch.  (Bild: RTL / Rick Schepker / i&u)
Wird die Yoga-Matte die Kirchenbank der Zukunft? Karl-Theodor zu Gutternberg beim Yoga-Selbstversuch. (Bild: RTL / Rick Schepker / i&u)

"Gott hat nur uns. Das ist seine Chance. Oder sein Problem."

Aktivistin Mesrian sagt: "Die klerikale Elite müsste entmachtet werden, dann hätte die Kirche eine Chance, zu dem zurückzukehren, was Jesus von Nazareth vorgelebt hat." Dr. Volker Jung, evangelischer Kirchenpräsident, meint, dass es "die perfekte Kirche" nicht gäbe. Da müsse man leider die menschliche Fehlbarkeit einkalkulieren. Und Bischof Oster scheint wahrlich noch zu glauben. Er sagt: "Die Kirche hat nichts mehr nötig als heilige Männer und Frauen."

Pfarrer Franz Meurer, als "Engel von Köln" bekannt, hält es mit dem Papst, der sage, "alle gehören dazu. Hört auf, Angst zu haben, fangt an zu träumen." Er könne nicht anders, als optimistisch zu sein. Außerdem: "Gott hat nur uns. Das ist seine Chance. Oder sein Problem."

"KT Guttenberg - Um Gottes willen? Die Macht der Kirche in Deutschland" ist bei RTL+ abrufbar. Die TV-Premiere folgt am 26. Dezember, 26. Dezember um 15.10 Uhr bei ntv.