Verfassungsschutzchef warnt vor Übergriffen auf Juden
Berlin (dpa) - Angesichts der Eskalation im Nahen Osten befürchtet Verfassungsschutzchef Thomas Haldenwang weitere antisemitische Übergriffe in Deutschland. «Wir müssen damit rechnen, dass gezielt Gewalt gegen Jüdinnen und Juden verübt werden könnte», sagte der Präsident des Bundesamts für Verfassungsschutz dem «Spiegel».
Manche Wohnhäuser seien mit einem Davidstern «regelrecht markiert» worden. «Ich befürchte, dass uns diese neue Welle des Antisemitismus noch länger beschäftigen wird», ergänzte Haldenwang. Im Zusammenhang mit dem Hamas-Überfall auf Israel habe es in Deutschland bereits rund 1800 Straftaten gegeben.
Polizei verbietet Gaza-Kundgebung am Alexanderplatz
Die Berliner Polizei verbietet indes eine für den Abend angekündigte Demonstration zum Gaza-Krieg auf dem Alexanderplatz. Das Verbot erfolge nach «Bewertung aller Umstände und Erkenntnisse sowie der Abwägung sämtlicher Interessen», wie es in einer Mitteilung hieß.
Demnach bestehe die Gefahr, dass es bei der Kundgebung zu volksverhetzenden, antisemitischen Ausrufen, Gewaltverherrlichungen, Einschüchterungen und Gewalttätigkeiten kommen könnte. Auch die Durchführung jeder Ersatzveranstaltung sei bis 6. November verboten.
Die Gruppe «Generation Palestine» hatte laut Polizei die Kundgebung mit 500 Teilnehmern für 18.30 Uhr angemeldet. Titel der Kundgebung war demnach: «Berliner Kinder für Gaza-Kinder».
Am Wochenende sind in Berlin mehrere Kundgebungen zum Nahostkonflikt geplant: Zu einer Kundgebung am Samstag um 14.00 Uhr am Brandenburger Tor unter dem Motto: «Frieden im Nahen Osten» sind 500 Teilnehmer angemeldet worden. Am Sonntag soll am U-Bahnhof Gleisdreieck ab 14.00 Uhr die Solidarität mit den Opfern in Palästina bekundet werden. Zu der Kundgebung sind laut Polizei 800 Teilnehmer angemeldet. Am Rosa-Luxemburg-Platz wird ab 15.00 Uhr Solidarität mit Israel gezeigt. Hier sind 100 Teilnehmer angemeldet.
Berlins Polizeipräsidentin Barbara Slowik rechnet zu Beginn der geplanten Bodenoffensive Israels in Gaza mit erneuten Spannungen in Berlin. Das wird definitiv Auswirkungen, natürlich auch auf Berlin, haben», sagte Slowik im RBB-Inforadio. Die Polizei werde versuchen, präventiv die Lage zu beruhigen, aber «auch einsatztaktisch» vorplanen.
Lindner und Stark-Watzinger besuchen Bildungsstätte Anne Frank
Mit einem Besuch in der Bildungsstätte Anne Frank setzen Bundesfinanzminister Christian Lindner (FDP) und Bundesbildungsministerin Bettina Stark-Watzinger (FDP) nun ein Zeichen gegen wachsenden Antisemitismus. «Der terroristische, barbarische Angriff auf Israel, jüdisches Leben, Jüdinnen und Juden hat uns natürlich alle fassungslos zurückgelassen», sagte Stark-Watzinger.
«Es hat auch hier in Deutschland gezeigt, dass Antisemitismus weiter verbreitet ist, als viele sich das vorgestellt haben», betonte die Ministerin. So sei die Zahl gemeldeter antisemitischer Vorfälle in den vergangenen zwei Wochen um 240 Prozent gestiegen. Außerschulische Lernorte wie die Bildungsstätte seien daher enorm wichtig, um Antisemitismus zu erkennen, zu bekämpfen und um Prävention zu betreiben.
«Wir sehen ein ganz großes Problem im digitalen Raum. Vor allem auf Tiktok ist eine Welle von Falschinformationen, gewaltvollen Bildern und Antisemitismus zu finden», sagte die Direktorin der Bildungsstätte, Deborah Schnabel. Diese Inhalte gelangten auch in Klassenzimmer. Es brauche schnell Programme, die sich mit dem Antisemitismus im Netz beschäftigten, so die Direktorin.