Vergessene Dürren: In diesen 5 Regionen drohen Konflikte um Wasser

Vergessene Dürren: In diesen 5 Regionen drohen Konflikte um Wasser

Werden bald Kriege um Wasser geführt? In einigen Regionen der Welt ist das durchaus möglich, mahnt „Water, Peace and Security“ (WPS). Die Online-Plattform hat eine Art Frühwarnsystem entwickelt.

Auf einer Weltkarte markiert sie alle Orte, an denen die Spannungen um das Wasser in Gewalt umzuschlagen drohen.

Diese Gefahr gibt es mit Blick auf die nächsten 12 Monate gleich in mehreren Ländern. Doch die Welt verschließe davor Ohren und Augen, warnt WPS-Koordinatorin Susanne Schmeier.

"Gefahren, die mit Wasser zu tun haben, bekommen derzeit nicht die Aufmerksamkeit, die sie verdienen", sagt sie. "Manchmal vielleicht für einen kurzen Moment, zum Beispiel die Überschwemmungen in Pakistan. Aber schaut man auf die vielen verschiedenen Krisen, mit denen die Welt aktuell konfrontiert ist, steht das Thema Wasser in der Regel nicht ganz oben auf der Tagesordnung.“

Wie kann man durch Dürre verursachte Konflikte vorhersagen?

WPS-Forschende haben ein "Frühwarnsystem" entwickelt, um vorherzusagen, ob und wo Wasserknappheit zu Konflikten führen wird. Das Tool stützt sich auf ökologische, politische und soziodemografische Faktoren. "Es leistet viel mehr, als es das menschliche Gehirn jemals könnte", erklärt Schmeier.

Dürre kann zu Ernährungsunsicherheit und Hungersnöten führen und Millionen von Menschen in die Flucht treiben. Selbst in Ländern, wo jahrzehntelang Frieden herrschte, könnten die Menschen bald gezwungen sein, um die verbleibenden Ressourcen zu kämpfen. Ganze Staatsapparate könnte so zusammenbrechen und ein gefährliches Machtvakuum entstehen lassen.

Das Frühwarnprogramm ging 2019 online. Seither hat es 86 Prozent der künftigen Konflikte erfasst und über neun von zehn "laufenden Konflikten" erfolgreich vorhergesagt, dazu kommen sechs von zehn "entstehende Konflikte".

In welchen Regionen drohen dürrebedingte Konflikte?

Über die Trockenheit in Europa und Kalifornien wurde in den Medien viel berichtet. Andere Gebiete, in denen die Not viel größer ist, geraten derweil fast in Vergessenheit. Das sind vor allem Regionen, in denen Dürre zum Alltag gehört.

"Es sind trockene und halbtrockene Regionen, die schon seit langem mit Wasserknappheit zu kämpfen haben. Aber der Klimawandel verschlimmert die Situation natürlich noch", sagt Schmeier.

Laut einer Oxfam-Studie leiden heute in den zehn stark betroffenen Klima-Krisenherden mehr als doppelt so viele Menschen unter akutem Hunger wie noch vor wenigen Jahren.

"Gepaart mit vielen anderen Faktoren kann das zu Konflikten zwischen verschiedenen Gruppen, verschiedenen Provinzen oder in manchen Fällen ganzen Ländern führen."

Der zweite Bericht des WPS für das Jahr 2022 gibt einen Überblick über die Regionen, wo besonders große Dürre herrscht – und damit ein großes Konfliktrisiko.

1. Kenia, Äthiopien und Somalia

Kenia, Äthiopien und Somalia sind von der vierten Dürreperiode in Folge schwer getroffen worden. Dazu kommt der Krieg in der Ukraine, der die Getreideimporte der Region in die Knie gezwungen hat. Mindestens 18,6 Millionen Menschen sind in der Region von Unterernährung betroffen.

Die Wahrscheinlichkeit anhaltender und neuer Konflikte in der Region ist hoch, warnt der WPS-Bericht.

2. Südafrika

Die anhaltende Dürre treibt die Region Nelson Mandela Bay in Südafrika auf den "Day Zero" zu. Damit ist der Punkt gemeint, an dem den Stadtbewohnern der Wasserhahn zugedreht wird.

Die gesamte Ostkap-Provinz hat zwischen 2015 und 2020 unter mehreren Jahren der schweren Dürre gelitten. Nach einer kurzen Verschnaufpause, kam die extreme Trockenheit 2021 wieder zurück. Viele Menschen stehen bereits mit Kanistern Schlange, um an Wasser zu kommen.

Laut WPS-Bericht ist die Wahrscheinlichkeit eines anhaltenden oder neu entstehenden Konflikts in der Region hoch.

3. Irak

Die Pegel von Tigris und Euphrat – Lebensadern für Millionen von Irakern – sind gefährlich niedrig.

Ende Mai waren die Pegelstände der Flüsse im Vergleich zum Vorjahr 60 Prozent niedriger. Der Wassermangel zwingt das Landwirtschaftsministerium dazu, die Ackerfächen um die Hälfte zu verkleinern. Der Irak hat die Türkei und den Iran eindringlich gebeten, mehr Wasser aus dem Oberlauf der Flüsse abzugeben – ohne Erfolg.

"Von den flussaufwärts gelegenen Ländern kommt wenig oder gar keine Hilfe. Gleichzeitig weigern sich die betroffenen Provinzen, das Problem wie von der Regierung gefordert intern zu bewältigen", warnt die Organisation.

Dadurch steigt die Gefahr von Konflikten. Die lokalen Behörden könnten versuchen, die Situation selbst in den Griff zu bekommen und sich dabei über die Erlasse des Staats zur Wasserbewirtschaftung hinwegsetzen. Im Juli wurden einige Grundwasserarbeiter in der Provinz Al Muthanna angegriffen – ein möglicher Vorbote für weitere Gewalt in der Zukunft.

4. Iran und Afghanistan

Der Hilmend ist der längste Fluss Afghanistans. Er entspringt nahe Kabul und mündet in den Hamun-See an der Grenze zum Iran. Das Wasser geht langsam zur Neige. Und der schon lange schwelende Streit zwischen Afghanistan und dem Iran um die Rechte am Wasser im Fluss wird schärfer.

In Afghanistan haben schon jetzt über 90 Prozent der Bevölkerung nicht genug zu essen.

5. Pakistan und Indien

Pakistan und Teile Indiens wurden vergangenes Jahr von verheerenden Überschwemmungen heimgesucht. Gleichzeitig hatten sie Anfang 2022 mit einer "beispiellosen" Hitzewelle zu kämpfen.

Es kam zu Ernteausfällen, Indien verhängte ein Ausfuhrverbot für Weizen und verschärfte damit die Ernährungsunsicherheit in den Nachbarregionen. Die Beziehungen zwischen Indien und Pakistan sind politisch ohnehin höchst angespannt.

Dem WPS-Bericht zufolge ist die Wahrscheinlichkeit eines anhaltenden oder neuen Konflikts in der Region hoch.

Was kann getan werden?

Die Vorhersagen der Online-Plattform sind düster. Aber laut Schmeier gibt es Hoffnung. Die Gefahr von Konflikten frühzeitig zu erkennen sei wichtig, damit man die Aufmerksamkeit vor Ausbruch eines Kriegs auf gefährdete Regionen lenken und so das Schlimmste verhindern könne.

"Ich versuche, optimistisch zu bleiben. Die Situation zwingt uns zur Zusammenarbeit", sagt die Forscherin.

Sie zwinge uns, Wege zur Konfliktvermeidung zu finden, neue Technologien zu entwickeln und den Wasserverlust zu verringern. "Es braucht viele neue Maßnahmen. Es beginnt mit dem Bewusstsein jedes Einzelnen bis hin zu den Regierungen in der internationalen Gemeinschaft."

Jeder Einzelne könne seinen Beitrag leisten, um den persönlichen Wasserverbrauch und auch die Müllproduktion herunterzuschrauben. Gleichzeitig forsche die Wissenschaft schon an neuen, nachhaltigeren Bewässerungssystemen und Pflanzen, die widerstandsfähiger gegen Dürre und Trockenheit sind.